Archiv


EU-Iran-Delegation droht mit Abbruch der Verhandlungen über Handelsabkommen

Michael Gahler, Mitglied der EU-Iran-Delegation, hat das offenbare Scheitern der Verhandlungen mit dem Iran im Streit um eine eigene Uran-Anreicherung des Landes bedauert. Nun müsse der Weltsicherheitsrat angerufen werden. Sollte das nichts nützen, sollte die EU sofort die die Verhandlungen über das Handels- und Kooperationsabkommen mit dem Iran abbrechen, so Gahler weiter.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Schönen guten Morgen!

    Michael Gahler: Guten Morgen!

    Klein: Herr Gahler, Ihr Fraktionskollege Hans-Gert Pöttering ist wohl im Iran unterwegs derzeit auf Verhandlungs- und Vermittlungsmission, können Sie denn schon sagen, ob er einen Erfolg erzielt hat?

    Gahler: Also, gehen Sie davon aus, dass mein Fraktionsvorsitzender Hans-Gert Pöttering natürlich in vollem Umfang die Haltung der Europäischen Union dort vorbringt. Und ich denke, sowohl die EU, als auch die USA sind Teheran doch sehr weit entgegengekommen. Im Gegensatz zu ihrer früheren Haltung haben sogar die USA jetzt nichts mehr gegen die Entwicklung eines zivilen Nuklearprogramms einzuwenden und unterstützen den Vorschlag der EU für eine entsprechende Zusammenarbeit mit dem Iran. Wir wollen ja als EU verbesserte Handelsbeziehungen und würden auch alternative Quellen der Versorgung mit nuklearem Brennstoff aus Europa und Russland garantieren, wenn Iran auf die eigene Uran-Anreicherung verzichtet. Und ich denke, dass ist genau die Position, die mein Fraktionsvorsitzender in Teheran vortragen wird oder vorgetragen hat.

    Klein: Doch Teheran hatte den Vorschlag der EU ja wiederum bereits abgelehnt. Also wie sollen sie weiter verfahren jetzt?

    Gahler: Also, bis zum jetzigen Zeitpunkt ist der Iran - ich sage mal - bis an die äußerste Grenze dessen gegangen, was von der Internationalen Gemeinschaft gerade noch nicht als eine Verletzungen seiner Verpflichtungen bezeichnet werden kann. Das heißt, sie haben zwar Arbeiten in Isfahan wieder aufgenommen, aber noch nicht die rote Linie überschritten indem sie zum Beispiel Siegel beseitigt haben, die von der IAEO angebracht worden sind, so wie es etwa die Nordkoreaner gemacht haben. Aus meiner Sicht sollten wir Teheran jetzt ganz klar machen, dass sie nicht weiter gehen sollen, also im Bereich der Anreicherung. Und ihnen sagen: Wenn ihr weiter geht, dann werden wir die Angelegenheit vor den Weltsicherheitsrat bringen und ihr Iraner könnt auf jeden Fall vergessen, dass wir ein Handels- und Kooperationsabkommen mit euch weiter verhandeln. Das ist glaube ich der Trumpf, den wir in der Hand haben. Teheran möchte dieses Handels- und Kooperationsabkommen mit der Europäischen Union. Und wir können diesen Trumpf in der Form auch ausspielen, dass wir sagen: Es gibt kein Abkommen, wenn ihr eigene Uran-Anreicherung weiter betreibt.

    Klein: Ja, gut. Aber die Drohung mit dem UNO-Sicherheitsrat steht ja schon seit längerem im Raum; hat offenbar nichts gefruchtet. Welches Druckmittel haben die Europäer denn noch, dass in irgendeiner Weise Eindruck machen würde in Teheran?

    Gahler: Na, ich sagte ja eben: Das Handels- und Kooperationsabkommen und den Wunsch Teherans nach verbesserten Beziehungen mit der EU, nach einem formellen Abkommen, das dem Land einen privilegierten Status im Bereich des Handels und der Wirtschaft mit der EU einräumt. Das Land hat ein starkes Interesse sich weiter zu entwickeln. Sie haben ja Öl als Hauptrohstoff, den brauchen wir. Im Gegenzug wollen sie moderne Technologien auch haben, um ihr Land weiter zu entwickeln. Und wir haben auch in anderen Bereichen gemeinsame Interessen - Stichwort: Afghanistan. Da ist faktisch ziemlich weite Übereinstimmung der Interessen. Wir waren gemeinsam dafür die Taliban zu beseitigen. Wir haben jetzt ein gemeinsames Interesse, dass zum Beispiel der immense Drogenhandel, die Drogenproduktion in Afghanistan, die dann über Iran nach Europa transportiert wird, dass man da gemeinsam vielleicht versucht etwas zu erreichen Dass wir andererseits zum Beispiel im Irak ein gemeinsames Interesse haben, dass da Stabilität eintritt. Zwar sind die Iraner natürlich vehement gegen die Präsenz der USA dort, aber diese Präsenz hat immerhin bewirkt, dass erstmals die Bevölkerungsmehrheit, die ja auch so wie im Iran aus Schiiten besteht, eine Regierung hat bilden können, und deswegen ist es auch ein Interesse Teherans, dass dort Stabilität eintritt. Also, es gibt durchaus Bereiche wo man gemeinsam eigentlich mehr erreichen könnte.

