Elke Durak: Der österreichische Diplomat Erhard Busek, er kümmert sich als Sonderkoordinator der EU um den Stabilitätspakt für Südosteuropa. Er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen Herr Busek.
Erhard Busek: Guten Morgen Frau Durak.
Durak: Sagen Sie, weshalb ist es denn so dringend, dass diese Statusfrage endlich beantwortet wird. Seit Jahren lebt man ja auch so mehr recht als schlecht miteinander?
Busek: Die künftige Rolle des Kosovo blockiert eigentlich nicht nur Serbien, sondern die gesamte Region. Wir haben die ganz eigenartige Situation, dass die Frage der Grenzen seit 1991 - und das ist schon sehr lange Zeit - in Bewegung ist. Wir haben keine definitive Landkarte. Die Tatsache, dass es keine klare Vorstellung zum Status selber gibt, ist ein Faktor der Beunruhigung. Und bedauerlicherweise haben die Kosovo-Albaner natürlich inzwischen gelernt, wenn sie Druck machen, indem es wieder Schießereien oder ähnliches gibt, dass man sich endlich dann fortbewegt. Eigentlich ist in diesen sechs Jahren, seit dem Ende des Kosovo-Krieges, herzlich wenig in dieser Richtung passiert. Daher ist es gut, dass die Gespräche über den Status beginnen.
Durak: Welchen Status soll ihrer Meinung nach die Region später haben?
Busek: Meine Meinung ist ja weniger relevant. Es ist die eigentliche Frage, welche Übereinstimmung kann zwischen Belgrad einerseits und Pristina andererseits - also den Kosovo-Albanern - erzielt werden. Und wie bereits richtig beschrieben, sind prinzipiell einige Serben der Meinung, dass der Kosovo ein Teil von Serbien ist und bleiben soll. Während die Kosovo-Albaner überzeugt sind, dass sie eigentlich jetzt schon unabhängig sind. Hier wird eine Art von Kompromiss notwendig sein, mit dem beide leben können. Wobei ich persönlich nicht glaube, dass Belgrad irgendeiner Lösung dann definitiv zustimmen wird. Es wird eher in die Richtung gehen, dass es von Belgrad toleriert wird oder das man es in irgendeiner Weise abkaufen muss.
Durak: Wer kauft, die EU?
Busek: Die Europäische Union ist ja ein wichtiger Spieler, es soll aber nicht vergessen werden, dass ja der Kosovo gegenwärtig von den Vereinten Nationen verwaltet wird auf Grund einer Resolution des Sicherheitsrates. Das heißt, dass es auch hier andere Spieler am Feld gibt vor alledem jene Staaten, die ein Veto im Sicherheitsrat haben. Es gibt eine Kontaktgruppe, in der auch die Russen vertreten sind und natürlich auch die Amerikaner. Das heißt, es wird zunächst einmal auf dieser Ebene zu spielen sein. Aber die EU muss interessiert sein, das Problem zu europäisieren, denn der Kosovo liegt ja in Europa und es ist in Wahrheit unser Problem. Auch mit Auswirkungen auf die Nachbarn. Ich verweise Sie nur etwa auf Mazedonien, das hier auch dadurch betroffen ist, dass es ja eine beträchtliche Minderheit von Albanern hat und auch in einem geschlossenen Gebiet lebt.
Durak: Welche Lösung liegt denn im Interesse der EU, was den Status des Kosovo angeht? Welcher von den beiden von mir erwähnten, Herr Busek?
Busek: Das Interesse der EU muss zweifellos sein, einerseits den Kosovo-Albanern mehr Autonomie zu geben, andererseits aber auch den Serben eine Lösung zu bieten, die sie zunächst tolerieren können. Persönlich glaube ich, dass es eine Art Etappen-Lösung wird, indem man mehr und mehr Rechte den Kosovo-Albanern gibt. Das, was für die Serben gegenwärtig nicht akzeptabel ist, ist etwa, dass Kosovo einen Sitz in den Vereinten Nationen erhält. Das ist der äußerste Punkt, den sie nicht akzeptieren können.
Durak: Das stünde ja vielleicht auch auf der sehr langfristigen politischen Agenda. Hätte die EU nicht mit der möglichen Mitgliedschaft Serbiens in der EU also etwas wie ein "freundliches Druckpotenzial" in der Hand?
Busek: Das ist sicher die Perspektive. Das wissen auch die Serben und das weiß auch Belgrad. Nur wird etwa vom Ministerpräsidenten Kostunica gesagt, das alleine kann es nicht sein. Was es aber sonst noch sein soll, was Serbien quasi für eine Lösung bekommen will, das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sehr klar, weil wir es in Belgrad ja auch mit einer Regierung zu tun haben, die eigentlich in der Minderheit ist, also kein unbedingt starker Partner ist. Damit zu rechnen ist, dass auch eine gewisse nationale Radikalisierung stattfindet. Der Kosovo ist irgendwo ein nationaler Fetisch, schon seit der Schlacht am Amselfeld.
Durak: Zwei Millionen Einwohner in etwa hat das Kosovo, eine Mini-Region wenn man es bedenkt, mit großer politischer Ausstrahlung. 16.000 ausländische Soldaten sind dort stationiert. Besteht nicht weiterhin die Gefahr, dass sich beide Seiten - Serben wie auch Kosovo-Albaner - munter mit dieser Situation abfinden und die ausländische Präsenz gebrauchen, um nicht zu sagen missbrauchen, zu eigenen Zwecken?
Busek: Da ist sicher was dran und das kennzeichnet auch die gegenwärtige Situation. Es kann aber unser Ziel nicht sein, auf die Dauer Truppen da zu haben, dafür zahlen zu müssen - schließlich kostet das auch ja sehr, sehr viel Geld. Sondern es muss auch möglich sein, dass hier die verschiedenen Nationen miteinander leben. Also insofern ist es eigentlich ein europäischer Testfall.
Durak: Wie kann man denn beide Seiten politisch befähigen, dann endlich Selbstverantwortung für sich selbst zu übernehmen?
Busek: Indem man den Kosovo-Albanern mit Sicherheit mehr Rechte gibt, dass sie für sich selbst Verantwortung übernehmen müssen. Und den Serben klarmacht, dass ihre eigentliche Entwicklung in Europa selber - und sie liegen ja geopolitisch sehr interessant - dadurch behindert ist, dass sie sich ständig mit der Kosovo-Frage auseinandersetzen müssen. Wobei Sie nicht vergessen dürfen, es gibt ja noch ein anderes Problem, nämlich: Bleiben Serbien und Montenegro beieinander oder trennen sie sich? Auch das wird 2006 eine ganz kritische Frage werden.
Durak: Das aber müsste von beiden Seiten souverän bedacht werden und entschieden werden?
Busek: Es ist außer Frage, es gibt ja unendlich viele Faktoren. Auf der einen Seite heißt es, dass man vorsichtig vorgehen muss, aber auf der anderen Seite, man muss endlich etwas dazu beitragen, denn die Sache selbst dauert schon so lange.
Durak: Erhard Busek, EU-Sonderkoordinator für den Stabilitätspakt in Südosteuropa war das. Herzlichen Dank Herr Busek für das Gespräch und einen schönen Tag noch.
Busek: Danke vielmals.
Erhard Busek: Guten Morgen Frau Durak.
Durak: Sagen Sie, weshalb ist es denn so dringend, dass diese Statusfrage endlich beantwortet wird. Seit Jahren lebt man ja auch so mehr recht als schlecht miteinander?
Busek: Die künftige Rolle des Kosovo blockiert eigentlich nicht nur Serbien, sondern die gesamte Region. Wir haben die ganz eigenartige Situation, dass die Frage der Grenzen seit 1991 - und das ist schon sehr lange Zeit - in Bewegung ist. Wir haben keine definitive Landkarte. Die Tatsache, dass es keine klare Vorstellung zum Status selber gibt, ist ein Faktor der Beunruhigung. Und bedauerlicherweise haben die Kosovo-Albaner natürlich inzwischen gelernt, wenn sie Druck machen, indem es wieder Schießereien oder ähnliches gibt, dass man sich endlich dann fortbewegt. Eigentlich ist in diesen sechs Jahren, seit dem Ende des Kosovo-Krieges, herzlich wenig in dieser Richtung passiert. Daher ist es gut, dass die Gespräche über den Status beginnen.
Durak: Welchen Status soll ihrer Meinung nach die Region später haben?
Busek: Meine Meinung ist ja weniger relevant. Es ist die eigentliche Frage, welche Übereinstimmung kann zwischen Belgrad einerseits und Pristina andererseits - also den Kosovo-Albanern - erzielt werden. Und wie bereits richtig beschrieben, sind prinzipiell einige Serben der Meinung, dass der Kosovo ein Teil von Serbien ist und bleiben soll. Während die Kosovo-Albaner überzeugt sind, dass sie eigentlich jetzt schon unabhängig sind. Hier wird eine Art von Kompromiss notwendig sein, mit dem beide leben können. Wobei ich persönlich nicht glaube, dass Belgrad irgendeiner Lösung dann definitiv zustimmen wird. Es wird eher in die Richtung gehen, dass es von Belgrad toleriert wird oder das man es in irgendeiner Weise abkaufen muss.
Durak: Wer kauft, die EU?
Busek: Die Europäische Union ist ja ein wichtiger Spieler, es soll aber nicht vergessen werden, dass ja der Kosovo gegenwärtig von den Vereinten Nationen verwaltet wird auf Grund einer Resolution des Sicherheitsrates. Das heißt, dass es auch hier andere Spieler am Feld gibt vor alledem jene Staaten, die ein Veto im Sicherheitsrat haben. Es gibt eine Kontaktgruppe, in der auch die Russen vertreten sind und natürlich auch die Amerikaner. Das heißt, es wird zunächst einmal auf dieser Ebene zu spielen sein. Aber die EU muss interessiert sein, das Problem zu europäisieren, denn der Kosovo liegt ja in Europa und es ist in Wahrheit unser Problem. Auch mit Auswirkungen auf die Nachbarn. Ich verweise Sie nur etwa auf Mazedonien, das hier auch dadurch betroffen ist, dass es ja eine beträchtliche Minderheit von Albanern hat und auch in einem geschlossenen Gebiet lebt.
Durak: Welche Lösung liegt denn im Interesse der EU, was den Status des Kosovo angeht? Welcher von den beiden von mir erwähnten, Herr Busek?
Busek: Das Interesse der EU muss zweifellos sein, einerseits den Kosovo-Albanern mehr Autonomie zu geben, andererseits aber auch den Serben eine Lösung zu bieten, die sie zunächst tolerieren können. Persönlich glaube ich, dass es eine Art Etappen-Lösung wird, indem man mehr und mehr Rechte den Kosovo-Albanern gibt. Das, was für die Serben gegenwärtig nicht akzeptabel ist, ist etwa, dass Kosovo einen Sitz in den Vereinten Nationen erhält. Das ist der äußerste Punkt, den sie nicht akzeptieren können.
Durak: Das stünde ja vielleicht auch auf der sehr langfristigen politischen Agenda. Hätte die EU nicht mit der möglichen Mitgliedschaft Serbiens in der EU also etwas wie ein "freundliches Druckpotenzial" in der Hand?
Busek: Das ist sicher die Perspektive. Das wissen auch die Serben und das weiß auch Belgrad. Nur wird etwa vom Ministerpräsidenten Kostunica gesagt, das alleine kann es nicht sein. Was es aber sonst noch sein soll, was Serbien quasi für eine Lösung bekommen will, das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sehr klar, weil wir es in Belgrad ja auch mit einer Regierung zu tun haben, die eigentlich in der Minderheit ist, also kein unbedingt starker Partner ist. Damit zu rechnen ist, dass auch eine gewisse nationale Radikalisierung stattfindet. Der Kosovo ist irgendwo ein nationaler Fetisch, schon seit der Schlacht am Amselfeld.
Durak: Zwei Millionen Einwohner in etwa hat das Kosovo, eine Mini-Region wenn man es bedenkt, mit großer politischer Ausstrahlung. 16.000 ausländische Soldaten sind dort stationiert. Besteht nicht weiterhin die Gefahr, dass sich beide Seiten - Serben wie auch Kosovo-Albaner - munter mit dieser Situation abfinden und die ausländische Präsenz gebrauchen, um nicht zu sagen missbrauchen, zu eigenen Zwecken?
Busek: Da ist sicher was dran und das kennzeichnet auch die gegenwärtige Situation. Es kann aber unser Ziel nicht sein, auf die Dauer Truppen da zu haben, dafür zahlen zu müssen - schließlich kostet das auch ja sehr, sehr viel Geld. Sondern es muss auch möglich sein, dass hier die verschiedenen Nationen miteinander leben. Also insofern ist es eigentlich ein europäischer Testfall.
Durak: Wie kann man denn beide Seiten politisch befähigen, dann endlich Selbstverantwortung für sich selbst zu übernehmen?
Busek: Indem man den Kosovo-Albanern mit Sicherheit mehr Rechte gibt, dass sie für sich selbst Verantwortung übernehmen müssen. Und den Serben klarmacht, dass ihre eigentliche Entwicklung in Europa selber - und sie liegen ja geopolitisch sehr interessant - dadurch behindert ist, dass sie sich ständig mit der Kosovo-Frage auseinandersetzen müssen. Wobei Sie nicht vergessen dürfen, es gibt ja noch ein anderes Problem, nämlich: Bleiben Serbien und Montenegro beieinander oder trennen sie sich? Auch das wird 2006 eine ganz kritische Frage werden.
Durak: Das aber müsste von beiden Seiten souverän bedacht werden und entschieden werden?
Busek: Es ist außer Frage, es gibt ja unendlich viele Faktoren. Auf der einen Seite heißt es, dass man vorsichtig vorgehen muss, aber auf der anderen Seite, man muss endlich etwas dazu beitragen, denn die Sache selbst dauert schon so lange.
Durak: Erhard Busek, EU-Sonderkoordinator für den Stabilitätspakt in Südosteuropa war das. Herzlichen Dank Herr Busek für das Gespräch und einen schönen Tag noch.
Busek: Danke vielmals.