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EU-Gipfel östliche Partnerschaft
Tauziehen mit Russland

In Brüssel spricht die EU mit sechs osteuropäischen Ländern über Möglichkeiten für eine vertiefte Zusammenarbeit. Die EU exportiere Stabilität, sagt die Kommission. Doch Kritiker befürchten, dass manche EU-Hilfen einfach in den Taschen von Oligarchen versickern. Ganz andere Kritik aber kommt aus Russland.

Von Peter Kapern | 24.11.2017
    Ukraine's President Petro Poroshenko and German Chancellor Angela during a meeting in Riga. Mikhail Palinchak/RIA Novosti
    Mancher sagt, dass die bestehenden Transparenzregeln für die Vermögen einflussreicher Ukrainer nicht umgesetzt würden, liege im ukrainischen Präsidentenpalast begründet. Petro Poroschenko 2015 mit Angela Merkel. (Ria Novosti/Mikhail Palinchak)
    Wenn man Johannes Hahn fragt, den EU-Kommissar, der für die europäische Nachbarschaftspolitik zuständig ist, dann ist das Projekt der östlichen Partnerschaft ein Win-Win-Projekt, also eines, von dem beide Seiten profitieren. Und er untermauert das mit Beispielen:
    "Die Anbindung dieser Länder an die transeuropäischen Autobahn- und Eisenbahnnetze, die Verdoppelung des Budgets etwa für Erasmus-Studenten, die Stärkung der Zivilgesellschaft, all das sind sehr konkrete Maßnahmen, die erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität dieser Menschen haben und ihnen. Und insofern exportieren wir damit Stabilität."
    Also: Georgien und Moldawien, Aserbaidschan und Weißrussland, die Ukraine und Armenien, sie alle haben viele Vorteile durch die Kooperation mit der EU. Und die EU-Länder ihrerseits können sich drauf verlassen, dass die Lage im Osten stabil und ruhig ist. So jedenfalls die Theorie.
    Die Praxis allerdings stellt sich doch häufig ganz anders dar. Die georgische Regierung zum Beispiel hält es mit den rechtsstaatlichen Prinzipien nicht so genau. In Moldawien hat sich die Regierungspartei ein Wahlrecht zusammengeschustert, das ihre Herrschaft bis in alle Ewigkeit sichern soll.
    Sorge, dass Finanzhilfen in Oligarchentaschen verschwinden
    Das größte Sorgenkind ist allerdings die Ukraine. Das Land hat, so wie Georgien und Moldawien auch, ein Assoziierungsabkommen mit der EU abgeschlossen. Brüssel verspricht der Regierung in Kiew zudem massive Finanzhilfen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Ukraine die grassierende Korruption bekämpft. Doch genau daran, so Elmar Brok, der CDU-Europaabgeordnete, hapert es:
    "Die größten Sorgen machen uns dabei, dass die sogenannte E-declaration nicht umgesetzt wird. Die E-declaration heißt, dass alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und Politiker erklären mussten, wie ihre Vermögensverhältnisse sind und so weiter. Das wird nicht umgesetzt. Und manche sagen, der Grund dafür liege im Präsidentenpalast."
    Der Hinweis auf den Präsidentenpalast ist der wenig kaschierte Beleg dafür, dass die EU mittlerweile starke Zweifel hat, ob der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wirklich der Reformer ist, den man sich erhofft hatte. Zumal er, anders als zugesagt, auch nicht für Transparenz bei ukrainischen Unternehmen sorgt. Die EU fürchtet nämlich, dass ihre Finanzhilfen in den riesigen Taschen ukrainischer Oligarchen landen. In der EU mehren sich deshalb die Stimmen, die die Auszahlung von Krediten an Kiew stoppen wollen.
    Und das bedeutet, so Elmar Brok, "dass die Ukraine in riesige Schwierigkeiten geraten könnte, was die Finanzierung ihres Haushalts angeht, wenn nicht in den nächsten 14 Tagen eine Lösung erreicht wird."
    Putin ist das Programm ein Dorn im Auge
    Und dann gibt es da ja auch noch Russland. Wladimir Putin ist das Programm der östlichen Partnerschaft ein Dorn im Auge. In Moskau heißt es, das ganze Projekt verfolge nur ein Ziel: Russlands Nachbarn an die EU zu binden, um Russland zu isolieren. Ein Vorwurf, der seit Jahren im Raum steht und zum russischen Landraub auf der Krim und zur Besetzung der Ostukraine geführt hat.
    Der Vorwurf, die Nachbarschaftspolitik richte sich vor allem gegen Russland, wird von der EU seit jeher zurückgewiesen. Die Mitgliedsländer des Partnerschaftsprogramms könnten gleich gute Beziehung zu Moskau wie zum Westen haben, so argumentiert die EU. Allerdings habe Moskau nicht das Recht, diesen Ländern vorzuschreiben, wie ihre Beziehungen zur EU aussehen sollen, so der grüne Europaabgeordnete Reinhardt Bütikofer:
    "Wir können nicht akzeptieren, dass Moskau sagt: Das ist unser Hinterhof, und die Länder dürft ihr gar nicht fragen. In der Helsinki-Schlussakte ist damals festgelegt worden, dass jedes Land seine eigenen Bündnisse und seine eigene Zugehörigkeit wählen darf. Und ich glaube, auch nach dem Prinzip der Selbstbestimmung haben die Länder das Recht, sich selbst zu entscheiden."
    Das sei kein verkapptes Beitrittsprogramm, sagt EU-Kommission
    Genauso wie die Vorwürfe aus Moskau wird in Brüssel die Kritik aus dem Westen an der Partnerschaftspolitik zurückgewiesen. Sie sei, so heißt es mancherorts, nichts anderes als eine Vorstufe zum EU-Beitritt. Über kurz oder lang werde die Union also weiter aufgebläht.
    Auch das stimme nicht, betont die EU-Kommission. Die Partnerschaftspolitik sei definitiv kein verkapptes Beitrittsprogramm. Ob das aber alle derartigen Hoffnungen in den Partnerländern erledigt, das ist eine andere Frage.