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EU-Innenminister zur Flüchtlingspolitik
Österreich, Italien und Deutschland halten an Verschärfung fest

Die Innenminister von Deutschland und Österreich haben ihren schärferen Kurs in der Migrationspolitik untermauert. Gemeinsam mit Italien wollen sie innerhalb der nächsten vier Wochen bilaterale Verträge über die Binnenmigration vereinbaren. Der EU-Flüchtlingskommissar beschwichtigt: Es gebe keine Migrationskrise.

Von Peter Kapern | 12.07.2018
    Die beiden Innenminister in Innsbruck: Matteo Salvini (l) und Horst Seehofer treten vor die Mikrofone der Presse
    In Innsbruck haben die EU-Innenminister über das weitere Vorgehen in der Migrationspolitik beraten. (AFP / APA / Barbara Gindl)
    Irgendwie wollten die Dinge auch nach diesem Treffen der EU-Innenminister noch nicht so recht zusammenpassen. Auf der einen Seite die Frontmänner einer Verschärfung der europäischen Migrationspolitik. Herbert Kickl, der österreichische Innenminister, der einen vollständigen Paradigmenwechsel verlangt. Und Horst Seehofer, der, nachdem er die Migrationspolitik zur Schicksalsfrage der Bundesregierung gemacht hatte, sie nun nach den Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen, noch eine Etage höher verortet:
    "Es war erkennbar bei allen Teilnehmern, dass die Migrationsfrage als Schicksalsfrage Europas betrachtet wird."
    Asselborn spricht von Abschottung
    Ganz so einhellig, wie Seehofer es darstellte, waren die Meinungen in Innsbruck dann doch nicht. Jean Asselborn, der Luxemburger Minister war es, der den derzeit herrschenden Trend zu immer schärferen Kontrollen, Abgrenzungen und Verfahren, deutlich kritisierte:
    "Ich weiß, dass der Tenor auf Aussengrenzenschutz steht. Das ist ein gepflegtes Wort für Abschottung."
    Und Asselborn erinnerte sogar seine Amtskollegen daran, dass es in der Welt abseits Europas immer noch politisch verfolgte Menschen gibt.
    "Und diese Menschen gehören nach Europa."
    Etwas sachlicher versuchte EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos, die seit Monaten extrem aufgeregt geführte Debatte auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen.
    "Die Flüchtlingszahlen sind von 1,8 Millionen auf weniger als 200.000 im letzten Jahr gesunken, und dieses Jahr werden es noch weniger sein."
    Und dann fügte der EU-Kommissar, um wirklich nicht missverstanden zu werden, noch hinzu: Europa steckte nicht mehr in einer Migrationskrise.
    Umsetzung dauert noch
    Auf dem Tisch hatten die Minister die migrationspolitischen Beschlüsse des letzten EU-Gipfels. Einhellig seien sie von der Ministerrunde unterstützt worden, sagte Ratspräsident Herbert Kickl. Zählbare Fortschritte bei deren Umsetzung hat es aber bislang kaum gegeben. Italien, Österreich und Deutschland wollen innerhalb der nächsten vier Wochen versuchen, bilaterale Verträge über die Binnenmigration zu vereinbaren. So die Verabredung, die sie in Innsbruck getroffen haben.
    Die EU-Kommission will bis September ein Konzept für die Frontex-Aufstockung auf 10.000 Mann bis 2020 vorlegen. Und dann ist da noch die Sache mit den sogenannten regionalen Ausschiffungsplattformen. Flüchtlingslager außerhalb der EU, in denen gerettete Bootsflüchtlinge untergebracht werden sollen. Allerdings haben alle infrage kommenden Länder abgelehnt, solche Lager auf ihrem Territorium zu errichten. Wie die EU ihren Plan trotzdem in die Tat umsetzen will – dazu war in Innsbruck rein gar nichts zu hören.
    Alle Journalisten, die auf einen deus ex machina gehofft hätten, so EU-Kommissar Avramopoulos, müsse er enttäuschen. Fazit: Das Migrationsproblem ist offensichtlich weit kleiner, als die meisten Mitgliedstaaten behaupten. Die Umsetzung ihrer Lösungsvorschläge allerdings weit schwieriger, als ihnen lieb ist.