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Essbar oder nicht?

Wer sich nicht mit dem eingeschränkten Angebot der Supermärkte abspeisen lassen möchte, sollte selber in die Pilze gehen, vorzugsweise jetzt im Herbst. Ein Pilzseminar kann das Tor zu neuen Geschmackswelten aufstoßen.

Von Susanne Schrammar |
    "Hier sind Hallimasche, dunkle Hallimasche! Lecker!"

    "Genau, das sind Hallimasch. Die Stiele kann man eigentlich gleich da lassen oder zumindest ziemlich kurz nur mitnehmen, denn die werden schnell so ein bisschen holzig, faserig. Aber sonst sind die hier natürlich im idealen Zustand – diese geschlossenen Köpfchen sind genau richtig."

    "Also, Mahlzeit ist gesichert!"

    Volltreffer – genau wie im Pilzbestimmungsbuch beschrieben, strecken die Hallimasche ihre honigfarbenen Köpfe am Rande eines Baumstumpfes hervor und bescheren damit den Pilzsammlern an diesem regnerischen Nachmittag den ersten Sucherfolg. Gemeinsam mit dem Mykologen, also dem Pilzwissenschaftler Andreas Gminder haben sich die zwei Dutzend Teilnehmer eines Volkshochschulkurses aufgemacht, in dem kleinen Waldgebiet bei Obernkirchen in Niedersachsen die Pilzwelt zu erkunden.

    "Das ist wie Ostereiersuchen."

    "Ja, das ist schon diese Sammelleidenschaft, die da irgendwie rauskommt."

    "Ich bin hierher gezogen, und die Pilze sind hier alle ein wenig anders als früher und da kenne ich mich nicht aus und da habe ich das Seminar belegt."

    "Ja, ich bin so ein Anfangssammler. Also, ich kenne drei Sorten, wo ich mir sicher bin, die kann ich nehmen und bei den anderen habe ich Angst. Und um das zu erweitern, dass ich vielleicht bei anderen Sorten sicherer werde, darum bin ich auch hier."

    Und weil es fast allen so geht, hat Pilzexperte Andreas Gminder vor die praktische Suche zwei Stunden Theorie gestellt. In einem Diavortrag erfahren die Teilnehmer, dass es kein allgemeingültiges Kriterium zur Unterscheidung von Speise- und Giftpilzen gibt. Deshalb sind genaue Kenntnisse über das Aussehen nötig, sagt der von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie anerkannte Pilzberater und zeigt anhand von Fotos, welche Pilze essbar sind und von welchen die Kursteilnehmer besser die Finger lassen. Ob das olivfarbene Kelchbecherchen, der dünnschalige Kartoffelbovist, der Tiegelteuerling, der Semmelstoppelpilz oder der Schlehenrötling – Gminder kennt sie alle. Auch die Krause Glucke, ein blumenkohlgroßer Pilz, der mit seinen krausen Verzweigungen an einen Badeschwamm erinnert.

    "Die Krause Glucke – ein sehr geschätzter Speisepilz, sehr aromatisch, wächst am Grunde von Kiefern auf eher sandigen Böden. Die Krause Glucke hat nur einen Nachteil: Das Ding sauber zu kriegen ist ne Aufgabe. Den kann man aber auch abbrausen. Ich hab aber auch schon Leute gehabt, die sagen: Beim Krause Glucke-Essen gehört es halt dazu, dass es ein bisschen knirscht."

    Faustregeln aufzustellen, woran essbare Pilze erkennbar sind, sagt der 45-Jährige, ist kaum möglich, außer vielleicht für die Röhrlinge, das sind Pilze wie etwa Maronen, die in der Regel keine Lamellen unter der Kappe haben.

    "Das gilt nur für die Röhrlinge, dass die Röhrlinge mit gepusteltem Stiel essbar sind oder auch, dass bei den Röhrlingen und nur wiederum ausschließlich bei den Röhrlingen die mit Ringen essbar sind, das kann es natürlich nicht für die Lamellenpilze geben, sonst wäre der Knollenblätterpilz ja auch essbar und das ist er ja nicht."

    Genauso wenig wie der Fliegenpilz. Der Giftpilz poppt an diesem Nachmittag am häufigsten aus dem feucht-moosigen Waldboden hervor. Dennoch freut sich der Pilzexperte über den Rotweißgetupften, denn er weiß: Wo Fliegenpilze wachsen, sind häufig auch köstliche Steinpilze zu finden. Und tatsächlich: Kurz darauf landet ein kleiner weißer Steinpilz im Korb. Doch aufgepasst: Steinpilze haben giftige Doppelgänger.

    "Viele verwechseln den am ehesten mit dem Gallenröhrling, und wenn die im jungen Zustand sind, so wie dieser kleine hier, dann haben die beiden auch beide weiße Poren. Aber wenn die älter werden, dann kriegen die Steinpilze eben diese gelbgrünen Poren und der Gallenröhrling kriegt rosane und dann sollte es kein Problem mehr sein mit der Verwechslung. Nur die ganz jungen können sich ganz schön ähnlich sehen. Ei, was ist das denn?"

    Und schon hat das geübte Auge wieder einen potenziellen Kandidaten fürs Abendessen entdeckt: Auf einem langen dünnen Stiel wölbt sich ein halbkugeliger blassgelber Hut – ein Schwefelkopf.

    "Und den drehen wir mal um – tja, das ist der grünblättrige Schwefelkopf, der hat so grünliche Lamellen und der ist leider giftig. Wenn wir welche finden, die genau gleich aussehen, aber unten graue Lamellen haben, dann haben wir den rauchblättrigen und der wäre essbar, den würden wir mitnehmen. Aber der nicht, der ist auch sehr bitter."

    Übrigens: Die meisten nichtgenießbaren Pilze schmecken im Rohzustand bitter oder pfeffrig. Wer ein winziges Stück probiert und es danach sofort wieder ausspuckt, sagt der Experte, dem könne nichts passieren. An diesem Tag finden die Kursteilnehmer nur sehr wenig essbare Exemplare. Pilzberater Andreas Gminder ist enttäuscht.

    "Naja, schon ein bisschen katastrophal. Wenn man so das Wetter anguckt, dann denkt man, der Wald müsste voll stehen, aber wahrscheinlich hat einfach noch nicht lang genug die Feuchtigkeit gewirkt – nächste Woche wäre es bestimmt besser. Mal gucken."