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EU gegen Google
"Kommission wird sich schwertun"

Die EU-Kommission hatte gestern Wettbewerbsbeschwerde gegen den Internet-Konzern Google erhoben. Man habe den Eindruck, dass sich das Gremium auf etwas kapriziere, sagte Jürgen Kuri, Vize-Chefredakteur des "c't-Magazins", im Deutschlandfunk. Die EU-Kommission werde sich schwertun, ihre Argumentation wirklich stichhaltig zu Ende zu führen.

Jürgen Kuri im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 16.04.2015
    Jürgen Kuri, der stellvertretende Chefredakteur des c't Magazins, gestikulierend vor braunem Hintergrund
    Jürgen Kuri, stellvertretender Chefredakteur des "c't-Magazins": "Andere Suchmaschinen versuchen das ja auch." (Imago / Südraumfoto)
    Der Vorwurf nämlich, dass Google Ergebnisse eigener Dienste beim Preisvergleich bevorzuge, hält Kuri nicht für stichhaltig. Es handele sich weniger um einen Preisvergleich als vielmehr um die Anzeige von bestimmten Produkten. Das Problem wäre weitaus größer, wenn der Dienst Google Shopping populär wäre. Dem sei aber nicht so. Andere Service würden dadurch nicht in den Hintergrund gedrängt.
    Google habe mit seiner Suchmaschine ein sehr gut funktionierendes Instrument geschaffen. Es zeige im Grunde, was die User suchten. Die Google-Suchmaschine sei "schlicht und einfach immer noch die beste und für den User am einfachsten zu bedienen, ohne großen Schnickschnack außen herum". Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass hinter der Beschwerde auch Microsoft stehe, das das Gleiche versucht hätte - allerdings mit weniger Erfolg.
    Die Möglichkeit, dass Google als Konzern zerschlagen werden könnte, sieht Kuri skeptisch. Häufig funktioniere das nicht durch Auflagen. "Solche Wettbewerbsregulierungen können da unter Umständen helfen, aber sie sind sicher nicht der Weisheit letzter Schluss".

    Dirk-Oliver Heckmann: Das werden Sie sicher auch schon häufiger gemacht haben. Wenn Sie sich etwa für eine neue Digitalkamera oder einen Kühlschrank interessieren, dann suchen Sie über Google, was das Produkt so kostet. Das Problem: Google listet die Produkte ganz oben auf, die über den eigenen Preisvergleich angeboten werden, und nutzt damit seine marktbeherrschende Stellung aus. Davon jedenfalls ist die EU-Kommission überzeugt und sie hat gestern das Vorgehen gegen Google deshalb verschärft.
    Wir hätten gern mit einem Google-Vertreter über die Vorwürfe gesprochen. Hier verwies man gestern allerdings auf die entsprechende Presseerklärung, in der man die Vorwürfe zurückweist. Umso mehr freuen wir uns, dass wir jetzt die Gelegenheit haben, zu sprechen mit Jürgen Kuri. Er ist stellvertretender Chefredakteur des Computermagazins "c't". Schönen guten Morgen, Herr Kuri.
    Jürgen Kuri: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Herr Kuri, wird Google zurecht verfolgt?
    Kuri: Das ist eine gute Frage. Man hat so ein bisschen den Eindruck, dass die EU-Kommission sich auf was kapriziert, was eigentlich gar nicht das Problem ist. Wenn man sich jetzt das anguckt, wenn man bei Google irgendwas sucht, baut Google ja im Moment seine Suchmaschine oder seit Längerem seine Suchmaschine massiv aus, dass man nicht nur einfache Trefferlisten kriegt, sondern dass man tatsächlich schon Ergebnisse kriegt. Es ist nicht nur so, wenn ich nach einem Produkt suche, dass ich dann bestimmte Ergebnisse schon vorgefertigt bekomme. Zum Beispiel wenn ich nach Wetter suche, bekomme ich, nicht nur Trefferlisten zu sehen, sondern auch das Wetter an dem Ort, an dem ich mich gerade befinde oder nach dem ich gesucht habe. Das heißt, Google baut das aus, was sie selber den Social graph nennen. Das heißt, es werden nicht nur Trefferlisten einfach herausgegeben, sondern schon die Ergebnisse dessen, was man eigentlich wissen will.
    Nun ist das, was dann an Produkten angezeigt wird, auch nicht eigentlich ein Preisvergleich, wie man das von Idealo oder Geizhals kennt, sondern einfach nur Anzeige von Produkten. Das ist natürlich auch schon Google Shopping, aber ob das jetzt wirklich das Entscheidende ist, was man Google vorwerfen muss, das ist doch die große Frage und da wird sich die EU-Kommission doch, glaube ich, schwertun, das wirklich zu erklären.
    Heckmann: Das ist interessant. Das heißt, Sie sehen gar kein großes Problem darin, dass offenbar die eigenen Produkte - so jedenfalls sieht es ja die EU-Kommission -, die über diesen Google-Shopping-Kanal angeboten werden, ganz oben landen?
    Kuri: Es wäre vielleicht ein Problem, wenn Google Shopping wirklich populär wäre. Nur es ist ein völlig vernachlässigbarer Service von Google, der kaum eine Rolle spielt.
    "Man kann aber auch sagen, das ist ein Service für den Verbraucher"
    Heckmann: Aber es wird dadurch ja vielleicht populär.
    Kuri: Google versucht es vielleicht, dadurch populär zu machen. Es ist aber nicht so, dass andere Services dadurch bislang ins Hintertreffen geraten. Sie werden auch angezeigt als Trefferlink und man kann sie einfach benutzen. Das heißt, es ist eine schwierige Sache. Man kann Google vorwerfen, dass sie das nach oben sorgen. Man kann aber auch sagen, das ist ein Service für den Verbraucher. Es ist ja in dem Sinne kein Preisvergleich, sondern es werden nur Produkte angezeigt, wobei Google eben Google Shopping benutzt, um zu sagen, die und die Produkte gibt es tatsächlich. Wenn es ein richtiger Preisvergleicher wäre, müsste man die Frage vielleicht anders stellen. Auf der anderen Seite stellt sich grundsätzlich die Frage: Darf Google seine Suchmaschine ausbauen in eine Richtung, dass sie sagen, wir geben eben nicht nur Trefferlisten aus, sondern wir geben schon das aus, was der User eigentlich wissen will. Das ist das Problem, das dahinter steckt.
    Heckmann: Und Sie würden sagen, ja, das muss Google tun dürfen?
    Kuri: Das ist aus Usersicht natürlich sehr praktisch. Man kann sagen, wenn man jetzt allein aus Usersicht sich das anschaut, dann ist das eine praktische Funktion. Warum soll Google das nicht machen. Andere Suchmaschinen versuchen das ja auch. Microsoft - das ist ja ein Treppenwitz der Geschichte, dass Microsoft auch hinter dieser Beschwerde bei der EU-Kommission steckt, und Microsoft versucht es mit seiner Suchmaschine Bing ja auch, solche Ergebnisse schon im Voraus auszugeben. Die Frage ist, ob man als Suchmaschine das darf, oder ob man davon Abstand nehmen muss und nur Trefferlisten ausgeben muss. Das wäre die Konsequenz daraus.
    "Google-Suchmaschine ist schlicht und einfach immer noch die beste"
    Heckmann: Herr Kuri, 90 Prozent der User in Europa benutzen Google. In Deutschland ist der Anteil sogar noch höher. Ich glaube, bei 94 Prozent. Weshalb hat Google eigentlich eine so starke Marktdurchdringung und woran liegt das?
    Kuri: Manche Konkurrenten sagen, das liegt an unlauteren Praktiken, die Google da benutzt. Es ist natürlich so, dass die Google-Suchmaschine schlicht und einfach immer noch die beste ist und für den User am einfachsten zu bedienen ist, ohne großen Schnickschnack außen herum, und für den User die besten Ergebnisse zeigt. Das kann natürlich auch die Konkurrenz nicht abstreiten und dadurch ist Google natürlich erst mal so groß geworden.
    Heckmann: Woher weiß man das, dass Google die besten Ergebnisse anzeigt? Woher wissen Sie das?
    Kuri: Das ist natürlich zum einen, weil man andere Suchmaschinen im Vergleich dazu immer mal benutzen kann und sagen muss, dass das, was Google ausgibt, zumindest eine vernünftige Trefferliste ist. Man bekommt die Ergebnisse, die man eigentlich erwartet, und muss nicht davon ausgehen, dass es irgendwie gefärbt ist. Die Vorwürfe von der Konkurrenz und auch der EU-Kommission sind ja teilweise, dass Google in die Trefferlisten eingreift, um eigene Dienste zu bevorzugen, nicht nur, dass damit zum Beispiel dieser Shopping-Kanal oben angezeigt wird, sondern dass auch in den Trefferlisten eigene Sachen bevorzugt werden. Diesen Beweis muss die EU-Kommission erst noch antreten. Und wenn sie das schafft, dann muss man natürlich eingreifen. Dann gibt es bestimmte Regeln, die dann Google auferlegt werden können. Ob das aber tatsächlich so ist, das ist noch die große Frage.
    "Google versucht, die eigenen Sachen über das Android-Betriebssystem zu fördern"
    Heckmann: Jetzt wird ja auch ein Verfahren eingeleitet oder näher unter die Lupe genommen jedenfalls über das Google-Betriebssystem Android. Wie berechtigt sind da aus Ihrer Sicht die Vorwürfe, die da im Raum stehen?
    Kuri: Da ist natürlich schon ein bisschen mehr Substanz vorhanden, weil Google versucht natürlich, mit Android die Hersteller dazu zu bringen, die Google-Dienste relativ exklusiv vorzuinstallieren. Wenn man ein fertiges System praktisch haben will und nicht alles selber basteln möchte, dann kriegt man von Google die Apps und Google macht dann die Bedingung, dass man alle Google-Apps installiert, die von Google Maps über Mail bis hin zu anderen Diensten reichen, und das ist natürlich eine Geschichte, wo Google versucht, die eigenen Sachen über das Android-Betriebssystem zu fördern. Google möchte ja mit Android nicht einfach nur altruistisch irgendwie ein schönes Mobil-Betriebssystem ausliefern, sondern vor allem natürlich die eigenen Dienste in dem Fall tatsächlich fördern.
    Auf der einen Seite ist das auch wieder aus Usersicht extrem praktisch, weil das funktioniert wunderbar, wenn man mit einem Android-Smartphone unterwegs ist und die Google-Dienste nutzt. Die sind alle wunderbar miteinander verbunden, es funktioniert alles einfach sehr schön. Auf der anderen Seite bedeutet das natürlich tatsächlich, wenn ich mit einem normalen Android-Smartphone unterwegs bin, dann bin ich sehr stark auf Google-Dienste festgelegt und habe doch einige Mühe, andere Dienste zu benutzen.
    Heckmann: Google hat sich ja in der Tat zu einem Mega-Konzern entwickelt. Vor dem Hintergrund, was Sie gerade gesagt haben, ist Google so mächtig geworden, dass man den Konzern eigentlich zerschlagen müsste?
    Kuri: Es gab schon diverse Versuche, solche mächtigen Konzerne über Zerschlagung oder über verschiedene Auflagen in die Schranken zu weisen. Microsoft ist das große Beispiel. Microsoft stand in den USA vor der Zerschlagung, was dann vom Gericht noch mal zurückgenommen wurde, um durch Auflagen die Marktmacht in die Schranken zu weisen. Ich bin mir nicht sicher, ob das durch Auflagen tatsächlich funktioniert, oder ob nicht da tatsächlich Marktmechanismen die bessere Alternative sind, dass einfach was Besseres kommt als Google. Google ist ja selbst das Beispiel, wie schnell so was gehen kann. Google ist eine relativ junge Firma, die sehr erfolgreich geworden ist und inzwischen ein Riesenkonzern wurde. Die Frage ist, ob nicht irgendwo in der Internet-Welt schon das nächste Google in den Startlöchern steht, die dann Google in die Schranken weisen. Solche Regelungen, solche Wettbewerbsregulierungen können da unter Umständen helfen, aber sie sind sicher nicht der Weisheit letzter Schluss.
    Heckmann: Jürgen Kuri war das, stellvertretender Chefredakteur des Computermagazins "c't", zur Diskussion um Google. Herr Kuri, danke Ihnen für dieses Interview.
    Kuri: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.