Archiv

Wagner-Aufstand in Russland
EU-Außenminister beraten - Aktivistin Scherbakowa sieht "Anfang von Zusammenbruch"

Wie geht es weiter nach dem abgebrochenen Aufstand der Wagner-Gruppe in Russland? Die Menschenrechtsaktivistin Scherbakowa sieht Präsident Putin stark geschwächt. Auch führende EU-Außenpolitiker sehen "Risse" im Moskauer Machtgefüge. Die EU-Außenminister beraten in Luxemburg.

    Irina Scherbakowa steht vor einer Pressekonferenz an der Friedrich Schiller Universität.
    Die Germanistin und Historikerin Irina Scherbakowa ist Mitbegründerin von Memorial International. (picture alliance / dpa / Bodo Schackow)
    Scherbakowa sagte im Deutschlandfunk, für sie sei der Söldneraufstand der Anfang vom Zusammenbruch des Systems. Entscheidend sei gewesen, dass der Meuterei kein wirklicher Widerstand entgegengesetzt worden sei. Erstmals habe sich eine große Krise des Machtgefüges und der Sicherheitsstrukturen offenbart. Zudem habe Putin in seiner Fernsehrede Unsicherheit gezeigt. Das Regime sei in Panik gewesen. Scherbakowa rechnet deshalb mit Veränderungen im Kreml. Die Aktivistin ist Gründungsmitglied der Menschenrechtsorganisation Memorial. Die Organisation wurde 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
    Das ganze Interview mit Irina Scherbakowa können Sie hier nachlesen.

    Borrell sieht Schwächen des politischen Systems

    Der EU-Außenbeauftragte Borrell sagte vor Beratungen der EU-Außenminister, der Wagner-Aufstand spalte die russische Militärmacht und zeige die Schwächen des politischen Systems. Es sei sehr beunruhigend, dass eine Atommacht wie Russland dermaßen instabil werden könne.
    Auch die deutsche Außenministerin Baerbock sprach von "massiven Rissen" im russischen Machtsystem. In Moskau laufe nach wie vor ein innenpolitischer Machtkampf, betonte die Grünen-Politikerin. Ihr luxemburgischer Amtskollege Asselborn erklärte unter Hinweis auf Russlands Atomwaffen, dass eine Destabilisierung des Landes für Europa sehr gefährlich werden könne.

    Schallenberg fordert Geschlossenheit des Westens

    Österreichs Außenminister Schallenberg forderte den Westen zu Geschlossenheit mit Augenmaß auf. Der ÖVP-Politiker sagte im Deutschlandfunk, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine habe Auswirkungen auf das Machtgefüge in Moskau. Es zeigten sich Risse. Dass es möglich sei, dass eine Söldner-Truppe in einer Nuklearmacht auf die Hauptstadt zumarschiere, sei ein Alarmzeichen. Putin erinnere ihn an einen Zauberlehrling, der die Geister, die er gerufen habe, nicht mehr loswerde. Der Westen habe richtigerweise besonnen auf die Ereignisse reagiert, erklärte Schallenberg.
    Das ganze Interview mit Alexander Schallenberg können Sie hier nachlesen.

    Ex-Botschafter: Schwächster Moment in Putins Amtszeit

    Der frühere deutsche Botschafter in Moskau, von Fritsch, sagte im Deutschlandfunk, Putin könne nun dazu entschlossen sein, mit Repression nach innen und großer Aggressivität nach außen vorzugehen. Von Fritsch betont, Putin erlebe den schwächsten Moment seiner Amtszeit. Er habe die Putschisten Hunderte Kilometer auf Moskau marschieren lassen und ihnen Bagger und Baumaschinen entgegengestellt. Zudem habe Putin den belarussischen Staatschef Lukaschenko um Vermittlungen bemühen müssen, sagte von Fritsch.

    Weiterführende Informationen

    Söldner-Revolte - Was seit dem Wagner-Aufstand in Russland passiert ist
    Wagner-Chef Prigoschin – vom Vertrauten zum Verräter
    In unserem Newsblog zum Krieg in der Ukraine finden Sie zudem einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen.
    Diese Nachricht wurde am 26.06.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.