    Klein: Herr Gahler, Sie sprechen von Gemeinsamkeiten, die Sie sehen, aber das sieht ja der Iran offensichtlich nicht so!

    Gahler: Ja, gut. Wenn der Iran das nicht so sieht, wenn sich die Hardliner tatsächlich durchsetzen, dann ist meine Antwort: a) Weltsicherheitsrat. Und wenn dort keine substanziellen Ergebnisse herauskommen in Form von Sanktionen oder der Androhung von Sanktionen, dann sollten wir auf jeden Fall deutlich unmittelbar die Verhandlungen über das Handels- und Kooperationsabkommen abbrechen.
    Klein: Und im Weltsicherheitsrat gelten dann wiederum Russland und China als diejenigen Staaten, die zum Beispiel Sanktionen hintertreiben würden. Also, wie realistisch ist die Perspektive?

    Gahler: Ja, wenn das kein Ergebnis bringt, dann bleibt eigentlich nur noch seitens der EU ihre Absicht dieses Abkommen zu verhandeln, abzubrechen, und zwar endgültig. Das ist das einzige, was wir politisch dann noch in der Hand haben.

    Klein: Damit müssten Sie im Prinzip ihre Strategie als gescheitert erklären, letzten Endes.

    Gahler: Ja. Das wäre sehr bedauerlich, denn ich habe oder wir alle haben den Versuch der Drei - also Großbritanniens, Deutschlands und Frankreichs - im Auftrag der EU dort etwas zu erreichen, den haben alle EU-Staaten und wie gesagt auch inklusive der USA unterstützt. Wenn das die Hardliner, die jetzt offenbar das Oberwasser endgültig gewonnen haben auch mit dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinedschad, und auch der Auswechslung des Chef-Unterhändlers Rohani durch Herrn Larijani, wenn diese Hardliner offenbar sich innerhalb Teherans durchgesetzt haben, irgendwo ist dann auch das Ende von Diplomatie erreicht, und der Versuch mit kooperativem Ansatz etwas zu erreichen, dann muss Iran dann auch diese Konsequenz tragen, dann wird es eben keine besonderen Beziehungen zur EU geben.

    Klein: Muss die Europäische Union sich selbst vorhalten, dass sie die Verhandlungsbereitschaft Teherans überschätzt hat?

    Gahler: Also, das glaube ich nicht. Ich meine, es hat lange Zeit innerhalb des Iran ja durchaus diesen Machtkampf zwischen Hardlinern und moderaten Kräften gegeben. Iran war nie eindeutig in seinen politischen Aussagen oder in seinen politischen Signalen. Es hat immer wieder den Versuch gegeben jetzt positive Signale von bestimmten Kräften und andere Kräfte wiederum haben das hintertrieben. Es war von daher, aus unserer Sicht, richtig einen kooperativen Ansatz zunächst zu verfolgen, und da stehe ich auch dazu. Aber, wenn der jetzt als gescheitert zu erkennen ist, dann sollten wir das auch als solches sagen und dann die Konsequenz ziehen.

    Klein: Welche Rolle spielt in dieser Situation ein möglicher militärischer Druck, auch wenn es sich nur um eine Drohkulisse dabei handelt? Ein Druck der von Washington ausgeht oder ausgehen könnte.

    Gahler: Also, ich bin dezidiert gegen militärische Überlegungen. Ich bin überzeugt, zum einen wenn Hardliner glauben, dass man mit Nuklearwaffen etwa das Regime nach innen stützen kann - das ist ein Trugschluss! Auch die Sowjetunion mit all ihren Atomwaffen ist schließlich am Widerstand der Menschen innerhalb des Landes gescheitert. Und ähnlich wird es in Teheran sein, im Iran sein. Die Menschen dort sind am Besten in der Lage zur Veränderung innerhalb des Landes beizutragen Und der Druck im Innern wächst ja. Die Repression geht ja auch weiter nach oben und das Regime braucht ja immer mehr Mittel, um auch den Willen der Menschen für mehr Demokratie zu unterdrücken. Gerade wir als Europäisches Parlament weisen auch immer wieder darauf hin, auf die Situation der Menschenrechte in dem Lande. Es wird den Hardlinern letztlich im Inneren nichts nützen, selbst wenn sie die Kapazität für Atomwaffen hätten. Da werden die Iraner selber für Veränderungen sorgen. Ich bin dezidiert dagegen, dass wir militärische Optionen dort andenken.

    Klein: Vielen Dank! Das war Michael Gahler, Mitglied der Fraktion der europäischen Volkspartei im Europa-Parlament

    Gahler: Ja.