Gloser: Guten Morgen.
Heinlein: Herr Gloser, wagen Sie eine Prognose: Wie geht das heute aus in Neapel?
Gloser: Die österreichische Außenministerin hat ja, wie ich finde, sehr deutlich gesagt, dass die ganz großen politischen Fragen sozusagen erst am 12. und 13. Dezember gelöst werden. Heute geht es ja um viele andere Bereiche. Ich glaube aber schon, dass auf Grund der guten Vorarbeit – das muss man der italienischen Ratspräsidentschaft wirklich lassen -, dass in einigen Bereichen eine Annäherung stattfindet, möglicherweise sogar eine Einigung.
Heinlein: Sie haben die italienische Ratspräsidentschaft angesprochen. Dort hat man ja so scheibchenweise Kompromisse vorgestellt. Glauben Sie, dass das der richtige Weg ist, um zu einem Erfolg zu kommen?
Gloser: Die Statements gerade zeigten doch auch, welche Prognosen so gesagt oder welche Themen miteinander verknüpft werden, die meines Erachtens vielleicht nicht unbedingt verknüpft werden sollten. Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt mit der Verfassung und dergleichen mehr. Ich meine schon, dass die italienische Diplomatie und die Ratspräsidentschaft sich immer in einer moderaten Art und Weise den Fragen angenähert und Vorschläge gemacht hat. Ich kann nur sagen, dass das ein bisschen im Widerspruch steht zu dem, was man vielleicht vorher über die Möglichkeiten der italienischen Ratspräsidentschaft gesagt hat.
Heinlein: Die kleineren Staaten wie die Niederlande oder Österreich stellen ja gerade diesen Zusammenhang zwischen Stabilitätspakt und den Verfassungsverhandlungen her. Glauben Sie, dass das deutsch-französische Vorgehen, das deutsch-französische Auftreten in dieser Woche beim Defizitstreit die Verhandlungen heute in Neapel stark belasten wird?
Gloser: Das ist ja ein morgenfüllendes Thema. Ich habe es ja schon erwähnt: Es handelt sich hier um einen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Ich kann auch nicht immer zugestehen, dass es sich immer nur um die kleineren Staaten handelt. Es war ja auch Spanien in der Gruppe der Ablehner dabei. Andererseits haben uns Luxemburg und andere unterstützt. Ich wehre mich ein bisschen gegen dieses Groß und Klein. Natürlich gibt es andere Ansichten. Deutschland war ja gerade unter der Regierungszeit Kohl und Waigel unter denjenigen, die ausdrücklich auf diesem Pakt bestanden haben. Nur ist er in der letzten Zeit häufig von der einen Seite so und von der anderen Seite so interpretiert worden. Ich glaube aber, man sollte jetzt nach vorne gucken. Das Verfassungsprojekt ist ein sehr wichtiges Projekt. Man sollte nicht Dinge miteinander verknüpfen. Dass das ein Thema bleiben muss, das ist selbstverständlich. Auch aus deutscher Sicht.
Heinlein: Die Angst der Kleinen aber - um diesen Ausdruck noch einmal zu benutzen - vor den Großen, künftig über den Tisch gezogen zu werden, hat ja Nahrung bekommen durch das Auftreten und durch den Erfolg von Hans Eichel in dieser Woche. Das spielt ja auch bei den Verfassungsdiskussionen eine große Rolle.
Gloser: Ich glaube, in vielen Gesprächen mit Repräsentanten kleinerer Staaten ist auch noch einmal die besondere Situation Deutschlands in diesem Bereich deutlich geworden. Ich selbst hatte vor zehn Tagen ein Gespräch mit Herrn Solbes, um noch einmal die Lage deutlich zu machen. Wir werden das nicht mehr vor dem Abschluss des Verfassungsentwurfes haben, aber in den Bereichen finanzielle Vorausschau und Strukturpolitik muss man deutlich machen, dass in sich hier die Kommission auch nicht kohärent, also einheitlich vorgeht. Da werden neue Instrumente geschaffen, da werden neue Aufgaben dargelegt. Das kostet Geld, welches von den Mitgliedsstaaten aufgebracht werden muss. Wir können nicht in Deutschland notwendige Reformen mit Einsparmöglichkeiten durchführen – ein langer, schwieriger Prozess gerade auch in meiner Partei -, und dann werden in zwei, drei Tagen Vorschläge gemacht, wo noch einmal 4 oder 5 Milliarden Euro nach Brüssel transferiert werden müssen. Da muss ein einheitlicher Weg gegangen werden. Dies hat Hans Eichel diese Woche deutlich gemacht. Lassen Sie mich noch eine Anekdote sagen, immer vor dem Verhältnis Groß – Klein: Jean-Claude Junker, der wirklich unverdächtig ist, ein Regierungschef eines großen Landes zu sein, hat vor kurzem in Frankfurt gesagt: "In dieser Europäischen Union gibt es, ob nun mit 15 oder mit 25, nur zwei Große: Das sind Großbritannien und das Großherzogtum Luxemburg." Damit hat er sicherlich gut die Situation beschrieben.
Heinlein: Was ist Ihre Prognose: Wird die Arbeit des Konvents kaputtgemacht durch dieses Tauziehen hinter den Kulissen zwischen den einzelnen Ländern? Es geht ja um Macht und Einfluss. Haben Sie diesen Eindruck?
Gloser: Als Parlamentarier sind wir schon enttäuscht. Nach dem vielleicht wirklich etwas langsam angelaufenen Konvent im vergangenen Jahr hat der Konvent doch zu einem System gefunden und vor allen Dingen auch zu Ergebnissen geführt hat, wo wir sagen, es ist ein Kompromiss. Jedes einzelne Land – auch Deutschland - hätte sich an der einen oder anderen Stelle etwas besseres vorstellen können, auch ich als nationaler Parlamentarier. Auch die Kollegen aus der Opposition. Wir waren uns da sehr oft einig. Im Juli haben wir aber alle am Schluss festgestellt, dass es ein guter Kompromiss ist. Dass, wie Sie jetzt richtig sagen, jetzt dieses Tauziehen begonnen hat, kann eigentlich diesen Kompromiss nur verbessern. Insofern haben wir manche Stimmen, die nach diesem Konvent laut geworden sind, gerade aus verschiedenen Ländern, überhaupt nicht verstanden. Wo waren die eigentlich? Es waren bis zum Juli auch Regierungsvertreter aller Länder der Europäischen Union, beziehungsweise der Beitritts-Staaten, an dem Prozess beteiligt. Alle Argumente, die jetzt eingeführt werden, hätten schon längst im Konvent eingeführt werden können.
Heinlein: Unter dem Strich: Ihr Appell an die Außenminister in Neapel ist, möglichst wenig zu verändern an dem Entwurf des Konvents.
Gloser: Da kann ich sogar auch für die Union sprechen, weil wir in diesen Punkten wirklich viel Übereinstimmung hatten in den letzten Wochen und Monaten. Wir sagen, das ist ein guter Kompromiss. Dieser Kompromiss soll ja letztendlich auch die Grundlage für die Ratifizierung werden. An der einen oder anderen Stelle müssen wir hier technische Dinge arrondieren, was ja auch in einer Arbeitsgruppe gemacht wird – der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs sind ja eine andere Sache -, aber insgesamt ist das ein guter Kompromiss und ein erheblicher Fortschritt gegenüber Themen, die beispielsweise in Nizza gelöst worden sind.
Heinlein: Das war der Europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Günter Gloser heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Herr Gloser, ich danke für das Gespräch, und auf Wiederhören.
Gloser: Ich bedanke mich. Tschüss.
Heinlein: Herr Gloser, wagen Sie eine Prognose: Wie geht das heute aus in Neapel?
Gloser: Die österreichische Außenministerin hat ja, wie ich finde, sehr deutlich gesagt, dass die ganz großen politischen Fragen sozusagen erst am 12. und 13. Dezember gelöst werden. Heute geht es ja um viele andere Bereiche. Ich glaube aber schon, dass auf Grund der guten Vorarbeit – das muss man der italienischen Ratspräsidentschaft wirklich lassen -, dass in einigen Bereichen eine Annäherung stattfindet, möglicherweise sogar eine Einigung.
Heinlein: Sie haben die italienische Ratspräsidentschaft angesprochen. Dort hat man ja so scheibchenweise Kompromisse vorgestellt. Glauben Sie, dass das der richtige Weg ist, um zu einem Erfolg zu kommen?
Gloser: Die Statements gerade zeigten doch auch, welche Prognosen so gesagt oder welche Themen miteinander verknüpft werden, die meines Erachtens vielleicht nicht unbedingt verknüpft werden sollten. Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt mit der Verfassung und dergleichen mehr. Ich meine schon, dass die italienische Diplomatie und die Ratspräsidentschaft sich immer in einer moderaten Art und Weise den Fragen angenähert und Vorschläge gemacht hat. Ich kann nur sagen, dass das ein bisschen im Widerspruch steht zu dem, was man vielleicht vorher über die Möglichkeiten der italienischen Ratspräsidentschaft gesagt hat.
Heinlein: Die kleineren Staaten wie die Niederlande oder Österreich stellen ja gerade diesen Zusammenhang zwischen Stabilitätspakt und den Verfassungsverhandlungen her. Glauben Sie, dass das deutsch-französische Vorgehen, das deutsch-französische Auftreten in dieser Woche beim Defizitstreit die Verhandlungen heute in Neapel stark belasten wird?
Gloser: Das ist ja ein morgenfüllendes Thema. Ich habe es ja schon erwähnt: Es handelt sich hier um einen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Ich kann auch nicht immer zugestehen, dass es sich immer nur um die kleineren Staaten handelt. Es war ja auch Spanien in der Gruppe der Ablehner dabei. Andererseits haben uns Luxemburg und andere unterstützt. Ich wehre mich ein bisschen gegen dieses Groß und Klein. Natürlich gibt es andere Ansichten. Deutschland war ja gerade unter der Regierungszeit Kohl und Waigel unter denjenigen, die ausdrücklich auf diesem Pakt bestanden haben. Nur ist er in der letzten Zeit häufig von der einen Seite so und von der anderen Seite so interpretiert worden. Ich glaube aber, man sollte jetzt nach vorne gucken. Das Verfassungsprojekt ist ein sehr wichtiges Projekt. Man sollte nicht Dinge miteinander verknüpfen. Dass das ein Thema bleiben muss, das ist selbstverständlich. Auch aus deutscher Sicht.
Heinlein: Die Angst der Kleinen aber - um diesen Ausdruck noch einmal zu benutzen - vor den Großen, künftig über den Tisch gezogen zu werden, hat ja Nahrung bekommen durch das Auftreten und durch den Erfolg von Hans Eichel in dieser Woche. Das spielt ja auch bei den Verfassungsdiskussionen eine große Rolle.
Gloser: Ich glaube, in vielen Gesprächen mit Repräsentanten kleinerer Staaten ist auch noch einmal die besondere Situation Deutschlands in diesem Bereich deutlich geworden. Ich selbst hatte vor zehn Tagen ein Gespräch mit Herrn Solbes, um noch einmal die Lage deutlich zu machen. Wir werden das nicht mehr vor dem Abschluss des Verfassungsentwurfes haben, aber in den Bereichen finanzielle Vorausschau und Strukturpolitik muss man deutlich machen, dass in sich hier die Kommission auch nicht kohärent, also einheitlich vorgeht. Da werden neue Instrumente geschaffen, da werden neue Aufgaben dargelegt. Das kostet Geld, welches von den Mitgliedsstaaten aufgebracht werden muss. Wir können nicht in Deutschland notwendige Reformen mit Einsparmöglichkeiten durchführen – ein langer, schwieriger Prozess gerade auch in meiner Partei -, und dann werden in zwei, drei Tagen Vorschläge gemacht, wo noch einmal 4 oder 5 Milliarden Euro nach Brüssel transferiert werden müssen. Da muss ein einheitlicher Weg gegangen werden. Dies hat Hans Eichel diese Woche deutlich gemacht. Lassen Sie mich noch eine Anekdote sagen, immer vor dem Verhältnis Groß – Klein: Jean-Claude Junker, der wirklich unverdächtig ist, ein Regierungschef eines großen Landes zu sein, hat vor kurzem in Frankfurt gesagt: "In dieser Europäischen Union gibt es, ob nun mit 15 oder mit 25, nur zwei Große: Das sind Großbritannien und das Großherzogtum Luxemburg." Damit hat er sicherlich gut die Situation beschrieben.
Heinlein: Was ist Ihre Prognose: Wird die Arbeit des Konvents kaputtgemacht durch dieses Tauziehen hinter den Kulissen zwischen den einzelnen Ländern? Es geht ja um Macht und Einfluss. Haben Sie diesen Eindruck?
Gloser: Als Parlamentarier sind wir schon enttäuscht. Nach dem vielleicht wirklich etwas langsam angelaufenen Konvent im vergangenen Jahr hat der Konvent doch zu einem System gefunden und vor allen Dingen auch zu Ergebnissen geführt hat, wo wir sagen, es ist ein Kompromiss. Jedes einzelne Land – auch Deutschland - hätte sich an der einen oder anderen Stelle etwas besseres vorstellen können, auch ich als nationaler Parlamentarier. Auch die Kollegen aus der Opposition. Wir waren uns da sehr oft einig. Im Juli haben wir aber alle am Schluss festgestellt, dass es ein guter Kompromiss ist. Dass, wie Sie jetzt richtig sagen, jetzt dieses Tauziehen begonnen hat, kann eigentlich diesen Kompromiss nur verbessern. Insofern haben wir manche Stimmen, die nach diesem Konvent laut geworden sind, gerade aus verschiedenen Ländern, überhaupt nicht verstanden. Wo waren die eigentlich? Es waren bis zum Juli auch Regierungsvertreter aller Länder der Europäischen Union, beziehungsweise der Beitritts-Staaten, an dem Prozess beteiligt. Alle Argumente, die jetzt eingeführt werden, hätten schon längst im Konvent eingeführt werden können.
Heinlein: Unter dem Strich: Ihr Appell an die Außenminister in Neapel ist, möglichst wenig zu verändern an dem Entwurf des Konvents.
Gloser: Da kann ich sogar auch für die Union sprechen, weil wir in diesen Punkten wirklich viel Übereinstimmung hatten in den letzten Wochen und Monaten. Wir sagen, das ist ein guter Kompromiss. Dieser Kompromiss soll ja letztendlich auch die Grundlage für die Ratifizierung werden. An der einen oder anderen Stelle müssen wir hier technische Dinge arrondieren, was ja auch in einer Arbeitsgruppe gemacht wird – der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs sind ja eine andere Sache -, aber insgesamt ist das ein guter Kompromiss und ein erheblicher Fortschritt gegenüber Themen, die beispielsweise in Nizza gelöst worden sind.
Heinlein: Das war der Europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Günter Gloser heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Herr Gloser, ich danke für das Gespräch, und auf Wiederhören.
Gloser: Ich bedanke mich. Tschüss.