Archiv


EU berät über die 13 abgeschobenen Palästinenser

Simon: Heute entscheiden die EU-Außenminister in Brüssel, was mit den 13 Palästinensern geschehen soll, zu deren Aufnahme sich die EU in Verhandlungen mit Israel, den Palästinensern und den USA verpflichtet hatte. Es handelt sich um 13 der Männer, die sich fünf Wochen lang in der Bethlehemer Geburtskirche aufhielten, und die von Israel als gefährliche Terroristen bezeichnet werden. Derzeit warten die 13 in einem Hotel auf Zypern auf die Entscheidung über ihr weiteres Schicksal. Vier Länder der EU haben sich dem Vernehmen nach bereit erklärt, sie aufzunehmen. Es soll sich handeln um Griechenland, Portugal, Italien und Spanien. Doch im EU-Europa der offenen Grenzen wird es schwer sein, den Aufenthaltsort der Männer einzugrenzen. Offen ist auch ihr rechtlicher Status. Gerhard Baum war in der sozialliberalen Koalition Bundesinnenminister. Herr Baum, wie soll die EU mit den 13 Palästinensern umgehen?

    Baum: Das ist eine sehr schwierige Situation. Die EU hat in Bethlehem verhandelt. Israel ist offenbar damit einverstanden, auf die Strafverfolgung zu verzichten. Es gab auch Proteste in Israel gegen die Straffreiheit für diese angeblichen Mörder. Also jetzt ist freies Geleit, humanitäre Aktion, und das bedeutet, dass wir, nachdem wir in Bethlehem "A" gesagt haben, auch "B" sagen müssen, d.h. es müssen sich einige europäische Staaten finden, um sie aufzunehmen, aber nicht als Strafgefangene, sonst hätte man sie ja gleich in Israel lassen können. Offenbar hat man ihnen zugesagt, dass sie sich frei bewegen können. Die Frage ist jetzt, unabhängig vom rechtlichen Status, nach dem Sie gefragt haben - ich nehme nicht an, dass sie Asyl beantragen werden, das wäre eine schwierige Situation -: Welchen Status haben Sie? Geben Sie Erklärungen ab, die unseren Sicherheitsinteressen entsprechen? Und das muss man, meine ich, mit diesen Menschen aushandeln. Israel wird ja wohl nicht bereit sein, sie wieder nach Palästina zurückzulassen, also müssen wir zunächst respektieren, was ausgehandelt worden ist. Immerhin ist eine ganz schwierige Belagerungssituation beendet worden, und wir müssen versuchen, Sicherheitsgarantien zu bekommen, so weit das irgendwie möglich ist, von denen, die als Einzelne in den Ländern aufgenommen werden. Wir können aber nicht so tun, als würden sie hier jetzt als strafverfolgte Mörder zu behandeln sein.

    Simon: Deutschland möchte keinen dieser 13 Palästinenser aufnehmen, aber es gibt in Deutschland bereits Stimmen, die sagen: Es kann nicht sein, dass diese Palästinenser in einem der vier Länder aufgenommen werden, und dann, weil ja die Grenzen offen sind, zu uns kommen und vielleicht hier weiter gegen Israel arbeiten. Glauben Sie, dass sich so etwas verhindern lässt?

    Baum: Ich würde es gerne verhindern. Am liebsten wäre uns allen, wenn diese aggressiven Palästinenser neutralisiert würden, wenn sie entweder selbst auf weitere Aktivitäten verzichten oder daran gehindert werden. Das wäre natürlich das Beste, aber ich weiß nicht, wie man das in dieser Situation herstellen kann, ohne die Übereinkunft zu verletzen, die in Bethlehem zwischen der EU und den Israelis getroffen worden ist. Ich würde dringend empfehlen, die Gefahrenlage einzuschätzen, was sind das für Personen, wie lassen sie sich ein, was ist von ihnen zu erwarten, was ist von ihnen zu befürchten, und ich würde dann im Einzelfall entscheiden, was in unserem Sicherheitsinteresse notwendig ist. Aber dass man jetzt so tut, als habe diese Vereinbarung überhaupt nicht stattgefunden, geht auch nicht.

    Simon: Also eine wie auch immer geartete Kontrolle, Überwachung der 13?

    Baum: Ja, wenn es notwendig ist. Wenn wir den Eindruck gewinnen, dass von hier aus keine Gefahr durch die Anwesenheit der Personen ausgeht, dann kann man darauf verzichten. Aber ich würde sagen, man müsste doch sicherstellen, dass sie von hier aus nicht gefährlich werden, etwa israelische Einrichtungen in unseren Ländern angreifen oder Ähnliches. Da muss man jeden Einzelfall in Betracht ziehen, man muss sich mit den Leuten befassen, man muss eine Einschätzung der Gefährlichkeit herstellen und entsprechend handeln.

    Simon: Aus Ihrer Erfahrung als früherer Bundesinnenminister, wird es denn überhaupt möglich sein, diese 13 Menschen sozusagen inkognito in den Ländern unterzubringen? Diese Menschen sind ja, wenn man es andersrum sieht, als gesuchte Terroristen durchaus auch gefährdet.

    Baum: Das ist dann die Geschicklichkeit der Sicherheitsbehörden. Ich würde den zuständigen Ländern dringend raten, zunächst eine Übergangszeit einzuschalten, die Menschen an einen sicheren Ort zu bringen, sie einfach eine Übergangszeit in eine Situation zu halten, wo ihre Bewegungsfreiheit nicht unbeschränkt ist.

    Simon: Sehen Sie eigentlich in der von den USA immer wieder ins Feld geführten Debatte um den sogenannten Kampf gegen den Terror die EU jetzt im Hintertreffen, dass sie 13 von Israel bezeichnete Terroristen aufnimmt?

    Baum: Das hat ja die EU nicht sehr gerne gemacht. Es war einfach eine Folge dieser lang andauernden, sehr kritischen, sehr gefährlichen Situation in Bethlehem. Wir haben ja früher schon solche Situationen erlebt, wo Menschen in Flugzeugen festgehalten wurden, wo wir Geiselnahmen hatten. Man hat hier abgewogen und gesagt: Ehe ein Blutbad in Bethlehem droht - es waren ja sehr viel mehr Personen in der Kirche als diese 13 -, ist es das kleinere Übel, sich auf einen solchen Deal einzulassen. Der Deal bedeutet offenbar, dass eine Strafverfolgung zur Zeit nicht stattfindet.

    Simon: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio