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Ettersberg bei Weimar
Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald

Im Sommer 1937 eröffnete die SS in den Wäldern oberhalb von Weimar ein riesiges Konzentrationslager. Menschen aus ganz Europa wurden in das KZ Buchenwald verschleppt, Zehntausende kamen ums Leben. Gegen Ende des Krieges war Buchenwald mit mehr als 100.000 Insassen das größte Konzentrationslager auf deutschem Boden. Am 11. April 1945 erlebten 21.000 Häftlinge die Befreiung.

Von Otto Langels | 11.04.2015
    Restaurator Bernhard Mai steht in der Gedenkstätte Buchenwald am restaurierten und nach Befunden in den originalen Farben gestrichene Lagertor des ehemaligen Konzentrationslagers mit der Inschrift "Jedem das Seine".
    Restaurator Bernhard Mai in der Gedenkstätte Buchenwald am restaurierten Lagertor des ehemaligen Konzentrationslagers mit der Inschrift "Jedem das Seine". (dpa / picture alliance / Candy Welz)
    "Am 11. April 1945 fuhr ein Jeep der amerikanischen Armee vor das Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald. Zwei Männer sprangen herunter."
    Jorge Semprún war als kommunistischer Widerstandskämpfer 1943 in Frankreich von der Gestapo verhaftet und in einem Viehwaggon in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt worden. Als Häftling mit der Nummer 44094 gehörte der spanische Schriftsteller zu den Überlebenden des Lagers.
    Im Juli 1937 hatte die SS auf dem Ettersberg bei Weimar, einem beliebten Ausflugsziel Goethes, ein großes Konzentrationslager errichtet, zunächst für politische Gegner und sogenannte Berufsverbrecher, später auch für Sinti und Roma, Homosexuelle und Juden wie den Kommunisten Emil Carlebach.
    "Ich war in Haft seit dem 11. Januar '34 und kam im September '38 mit zwei Massentransporten von insgesamt 2.000 jüdischen Gefangenen von Dachau nach Buchenwald. Nach der Befreiung lebten davon keine 200 mehr."
    In den Kriegsjahren verschleppten die Nazis Menschen aus ganz Europa nach Buchenwald. Die zynische Inschrift am Lagertor "Jedem das Seine" hieß für die Insassen nichts anderes als Hunger, Kälte, Krankheit, Folter, tödliche medizinische Experimente und Massenerschießungen. Von insgesamt 250.000 Häftlingen in den Jahren 1937 bis 45 kamen 56.000 durch die mörderischen Arbeits- und Lebensbedingungen ums Leben oder wurden umgebracht, darunter der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann und die Sozialdemokraten Rudolf Breitscheid und Ernst Heilmann.
    Die SS trieb Tausende von Häftlingen auf Todesmärsche
    Unter dem Kommando der SS regelten sogenannte Funktionshäftlinge den internen Lageralltag. Zunächst dominierten Kriminelle, in späteren Jahren deutsche Kommunisten die Verwaltung des KZs. Reinhold Lochmann, seit 1938 in Buchenwald inhaftiert:
    "Das wichtigste Motiv für die organisierten Widerstandskämpfer war, dafür zu sorgen, dass die Praktiken, die die Kriminellen ausgeübt hatten, indem sie Häftlinge schlugen, dass diese Schweinereien unterbunden wurden."
    In einzelnen Fällen konnten die Kommunisten sogar Gefangene auf den Todeslisten der SS austauschen. Der Schriftsteller Bruno Apitz, selbst langjähriger Buchenwald-Häftling, schilderte in seinem Roman "Nackt unter Wölfen" die wundersame Rettung eines kleinen Jungen durch die Funktionshäftlinge. Was Apitz nicht erwähnte: Stattdessen schickte die SS ein anderes Kind in den Tod.
    Als Anfang 1945 die Lager im besetzten Polen vor der anrückenden Roten Armee aufgelöst wurden, trieb die SS Tausende von Häftlingen bei eisigen Temperaturen auf sogenannte Todesmärsche Richtung Westen. Aus Auschwitz kam Kurt Goldstein am 22. Januar in Buchenwald an.
    "Und dann schleppten wir uns zum Lager Buchenwald. Und von den 3.000, die wir losmarschiert sind, waren es nicht mehr ganz 500."
    Die ohnehin katastrophalen Verhältnisse verschlechterten sich weiter dramatisch, sodass innerhalb kurzer Zeit 15.000 Menschen starben. Der Niederländer Max Hamburger entging nur knapp dem Tod.
    "Wir sind frei, wir sind frei."
    "Ich dachte, ich muss es überleben, weil es Zeugen geben muss, die nach dem Krieg darüber sprechen können."
    Als sich Anfang April die US-Armee dem Lager näherte, trieb die SS knapp 30.000 Gefangene auf "Todesmärsche". Widerstandskämpfer versuchten, den Abmarsch der Kolonnen zu verzögern, sodass Hunderte sich verstecken konnten. Nachdem die meisten SS-Angehörigen vor den Amerikanern geflohen waren, griffen Häftlinge zu illegal beschafften Waffen, besetzten die Wachtürme und überwältigten die letzten KZ-Aufseher. Der Buchenwaldhäftling Ottomar Rothmann:
    "So überrascht, wie die Masse der Häftlinge war, so erschrocken war offensichtlich die SS. Man muss natürlich dazu sagen, die Kasernen waren geräumt, der Kommandanturstab war geflüchtet. Und sie wussten natürlich auch, dass sie die Amerikaner im Rücken hatten, und plötzlich sahen sie vor sich eine für sie immerhin unbekannte Anzahl bewaffneter Häftlinge."
    21.000 Häftlinge erlebten die Befreiung des Lagers am 11. April 1945, darunter Léon Blum, Imre Kertesz, Elie Wiesel, Jorge Semprún und Kurt Goldstein.
    "Da sind wir aus dem Keller raus, wir saßen dort zu viert, zu fünft, und haben uns untergefasst und gesungen, wir sind frei, wir sind frei."