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EU-Gipfel
Spitzenjobs zu vergeben

EU-Außenbeauftragte und Chef der Eurogruppe: Auf einem Sondergipfel werden heute Nachfolger für die Spitzen-Posten in der EU gesucht. Keine leichte Aufgabe, denn alle 28 EU-Länder wollen sich in irgendeiner Weise repräsentiert fühlen - dabei ist vor allem in einem Punkt der Streit programmiert.

Von Annette Riedel | 16.07.2014
    Flaggen der Europäischen Union vor dem Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel, Belgien (14.5.2012)
    Beim heutigen EU-Sondergipfel sollen die Entscheidungen über Spitzen-Posten in der EU gefällt werden. (picture alliance / dpa / CTK Photo / Vit Simanek)
    Nichts Genaues weiß man noch nicht vor dem heutigen EU-Sondergipfel, der Entscheidungen über Spitzen-Posten in der EU fällen will. Es gilt ein sauber ausbalanciertes Posten-Paket zu schnüren, bei dem sich alle 28 EU-Länder in irgendeiner Weise wieder finden und repräsentiert fühlen können, erläutert Hugo Brady von der Brüsseler Denkfabrik Center for European Reform:
    "Südländer, Nordländer. Reiche und arme Länder. Euro- Nicht-Euro-Länder, Mann, Frau. Rechts, links."
    Nicht zu vergessen: kleine Länder, große Länder; EU-Gründungs-Mitglieder, neue Mitglieder. Länder im Osten der Union, Länder im Westen der Union. Es ist ein komplexes Posten-Paket, das es da zu schnüren gilt. Deshalb kann die Besetzung des einen nicht ohne die Besetzung des anderen Spitzenjobs gedacht werden.
    Dingend: Nachfolge der EU-Außenbeauftragten
    Ausgangspunkt ist der konservative EU-Kommissionspräsident, der Luxemburger Juncker. Mann. Kleines Land, reiches Land, Eurozone, Westen der Union. Der oder die Außenbeauftragte, der oder die Catherine Ashton nachfolgen wird, wird zugleich auch Vizepräsidentin der EU-Kommission sein. Da Juncker nun möglichst schnell über die Zuständigkeiten der von den EU-Ländern jeweils benannten Kommissare entscheiden will, drängt diese Personalie besonders. Jan Techau von Carnegie Europa nennt einige Namen:
    "Die italienische Außenministerin Grau Mogherini – ganz, ganz jung, gerade erst seit ein paar Monaten im Amt, gilt als Leichtgewicht. Sie hätte den Vorteil, eine Frau zu sein und dieses neue, erstärkte Italien auch verkörpern zu können. Der zweite Name ist Frau Georgiewa, die gegenwärtige Kommissarin für humanitäre Hilfe und Entwicklung. Sie gilt inhaltlich als Schwergewicht. Sie hat eine Vergangenheit bei der Weltbank. Sie hat jetzt diesen Job hier fünf Jahre lang gemacht, als Kommissarin – und nach allgemeiner Anschauung sehr gut gemacht."
    Als Bulgarin stünde sie für ein armes, neues, kleineres Nicht-Euro-Land. Es sind auch noch andere Namen genannt worden, die als "außenbeauftragten-tauglich" gelten, die zumeist auch, sofern sie Regierungschefs waren oder sind, für das ebenfalls neu zu besetzende Amt des Ratspräsidenten, des Van Rompuy-Nachfolgers, in Frage kämen: der niederländische Außenminister Timmermanns etwa, seine polnischen Amtskollegen Sikorski und Bildt. Oder der schwedische Ex-Regierungschef Reinfeldt. Der Name des estnischen Präsidenten Ilvis fiel, der der litauischen Präsidentin Grybauskaite. Und immer wieder der der sozialdemokratischen Regierungschefin Thorning-Schmidt.
    Kampf zwischen Nord- und Südeuropa: Austerität versus Wachstumspolitik
    "Der Namen von Frau Thorning-Schmidt ist der 'heißeste' für die Ratspräsidentschaft. Es gibt allerdings wohl ein französisches 'Nein' zu Frau Thorning-Schmidt. Der offizielle Grund ist, dass Dänemark kein Euro-Land ist. Meine Interpretation ist eine andere. Ich glaube, dass die Franzosen Frau Thorning-Schmidt nicht mögen, weil sie letzten Endes ein stiller Alliierter der Deutschen ist, was den Sparkurs in Europa angeht."
    Die Franzosen könnten besänftigt werden, wenn sie sozusagen zum Ausgleich einen wichtigen Posten in der EU-Kommission bekämen, den Wirtschafts- und Währungskommissar etwa. Da ist der ehemalige französische Finanzminister Moscovici nicht ohne Aussicht. Mit zum Personalpaket gehört auch die Frage, wer neuer Chef der Eurogruppe wird.
    Noch einmal der niederländische Finanzminister Dijsselbloem, der sich nach anfänglichen Startschwierigkeiten im Amt einigen Respekt erarbeitet hat, der allerdings mit strenger Sparpolitik à la Merkel in Verbindung gebracht wird? Das gefiele den Südländern der EU nicht sonderlich. Deshalb könnte, auch aus Sicht Jan Techaus, ein Anderer größere Chancen auf diesen Job haben: der spanische Wirtschaftsminister de Guindos.
    "Was da wirklich interessant ist an der Stelle, ist natürlich dieser Kampf zwischen Nord- und Südeuropäern und dieser Kampf, Austerität versus Wachstumspolitik. Hier wollen die südlichen Länder, angeführt von Frankreich, eine andere Politik, die sich von der Deutschlands unterscheidet."
    Möglicherweise wissen wir heute Nacht mehr. Die Staats- und Regierungschefs werden sich bei ihrem informellen Arbeits-Abendessen zudem mit der Lage in der Ukraine zu befassen haben und damit mit der Frage, ob das geltende Sanktions-Regime gegen Russland, will sagen gegen russische Einzelpersonen, angesichts der Entwicklungen verschärft werden sollte.