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EU-Kommission drängt Paris zu Rentenreform

Der französische Präsident François Hollande steht vor einer Mammutaufgabe: Die EU-Kommission zwingt ihn, das Rentensystem des Landes zu reformieren. Dass die Vorgabe aus Brüssel stammt, macht das Projekt nicht einfacher.

Von Ursula Welter | 14.06.2013
    Trauerfeier für den ersten sozialistischen Premierminister unter François Mitterrand, Pierre Mauroy. François Hollande nutzte in dieser Woche diese Gelegenheit, um ein paar Dinge klarzustellen.

    "Er hatte vor allem verstanden, dass das Schicksal Frankreichs über Europa führt. Dass es ein Rennen ohne Zukunft wäre, würde man alleine reiten"

    Ein Seitenhieb auf die Parteifreunde des Präsidenten. Denn die streiten heftig über Europa, nicht alle wollen ihrem Präsidenten eine sozialdemokratische Linie durchgehen lassen. Erinnerungen an 2005 werden wach, als die Europapolitik Frankreichs Sozialisten tief gespalten zurückließ.

    Jetzt geht es um das Positionspapier für die Europawahlen. Das wird am Wochenende offiziell verabschiedet werden. Über den Inhalt wurde lautstark gestritten: Die Parteispitze hatte ein Papier im Sinne der Linie des Elyséepalastes vorgelegt. Die Linke wollte es radikaler, wollte das Aus für den Stabilitätspakt und die aktive Beschäftigungs- und Wechselkurspolitik durch die EZB.

    Für Wachstum, gegen Austerität und gegen das liberal-konservative Europa mit deutscher und britischer Handschrift wollen Frankreichs Sozialisten nun in den Wahlkampf ziehen.

    Vor ein paar Wochen schon hatte François Hollande - nach verbalen Attacken seiner Parteifreunde gegen Angela Merkel - Scherben auf dem diplomatischen Parkett aufsammeln müssen. Seither sind die linken Scharfmacher im Kabinett zwar auffallend zahm, allerdings nur vor den Kameras, hinter den Kulissen ist der linke Flügel aktiv und setzt den sozialistischen Präsidenten, wenn auch indirekt, unter Druck.

    Entsprechend dünn ist das Nervenkostüm, mit dem die Sozialisten in den Europawahlkampf ziehen. Dass sie, laut Umfragen, hinter den Konservativen und dem rechtsradikalen Front National auf Platz drei landen würden, macht es nicht einfacher.

    Und auch nicht, dass die schwierigen Reformen erst noch anstehen. Wenn heute die Regierung den lang erwarteten Bericht zur Rentenreform entgegennimmt, fasst sie ihr bislang heißestes innenpolitisches Eisen an:

    " "Bis jetzt hat es keine linke Regierung geschafft, die Renten zu reformieren", "

    sagt deshalb der Zentrumspolitiker Jean-Christoph Lagarde. Aufseiten der konservativen UMP meint Christian Jacob, es bleibe abzuwarten, welchen konkreten Text die Regierung vorlege.

    Die Rentenreform soll nach der "Methode Hollande" gelingen. Erst ein Expertenbericht, heute. Dann Konsultation der Sozialpartner, ab kommender Woche. Ende September ein Gesetzentwurf, der bis Jahresende verabschiedet sein soll. So wird der Sommer heiß in Frankreich, die Minister sollen ihre Ferien möglichst auf lange Wochenenden reduzieren, der Dialog mit den Sozialpartnern soll auch im August nicht abbrechen.

    Das lobt selbst die Opposition: Die "Methode Hollande" sei der richtige Weg, sagt die einstige Mitstreiterin von Nicolas Sarkozy, Valerie Pecresse. Die Renten müssten angepasst und allen Franzosen etwas abverlangt werden, da brauche es viel Dialog."

    Sieben Milliarden Euro sucht die Regierung, um die Rentenkassen wasserfester zu machen. Verlängerung der Beitragszeiten, Kürzung der Pensionen, Versteuerung der Renten, Beitragsanhebung - alle Varianten werden diskutiert, in welche Richtung der Staatspräsident denkt, wird er in der kommenden Woche andeuten, wenn er die Konferenz mit den Sozialpartnern eröffnet.

    Eine Mehrheit der Franzosen erklärt sich in Umfragen mit einer Reform der Renten einverstanden. Die Gewerkschaften haben dennoch Streiks angekündigt. Vor allem die Staatsdiener fürchten um ihre Altersbezüge. Darunter auch die Mitarbeiter der Bahn, die schon gestern eine Kostprobe ihrer Kraft ablieferten - die Mehrzahl der Züge in Frankreich stand still.