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EU-Kommission vs. Google
Von Macht und Ohnmacht

Seit mehr als sechs Jahren laufen die Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission gegen Google. Der Vorwurf: Der US-Konzern missbrauche seine Marktmacht. Google sieht sich zu Unrecht in der Kritik, nimmt die Verfahren aber ernst: Denn der Ausgang könnte weltweit Konsequenzen für den Konzern haben.

Von Jörg Münchenberg, Wolfgang Stuflesser und Nicole Markwald | 27.07.2016
    Sie sehen eine Radfahrerin und den Schriftzug Google auf einem Straßenschild.
    Google hat bei der Internetsuche in den USA einen Marktanteil von 65 Prozent - in Deutschland liegt er bei mehr als 90 Prozent. (AFP / Jana Asenbrennerova)
    Ähnlich 18. Mai 2016: Google-Chef Sundar Pichai kommt zum Klang von Klubmusik auf die Bühne des Amphitheaters in Mountain View, gleich neben dem Google-Hauptquartier - ein Rockstar-Moment für den zurückhaltenden 44-Jährigen. Es war der Auftakt der Google i/O 2016, der Entwicklerkonferenz des Konzerns.
    Ein junger indischer Mann sitzt in entspannter Körperhaltung in einem weißen Sessel, lächelt und hält ein Mikro in der Hand. Im Hintergrund sind viele Menschen zu sehen.
    Google-Chef Sundar Pichai bei einer Präsentation in Neu-Dehli im Dezember 2015 (imago/Zuma Press)
    Vor 7000 Besuchern demonstrierten Pichai und seine Top-Manager, wie Google sich die Zukunft vorstellt. Es ging unter anderem um neue Kommunikations-Apps, eine Plattform für Virtuelle Realität und einen vernetzten Heimlautsprecher, den Google ins Familienleben integrieren möchte. Jennifer ist Studentin an der University of California im nahe gelegenen Berkeley. Sie sagte anschließend:
    "Die ganze Zeit dachte ich, diese neuen Erfindungen sind irgendwie beunruhigend. Natürlich verkaufen sie sie anders. Ich mache mir Sorgen, wenn Leute das gar nicht hinterfragen, dass Google zum Beispiel so viele unserer Daten sammelt - was heißt das eigentlich genau? Wie beeinflusst das mein Leben und kontrolliert Google auf eine Art mein Leben?"
    Ein Ende der Verfahren ist nicht absehbar
    Beeindruckt hat sie die Vorstellung trotzdem. Ihre Innovationen sind toll, sagt Jennifer, aber sie sollten auch genau geprüft werden. Das wird allerdings nicht in den USA erledigt, sondern in Brüssel. Seit über sechs Jahren schon laufen die Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission gegen den Suchmaschinengiganten Google, doch ein Ende ist nicht absehbar. Im Gegenteil: Erst Anfang Juli hat Brüssel ein bereits laufendes Verfahren wegen der Benachteiligung von konkurrierenden Shopping-Vergleichsportalen sogar noch verschärft. Gleichzeitig hat die streitbare EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager ein weiteres Verfahren - inzwischen das dritte - gegen Google eröffnet.
    Im Kern geht es dabei immer um den gleichen Vorwurf: der US-Konzern missbrauche seine Marktmacht – zum Nachteil der Konkurrenz, aber auch zum Nachteil der Verbraucher:
    "Wir glauben, dass Googles Verhalten Konsumenten geschädigt hat, weil sie nur die Resultate bekommen, die von Google gewollt sind; aber eben nicht die Relevantesten sind. Und wir glauben auch, dass Google Innovationen verhindert, weil Rivalen wissen, dass ihre Angebote, egal wie gut sie sind, nie so sichtbar sind wie die von Google."
    Google: Onlinewerbung bringt 90 Prozent seines Jahresumsatzes
    Schwerwiegende Vorwürfe. Doch die jüngste Attacke aus Brüssel dürfte den US-Konzern am meisten beunruhigen. Es geht um das Kerngeschäft von Google, die Onlinewerbung. Hier verdient der Suchmaschinenbetreiber das meiste Geld – 90 Prozent seines Jahresumsatzes, im letzten Jahr immerhin rund 67 Milliarden Dollar, wurden mit Werbung erwirtschaftet. Beeindruckende Zahlen, die auch in Brüssel durchaus Eindruck machen, von den Google-Innovationen ganz zu schweigen:
    "Diese Produkte haben unser Leben besser gemacht. Sie haben mehr Informationen verfügbar gemacht. Für jedermann. Aber diese wunderbaren Innovationen geben Google nicht das Recht, andere am Wettbewerb zu hindern, neue Innovationen zu entwickeln und ebenfalls auf diesen Märkten Erfolg zu haben."
    EU-Kommissarin Margarethe Vestager geht auf Konfrontation
    Seit dem Amtsantritt von Vestager 2014 ist der Auftritt der europäischen Wettbewerbsbehörde deutlich aggressiver geworden. Und das, so der belgische Jurist Nicolas Petit von der Universität Lüttich, bekomme jetzt auch Google zu spüren. Denn unter Amtsvorgänger Joaquin Almunia zeichnete sich eigentlich ein Vergleich ab.
    "Die Tatsache, dass sich die Dynamik in diesem Verfahren mit der neuen Kommissarin geändert hat in Richtung einer konfrontativen Haltung, könnte man als eine politische Vorgehensweise der Kommission bewerten. Anstatt eine für alle zufriedenstellende Lösung anzustreben – und das war die Linie der Vorgängerkommission für vier Jahre – hat sich die neue Kommission für einen Richtungswechsel entschieden. Und der Grund dafür könnte ein Politischer sein."
    Wobei Petit einschränkt, dass der neue Auftritt der Wettbewerbsbehörde auch viel mit der Person Vestager selbst zu tun haben dürfte. Die Dänin gilt als selbstbewusst, ehrgeizig und meinungsstark. Und sie besetzt ein Amt, das wiederum als das Einflussreichste innerhalb der Kommission gilt:
    "Es ist eine sehr mächtige Generaldirektion. Das hat sehr viel mit ihren Möglichkeiten zu tun. Die Kommission kann hier eigene Entscheidungen exekutieren und benötigt dafür nicht – wie sonst – die Zustimmung der Mitgliedsstaaten. Sie kann Strafen verhängen und diese Strafen müssen dann auch gezahlt werden. Und die Kommission kann Firmen dazu zwingen, ihr Geschäftsmodell zu ändern und das gilt dann auch global".
    Vestager: "Sobald Dominanz missbraucht wird, müssen wir aktiv werden"
    Doch Vestager selbst würde ihre Vorgehensweise immer pragmatisch begründen – sie sei nun einmal die Hüterin für einen funktionierenden Binnenmarkt in Europa:
    "Es ist unser Job dafür zu sorgen, dass es Wettbewerb gibt. Und dass dieser Wettbewerb auch funktioniert, wenn Unternehmen wachsen und einen Markt dominieren. Das ist völlig in Ordnung. Für manche ist das sogar eine Motivation – wenn ich talentiert, gut ausgebildet bin – dann bin ich vielleicht der nächste große Player. Aber sobald Dominanz missbraucht wird, müssen wir aktiv werden".
    Eine Frau mit kurzen, grauen Haaren spricht in ein Mikrofon, sie hat ein schwarzes Oberteil an und gestikuliert mit den Händen.
    EU-Kommissarin Margrethe Vestager gibt eine Pressekonferenz zum Stand der Verfahren gegen US-Konzern Google, Juli 2016 (dpa/EPA/Olivier Hoslet)
    Der jüngste Vorwurf also: Google versuche bei seinem Dienst AdSense for Search, sich die Konkurrenz durch strenge Vertragskonditionen vom Leib zu halten. Dieser Dienst ermöglicht zum Beispiel Online-Einzelhändlern oder auch Medienkonzernen, die Google-Suchmaske in den eigenen Internetauftritt zu integrieren. Dafür müssen sie bezahlen oder Anzeigen aus dem Google-Netzwerk schalten. Mit Hilfe der Vertragsvorgaben erreiche der Konzern jedoch, dass die Internetwerbung von anderen Wettbewerbern auf diesen Seiten behindert werde, kritisiert die Kommission.
    "Wir glauben, dass alle diese Auflagen es Google erlauben, seine großen Marktanteile bei Search Advertising zu verteidigen. Damit behindert Google den Wettbewerb. Und sie behindern damit auch Wahlmöglichkeiten und Innovation zum Nachteil der Verbraucher."
    Und dann ist da noch das dritte Verfahren – dabei geht es um das weltweit äußerst erfolgreiche Smartphone-Betriebssystem Android. Hier werden nach Einschätzung der Kommission nicht zuletzt die Geräte-Hersteller genötigt, "Google-Suche" und den Web-Browser "Google Chrome" vor zu installieren.
    "Ok, wenn sie jetzt sagen, sie wollen das Angesagteste aus dem Playstore, dann müssen sie auch Chrome und Google Suche dazu nehmen. Nun, diese Verknüpfung zwischen dem Playstore und anderen Apps – das sehen wir als sehr problematisches Verhalten an."
    EU-Kommission führe Feldzug gegen Google
    Vorwürfe, die EU-Kommission führe inzwischen einen Feldzug gegen den Internetriesen aus den USA, hat Vestager stets zurückgewiesen. Und bekommt dabei Rückendeckung aus dem EU-Parlament.
    "Das soll jetzt kein Schwarz-weiß-Malen sein. Natürlich haben diese großen Unternehmen auch unglaublich innovative Ideen in den Markt gebracht. Die werden ja auch von ganz vielen Bürgern nachgefragt. Trotzdem gilt eben in der sozialen Marktwirtschaft, dass wir eine Verantwortung dafür haben, dass der Markt nicht einseitig vermachtet wird. Und auch neue Unternehmen eine Chance bekommen."
    Sagt der Binnenmarktexperte der CDU, Andreas Schwab. Bei der US-Regierung hat die scharfe Vorgehensweise Brüssels allerdings schon für Befremden gesorgt; Google selbst wiederum sieht sich zu Unrecht in der Kritik. Doch Schwab verteidigt die Kommissarin:
    "Frau Vestager hat sich relativ früh – zu Beginn ihres Mandats - dazu durchgerungen, hier eine ganz klare Strategie zu verfolgen. Und ich glaube auch, dass dies der richtige Weg ist. Weil das digitale Zeitalter ebenso stark – derzeit jedenfalls - von den großen Unternehmen geprägt wird, dass wir hier einfach genau hinschauen müssen, ob der Markt im digitalen Zeitalter tatsächlich auch noch für kleine und mittlere Unternehmen eine Chance bietet. Oder ob nicht tatsächlich hier ein Oligopol stattfindet".
    Ähnlichkeit mit Kartellverfahren gegen Microsoft in 90er-Jahren
    Erinnerungen werden wach an das Kartellverfahren gegen Microsoft in den 90er-Jahren. Im Zuge dessen machte sich Gary Reback einen Namen als der 'Drachentöter aus dem Silicon Valley', wie sich die New York Times erinnert. Der Anwalt brachte das US-Justizministerium dazu, 1998 Microsoft zu verklagen. Der Vorwurf:
    Microsoft missbrauche seine dominierende Position im Computerbereich. Das Unternehmen hatte versucht, seinem Internet Explorer zum Durchbruch zu verhelfen, in dem es den Browser mit dem hauseigenen Betriebssystem bündelte.
    Das Microsoft Firmenlogo vor der Deutschlandzentrale des Unternehmens.
    Es heißt, Google verhalte sich heute gegenüber anderen nahezu identisch zu Microsoft. (Imago / Sven Simon)
    "Es gab diesen neuen Browser und der einzige Weg, wie der effektiv unter die Leute gebracht werden konnte, war die Verknüpfung mit dem Betriebssystem. Der Plan von Netscape war ein anderer: die Marktmacht von Microsoft anzugreifen.”
    Konkurrenten wie der zu diesem Zeitpunkt viel stärkere Browser Netscape sahen das als wettbewerbswidrig an. Drei Jahre dauerte es, bis Microsoft die entsprechende Klage in der Berufung abwehren konnte. Netscape war inzwischen von AOL übernommen worden.
    In der Europäischen Union hatte die Untersuchung von Microsoft eine andere Folge: Hier musste der Konzern ab Windows 7 ein Programm installieren, das Kunden die Auswahl eines alternativen Browsers ermöglichte. Gary Reback verdiente sich in dieser Zeit den Spitznamen 'Bill Gates’ schlimmster Albtraum'. Er sagt jetzt: Google verhält sich heute gegenüber anderen nahezu identisch zu Microsoft.
    Google hat viel von Microsoft gelernt
    Reback achtet ganz genau darauf, wie die Untersuchungen der EU-Kommission gegen Google vorankommen. Er hat in zwei Verfahren Klienten. Und er glaubt, dass Google viel gelernt hat von den Erfahrungen Microsofts:
    "Google hat von Fehlern Microsofts gelernt. Als die EU damals zu Microsoft sagte: "Ändert das!", hat der Konzern sich zuerst einen Teufel darum geschert. Google hat anders reagiert, so in der Art: "Ach herrje. Was machen wir jetzt?"
    Am Ende der Verfahren in Brüssel könnte Google eine milliardenschwere Strafe ins Haus stehen. Doch das, sagt Reback, werde nichts ändern.
    "Ich glaube schon, dass es wichtig ist. Aber es wird nichts ändern. Google wird in Berufung gehen, die Berufungsverfahren verlieren usw.; aber das macht doch nur Sinn, wenn man den Haushalt der EU ausgleichen will. Das Ziel muss doch aber eigentlich sein, dass Google sein Verhalten ändert.”
    Und erst vor einigen Wochen hatten die kanadischen Kartellbehörden ihre Untersuchungen gegen den US-Konzern wieder eingestellt. Begründung: Es gebe keine Beweise für einen Machtmissbrauch. Doch die Märkte und das jeweilige Verständnis der Kartellbehörden, so Schwab, seien nur bedingt miteinander vergleichbar:
    "In den USA ist die Missbrauchssituation anders als in Europa, weil die Marktmacht bestimmter Unternehmen deutlich geringer ist. Das ist ja das Dramatische, dass bestimmte amerikanische Unternehmen im amerikanischen Markt weniger Marktanteile haben als in Europa.
    Aber deswegen müssen wir in Europa auch andere Schlussfolgerungen ziehen als dies die kanadische oder amerikanische Wettbewerbsbehörde tun. Es kommt aber auch ein Stück weit von einem anderen Verständnis von Marktmacht. In Europa wird das eher kritisch gesehen, in den USA kommt damit zunächst mal zum Ausdruck, dass jemand Erfolg hat."
    Europa hinkt in der digitalen Wirtschaft hoffnungslos hinterher
    Doch die konfrontative Vorgehensweise der EU-Kommission hat bei einigen Beobachtern auch längst den Verdacht geweckt, dass Brüssel versuche, über das Wettbewerbsrecht die europäischen Unternehmen zu schützen. Denn gerade in der digitalen Wirtschaft ist Europa hoffnungslos ins Hintertreffen geraten – Facebook, Amazon oder auch Google dominieren das jeweilige Marktsegment.
    Und das sogar in Europa noch deutlich stärker als in den USA oder weltweit. Google zum Beispiel hat weltweit einen Marktanteil an der Internetsuche von etwa 70 Prozent, in den USA liegt er bei um die 65 Prozent - in Deutschland aber bei mehr als 90 Prozent. US-Präsident Barack Obama hat seine Haltung in der Frage vor anderthalb Jahren bei einem Interview mit der Technik-Seite Recode deutlich gemacht:
    "Um Google und Facebook zu verteidigen: Uns hat das Internet gehört - unsere Firmen haben es erfunden, wachsen lassen und perfektioniert auf eine Weise, mit der die europäischen Firmen nicht mithalten können. Manchmal ist die europäische Reaktion stärker von Geschäftsinteressen geprägt als von irgendetwas anderem.”
    Doch Rechtswissenschaftler Petit hält diesen Verdacht gerade wegen der Dominanz der US-Unternehmen für wenig stichhaltig:
    "Die meisten dieser Firmen – Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft – haben keinen Herausforderer in Europa. Das Argument kann deshalb nicht sein, dass wir mit Hilfe des Wettbewerbsrechts versuchen, die europäischen Konkurrenten gegenüber den amerikanischen großen Hightech-Unternehmen zu schützen. Einfach, weil diese Konkurrenten gar nicht existieren. Diese Bedenken sind also nicht ganz überzeugend."
    Eine übergroße Variante des Maskottchens "Andy" des Google-Betriebssystems Android auf der Entwicklermesse Google I/O 2015 in San Francisco. 
    Eine übergroße Variante des Maskottchens "Andy" des Google-Betriebssystems Android. (picture alliance / dpa / Christoph Dernbach)
    Vestager zeigt sich von solchen Vorwürfen ohnehin unbeeindruckt: Sie weiß, sollten am Ende tatsächlich Kartellstrafen fällig werden – dabei geht es um bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes – wird Google ohnehin vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Deshalb müssten die Vorwürfe sorgfältig geprüft werden, heißt es in der EU-Kommission.
    So ganz klar scheinen die Fakten zumindest nicht gegen Google zu sprechen, sagt der Journalist Nicholas Hirst, der das Verfahren für das Online-Magazin Politico beobachtet - sonst würde die Untersuchung nicht seit Jahren andauern, ohne bislang zu einer Entscheidung gekommen zu sein.
    Dabei hat es die Kommission sogar strukturell deutlich leichter als zum Beispiel ihr Pendant in den USA, die Federal Trace Commission, sagt Hirst:
    "Die EU-Kommission ist gleichzeitig Ermittlungsbehörde und Richter in dem Verfahren. Sie belegt eine Firma mit Strafen, und dann kann die Firma vor Gericht gehen und diese Entscheidung anfechten. In den USA dagegen muss die Wettbewerbsbehörde eine Firma vor Gericht verklagen, um Strafen durchzusetzen. Das gibt den europäischen Wettbewerbshütern einen Vorteil.”
    Verfahren endlich abschließen
    Doch mittlerweile ist der Druck auch auf sie deutlich gewachsen. Wer drei Verfahren eröffne, der müsse auch irgendwann einmal eines abschließen, lautet die Forderung nicht zuletzt aus dem Europäischen Parlament. Letztlich geht es dabei auch um die Glaubwürdigkeit der Wettbewerbskommissarin. Jurist Petit von der Universität Lüttich rechnet auch deshalb mit einer baldigen Entscheidung:
    "Es wird in der Zukunft einen Punkt geben, an dem Google für Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht schuldig gesprochen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kommission über sieben Jahre Untersuchungen macht; dass sie die Verfahren gegen Google beständig ausweitet - auf mittlerweile drei höchst unterschiedliche Bereiche: Android; Google Shopping und jetzt die Werbung – und dass sich dann die Kommission einfach hinstellt und sagt: Wir beenden die Show, wir haben sieben Jahre untersucht, aber haben nichts gefunden."
    Doch Vestager lässt sich weiterhin nicht in die Karten schauen. Zuletzt meinte sie bei der Bekanntgabe des dritten Verfahrens, es bestehe ja immer noch die Chance, dass Google von sich aus sein Verhalten ändert. Davon ist bislang noch nichts erkennbar. Klar ist aber:
    Ausgang des Verfahrens könnte für Google weltweit Konsequenzen haben
    Waren zum Beispiel noch vor ein paar Jahren Googles Lobbyisten in Brüssel kaum präsent, spielen sie jetzt eine deutlich größere Rolle, und die Firmenchefs statten der EU-Kommission immer wieder Besuche ab. Grund dafür ist zum einen das nicht unerhebliche Geschäft in Europa - immerhin hat die EU mehr als anderthalb mal so viele Einwohner wie die USA. Der Ausgang des Brüsseler Verfahrens könnte für Google mittelfristig weltweit Konsequenzen haben, sagt der Journalist Nicholas Hirst:
    "Wettbewerbshüter in Indien, Brasilien oder China beobachten dieses Verfahren sehr genau, und sie interessieren sich sehr dafür, was die EU-Kommission macht. Wenn es erst eine Entscheidung gibt, dann denken diese anderen Länder vielleicht: Wenn die EU solche Strafzahlungen von Google bekommen kann, dann sollten wir vielleicht auch etwas unternehmen.”
    Dass der Fall Google politisch wie wirtschaftlich von besonderer Bedeutung ist, weiß man natürlich auch in Brüssel, nicht erst seit der deutlichen Kritik der US-Regierung an der Vorgehensweise der europäischen Wettbewerbsbehörde. Und natürlich ist Vestager auch völlig klar, dass sie sich gerade deshalb nicht den kleinsten Fehler bei den Ermittlungen erlauben kann.
    Doch zumindest nach außen hin lässt sich die streitbare Dänin derzeit keinerlei Verunsicherung anmerken. Mag der Druck gerade aus den USA auch noch so groß sein, mögen andere Länder sich genau anschauen, wie unnachgiebig die Kommission gegen Google derzeit vorgeht – Vestager ist von ihrer Arbeit auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts völlig überzeugt.