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EU-Gipfel in Köln

Liminski: Als Gipfel des Friedens und der Hoffnung wurde das Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU in Köln bezeichnet; ein erster Durchbruch bei den Bemühungen im Kosovo-Krieg ein Ende zu finden, wurde erzählt. Jetzt läuft die Diplomatie auf Hochtouren. Schon Anfang nächster Woche könnte eine Resolution des UN-Sicherheitsrates verabschiedet werden. Am Telefon begrüße ich nun den Generalsekretär der CSU Thomas Goppel. Guten Morgen, Herr Goppel.

    Goppel: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Goppel, die Kriegsmaschine kommt ins Stocken. Ist das ein Erfolg des Gipfels, ist das ein ‚Friedensgipfel‘?

    Goppel: Vielleicht ist es und bleibt es ein Gipfel der guten Hoffnung, weil Milosevic ja zwar erzählt, daß er an dieser Stelle ein Agreement mit den NATO-Staaten und der EU gefunden hat, aber gleichzeitig gibt es dabei natürlich auch immer noch die Feststellung, daß er bis jetzt das, was er sagt, nicht tut.

    Liminski: Das heißt, Friedensgipfel wäre voreilig – Ihrer Meinung nach?

    Goppel: Ich meine, daß das sehr voreilig ist, denn wir haben inzwischen eine zweiduzendfache Widersprüchlichkeit dieses Kriegsverbrechers, der ja nun gleichzeitig auch noch vor dem Gerichtshof in Haag steht und von daher nun wirklich nicht der glaubwürdige Partner ist, den wir uns alle samt für solche Fälle wünschen.

    Liminski: Aber kommt man darum herum, mit ihm zu verhandeln?

    Goppel: Nein, das wird man nicht, und es ist ja auch die Vereinbarung so getroffen, daß man ihn mit einbeziehen muß. Das macht aber ein Manko dieser Vereinbarung aus. Von einem Friedensgipfel ist erst dann zu reden, wenn die Serben ihren Abzug auch realisieren.

    Liminski: In der Sicherheitspolitik, Herr Goppel, sind die Europäer offenbar weiter gekommen. Sie haben erstmals einen ‚Hohen Repräsentanten‘, den bisherigen Generalsekretär der NATO, Javier Solana, bestimmt. Er soll als ‚Mister GASP‘ die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik koordinieren. Ist das Ihrer Meinung nach der richtige Mann an der richtigen Stelle?

    Goppel: Zu diesem Zeitpunkt war jemand zu finden, der nicht nur den Gesichtspunkt der Politik realisiert, weil ein Mann an der Spitze notwendig war, der womöglich es schafft, die unterschiedlichen Wünsche der europäischen Länder zu koordinieren. Und dem NATO-Fachmann der letzten Wochen ist wohl gelungen, da eine Menge unter einen Hut zu bringen. Ich könnte mir gut vorstellen, daß es mit seiner Hilfe gelingt, die gemeinsame Außenpolitik erstmalig in Gang zu setzen.

    Liminski: Aber Politiker sind doch vom anderen Schlag als Militärs?

    Goppel: Das ist richtig. Aber Solana ist so eine Mischung zwischen Politik und Verwaltung. Ich würde mir wohl zutrauen, zu sagen: Er ist ein guter Stratege. Das hat sich in seinen Äußerungen in den letzten Wochen immer wieder niedergeschlagen. Und von daher glaube ich, daß er eine gute Wahl ist.

    Liminski: Wer soll denn Solana nachfolgen auf dem Posten des NATO-Generalsekretärs? Haben Sie da eine Vorstellung in der CSU?

    Goppel: Das muß jedenfalls jemand sein, der versteht, NATO und WEU, die ja nun auch erstmals eine echte Bedeutung bekommen wird, so zusammen und beieinander zu führen, daß sie ihren Auftrag je für sich formulieren aber stets mit dem anderen abstimmen.

    Liminski: Wäre da nicht ein Deutscher der richtige Mann?

    Goppel: Es wäre vorstellbar. Im Augenblick ist in dieser Diskussion - glaube ich -Zurückhaltung angebracht – zunächst wollen wir mal die erste Aufgabe lösen, wieder Frieden in Europa zu schaffen.

    Liminski: Die Rolle der UNO wird wieder gestärkt. Sie bindet alle ein, und das Comeback dieser ‚alten Dame‘ – kann man sagen – war ja nur eine Frage der Zeit, weil es keine Alternative gibt. Ist vor diesem Hintergrund eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik überhaupt notwendig?

    Goppel: Ich halte sie für dringend, weil die Europäer für alle ihre sonstigen Aufgaben auch den Rückhalt in einer gemeinsamen militärischen Initiative brauchen und weil die Europäer auch ein bißchen mehr Selbstbewußtsein an den Tag legen müssen. Das schweißt zusammen und verpflichtet, jeden Partner innerhalb Europas in der Zukunft ernst zu nehmen und nicht nur – zum Beispiel – nach Geld zu messen oder sich lediglich danach zu richten, wer denn am Anfang an dieser Stelle besondere Meriten sich verdient hat.

    Liminski: Stichwort Geld: Vorgestern legte der Euro leicht zu, gestern nahm er wieder leicht ab. Er kränkelt. Sein Schicksal liegt nicht mehr in der Hand einer Regierung allein. ‚Ein stabiler Euro stärkt Wachstum und Beschäftigung‘ heißt es nun in einer abgespeckten Abschlußerklärung. Hätte der Gipfel nicht ein deutlicheres Signal setzen können?

    Goppel: Der Gipfel hätte viele deutlichere Signale setzen können. Er ist überlagert vom Kosovo-Krieg, und das überdeckt auch alle anderen in den letzten Monaten nicht gut gelaufenen Initiativen unter der deutschen Ratspräsidentschaft. Ich glaube, daß man in der Euphorie über die Ergebnisse von gestern, die im Euro, den die Bänker letztlich beeinflussen, ja ihren Niederschlag findet. Und deswegen rede ich von ‚guter Hoffnung‘, und nicht vom ‚Friedensgipfel‘, weil ich merke, daß die Wirtschaft noch lange nicht glaubt, daß aus der Ankündigung des Ratspräsidenten Schröder auch die Realität wird, wie das ja leider im Innenpolitischen sehr, sehr häufig schon der Fall war. Daß man in einer solchen Situation jetzt sehr wohl in der innenpolitischen Situation noch kräftig nachlegen muß – da kommt viel auf den Finnen zu.

    Liminski: Welche Initiativen meinen Sie, wenn Sie eben davon sprachen, daß zahlreiche Initiativen bereits versandet seien oder noch zu keinen konkreten Ergebnissen geführt hätten?

    Goppel: Das Wichtigste im Zusammenhang auch mit dem Kosovo-Krieg wäre eine klare Perspektive für die Osterweiterung Europas gewesen. Es war notwendig und zwingend, dafür zu sorgen, daß Tschechien, Polen und Ungarn wissen, was nun in den nächsten Jahren auf sie zukommt durch eine verplemperte Geldpolitik, in der man weiterhin Koalisionsmittel ausgibt und sich nicht konzentriert auf eine neue Aufgabe. Durch eine solche Vorgabe ist man in der schwierigen Lage, den Osteuropäern mehr oder minder die ersten Placebos zu verpassen und zu sagen: Wir nehmen Euch schon – aber schau‘n wir mal. Den Grundsatz von Franz Beckenbauer im Fußball, der da immer hieß ‚schau’n wir mal, dann sehen wir es schon‘, der kann in der Politik so nicht gelten. Der zweite Ansatz ist die Diskussion um den Beschäftigungspakt, der nichts anderes als ein Placebopaket ist, in dem in Zukunft ein paar mehr am runden Tisch sitzen, um sich gegenseitig zu bestätigen, daß sie guten Willens sind. Aber der Aufforderung, guten Willens zu sein, reicht nicht aus, um eine klare und konsequente Entwicklung in die Wege zu leiten. Ich habe Sorge, daß das, was jetzt vereinbart worden ist, lediglich weiter dazu führt, daß deutsche Arbeitsplätze in andere EG-Staaten oder EU-Staaten abwandern. Das kann nicht unser Ziel sein. Das Gegenteil muß der Fall sein. Wir müssen in Europa neue Konzentrationen, neue Entwicklungen, neue Technologie installieren und uns dabei gegenseitig befruchten und nicht gegenseitig behindern.

    Liminski: Über den vom Gipfel beratenen Beschäftigungspakt, den Sie gerade angesprochen haben, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die einen sagen, er schaffe keinen einzigen Arbeitsplatz. Die anderen meinen, er sein ein wichtiger Schritt nach vorn. Ist er nicht besser als nichts?

    Goppel: Er schafft mit Sicherheit keinen einzigen Arbeitsplatz – als Gipfel. Er ist viel zu weit weg von der Realität und viel zu weit weg von den Stellen, an denen es ‚brummen‘ muß, damit Arbeitsplätze kommen. Der europäische Beschäftigungspakt ist der Verschiebebahnhof, den Gerhard Schröder seit seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen betreibt: Er gibt ihn immer an die Stelle weiter, die eigentlich dann für sich herangezogen wird als ein Lösungsmittel, von dem er erahnt, wie es denn sein soll. Ich finde das unerträglich, muß ich ehrlich sagen. Wir wissen aus unserem bayerischen Beispiel und wissen es aus anderen Ländern auch – in Hessen gibt es ja solche Ansätze auch –, daß man mit entsprechend konsequenter Arbeit zu Hause die Arbeitsplätze zu sich holt, und zwar unabhängig davon, wo sie bisher angesiedelt waren, daß man sich drum kümmert, auch neue Entwicklungen aufzunehmen und neue Arbeitsplätze echt zu holen, statt sie anderen abzustauben. Der europäische Beschäftigungsgipfel wird meiner Meinung nach weiter verfestigen, was sich inzwischen leider entwickelt hat – daß die Engländer deutsche Arbeitsplätze holen, weil unsere Lohnnebenkosten zu hoch sind, daß uns die Portugiesen einige abstauben. Ich glaube, es wird notwendig werden, die Arbeits- und Marktpolitik wieder dort hin zu holen, wo sie hingehört: Direkt vor Ort – dort, wo die Menschen leben.

    Liminski: Herr Goppel, ich möchte noch ein anderes Stichwort aufgreifen, das Sie vorhin genannt haben: die Osterweiterung der EU, und zwar im Zusammenhang auch mit dem Euro. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk hatte vor ein paar Tagen der Euro-Kritiker Professor Hanke darauf hingewiesen, daß die Erweiterung der EU die Stabilität des Euro noch weiter unterlaufen könnte, denn alle strebten in den Euro – aber keiner brächte genügend Stabilität mit. Lassen sich Stabilität für den Euro und die Erweiterung der EU miteinander vereinbaren?

    Goppel: Ich glaube ja. Das hängt allein davon ab, ob man die Konditionen zum Beispiel für die Osterweiterung so festlegt, daß man wirklich den Beitrittsländern abverlangt, sich konsequent in eine gemeinsame Richtlinienstruktur einzubinden. Dieses gehört ja zum Konzept der Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn. Die Schwierigkeit besteht darin, daß der deutsche Ratspräsident Gerhard Schröder in seiner Funktion den Italienern gestattet hat, ein erstes Mal aus diesem Korsett der gemeinsamen Bedingungen auszusteigen. Darin liegt die Schwierigkeit, daß die bisherigen Freunde nicht konsequent genug von allen Beteiligten die Spielregeln einfordern. Sie müssen mal die Skatbrüder Deutschlands fragen, was los wäre, wenn ein Beteiligter ständig besondere Regeln für die Buben bekäme. Mein lieber Freund, da wäre was los.

    Liminski: Das war Thomas Goppel, Generalsekretär der CSU.