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EU-Defizitverfahren
Keine Sanktionen gegen Spanien und Portugal

Die EU-Kommission drückt bei Defizitsündern in der Euro-Zone erneut ein Auge zu und verhängt gegen Spanien und Portugal keine Strafe. Erstmals begründete Brüssel die Entscheidung auch mit der vorherrschenden Anti-EU-Stimmung. Beide Länder kämen zudem aus einer schweren Krise mit hohen Arbeitslosenzahlen.

Von Frederik Rother | 27.07.2016
    Das Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel.
    Das Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel. (picture alliance/dpa/Matthias Balk)
    Am Ende waren es vor allem die schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen der beiden Defizit-Sünder Spanien und Portugal, die die EU-Kommission heute davon abgehalten haben, Sanktionen zu empfehlen. Beide Mitgliedsstaaten hätten in den letzten Jahren große Reform-Anstrengungen unternommen, sagte EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis bei der Vorstellung der Verhandlungsergebnisse. Das erkenne die Kommission an: "Beide Länder haben ihre öffentlichen Finanzen konsolidiert und tiefgehende Strukturreformen durchgeführt. Wir sehen, dass diese Reformen wirken, sie führen zu wirtschaftlicher Erholung, Wachstum und neuen Jobs."
    Trotz dieser Maßnahmen befänden sich beide Länder nach wie vor in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage und stünden vor umfassenden sozialen Herausforderungen. "Obwohl Jobs geschaffen werden, ist die Arbeitslosigkeit, und insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, immer noch hoch. Viel zu viele Menschen sind in sozialen Notlagen und merken nicht genug vom Aufschwung."
    EU-Finanzminister haben das letzte Wort
    Die genannten ökonomischen Faktoren, die Zusagen beider Länder, in Zukunft die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten sowie die Argumente, die Spanien und Portugal in den letzten Wochen gegen Sanktionen hervorgebracht haben, hätten zu der heutigen Kommissions-Entscheidung geführt, so Dombrovskis. "The college agreed today to propose the cancellation of the fines for both countries."
    Die EU-Kommission hätte theoretisch Geld-Strafen verhängen können, die 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung der jeweiligen Länder betragen. Für Spanien wären das mehr 2 Milliarden Euro gewesen, für Portugal knapp 200 Millionen Euro. Jetzt haben die EU-Finanzminister das letzte Wort. Sie entscheiden, ob es dabei bleibt, oder ob sie die Empfehlung der Kommission ablehnen.
    Die Kommission gibt Spanien und Portugal bis Mitte Oktober Zeit, neue Pläne zu präsentieren, wie sie ihre Haushalte in Ordnung bringen wollen. Dabei forderte auch der französische Währungskommissar Pierre Moscovici beide Länder noch mal auf, ihre Defizite nachhaltig in den Griff zu bekommen. Portugal soll sein Haushaltsdefizit bis zum Ende des Jahres auf 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken – von 4,4 Prozent im Vorjahr. "Wenn sich diese Zahlen auch im nächsten Jahr durch Eurostat bestätigen, dann kann die Kommission vorschlagen, Portugal aus diesem Defizitverfahren wieder rauszunehmen."
    Moscovici fordert von Spanien schnellere Reformen
    Spanien hat bis Ende 2018 Zeit, um sein Haushaltsdefizit auf 2,2 Prozent zu minimieren, von 5,1 Prozent im Vorjahr. Moscovici ermahnte Spanien, seine Reformanstrengungen zu beschleunigen, wenn es nicht das letzte Land sein wolle, das aus dem EU-Defizitverfahren komme. Bei der Begründung der Kommissions-Entscheidung ging der Franzose auch noch mal auf die in vielen Ländern vorherrschende Europa-Skepsis ein: "Wir sind nicht der Meinung, dass eine Bestrafung sinnvoll ist in einer Zeit, in der die Menschen Europa infrage stellen."
    Mit einem Wermutstropfen müssen Spanien und Portugal vermutlich leben: Gelder aus den EU-Strukturfonds sollen aufgrund des Defizitverfahrens gekürzt werden. Um welchen Betrag es dabei geht, ist noch nicht klar. Darüber wird die EU-Kommission im September mit dem EU-Parlament beraten. EU-Währungskommissar Moscovici kündigte schon mal einen "drastischen Vorschlag" an.