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EU-Maßnahmen im Kosovo-Konflikt und zur Rußland-Krise

Adler: Das Flug- beziehungsweise Landeverbot ist nun nach erheblichem Ringen der EU-Länder in Kraft gesetzt worden; ab heute gilt es. Doch genügt diese Maßnahme wirklich, um das Kämpfen im Kosovo zu beenden, oder hat die Maßnahme ihre Wirkung nicht von vornherein eingebüßt, weil zu lange darum gestritten wurde? Das habe ich den Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten Österreichs, Botschafter Albert Rohan, vor dieser Sendung gefragt.

    Rohan: Das glaube ich nicht, weil diese Maßnahme, wann immer sie in Kraft tritt, hat ihre Wirkung. Nur die Wirkung ist sicherlich eine beschränkte. Bis jetzt hat die Regierung in Belgrad allen diesen Sanktionen, die sich ja im politischen und im wirtschaftlichen Bereich ansiedeln, nicht nachgegeben. Das ist schon richtig. Wegen des Landeverbotes allein wird sich auch nicht sofort eine Änderung in der Politik von Belgrad abspielen, aber es ist halt eine weitere auf der langen Liste von Sanktionen.

    Adler: In der vorigen Woche hat es kurzzeitig Gerüchte darüber gegeben, daß Russland möglicherweise einem militärischen Eingreifen zustimmen könnte. Welche Anzeichen haben eigentlich dafür gesprochen?

    Rohan: Sicherlich diese, daß Milosevic seinen Verpflichtungen, die er Präsident Jelzin gegenüber in Moskau auf sich genommen hat, nicht entsprochen hat. Er hat damals zugesagt, keine übermäßige Gewalt gegen die Zivilbevölkerung anzuwenden. Das hat nicht stattgefunden. Er hat zugesagt, daß den humanitären Organisationen und internationalen Beobachtern überall der Zutritt gewährt wird. Das geschieht zum Teil, aber nicht überall. Immer wieder kommt es zu Schwierigkeiten auf diesem Gebiet. Er hat also seine Zusagen gegenüber dem russischen Präsidenten gebrochen, und wir verstehen daher, daß auch in Moskau eine beträchtliche Ungeduld gegenüber dem Verhalten in Belgrad vorliegt. Ob das so weit geht, daß Russland einer entsprechenden Resolution des Sicherheitsrates zustimmen würde oder nicht, das wissen wir nicht. Wir haben keinerlei Hinweise diesbezüglich.

    Adler: Für Deutschland erweist sich das Landeverbot als ein de facto Abschiebestopp für Kosovo-Flüchtlinge, denn die Menschen müssen mit der Linie des Heimatlandes nach Hause fliegen. Sie können trotz der bewaffneten Kämpfe im Moment auch noch abgeschoben werden aus Deutschland. Muß sich Deutschland jetzt möglicherweise auf eine Flüchtlingswelle aus dem Kosovo einstellen, weil die Menschen eben auch nicht so schnell wieder zurückgeschickt werden können?

    Rohan: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Eine gewisse Flüchtlingswelle findet statt, aber hauptsächlich zunächst in die benachbarten Staaten Montenegro und Albanien. Auch wir hier in Österreich haben zunehmend mit Flüchtlingen aus dem Kosovo zu tun. Es sind noch durchaus überschaubare Zahlen, aber das hat mit der Frage der Rückführung nichts zu tun. Man kann sicherlich auch auf anderen Wegen aus dem Kosovo flüchten, denn letztlich gibt es ja auch noch den Landweg.

    Adler: Trifft dieses Landeverbot nicht möglicherweise eben doch einen falschen oder auch einen falschen, nämlich Deutschland?

    Rohan: Es trifft alle Länder der Union, die eine Flugverbindung mit Jugoslawien haben, wie beispielsweise Österreich auch. Unsere Fluglinie hat fünf oder sechs Flüge pro Woche und Deutschland auch. Wenn man diese politische Maßnahme einer Sanktion treffen will, dann muß man dies eben solidarisch tun und darf nicht von der Sicht eines jeden Landes aus hier die Vor- oder Nachteile abwägen.

    Adler: Diese Meinung müßte man eigentlich auch an die Adresse Griechenlands schicken, denn Griechenland war zumindest das Mitgliedsland der Europäischen Union, das diese Einigung auf das Landeverbot ja zunächst für lange Zeit unmöglich gemacht hat. Welches Signal ging von dieser wieder einmal unentschlossenen und auch wenig geschlossenen Haltung der EU möglicherweise an Belgrad aus?

    Rohan: Griechenland wird und das hat ja der Außenminister erklärt diese Maßnahme mittragen. Daß vorher hier Bedenken geäußert werden und diese beseitigt werden müssen, das ist an sich durchaus legitim. Aber letztlich kommt es darauf an, ob Griechenland dieses Embargo mitträgt, und die griechischen Vertreter haben erklärt, daß sie dieses tun werden. Das ist das entscheidende.

    Adler: Das heißt, das Ergebnis zählt letzten Endes, aber der mühsame Weg dorthin wird wieder einmal außer Acht gelassen?

    Rohan: Der mühsame Weg bei 15 souveränen Staaten ist eben ein Faktum, das wir zur Kenntnis nehmen müssen. Jede dieser 15 Regierungen hat unterschiedliche Ansichten, unterschiedliche Interessen, und daß dies halt immer eine gewisse Zeit der Koordination bedarf, das ist ein Faktum.

    Adler: Herr Rohan, was kann die EU nun aber tun, um zu mehr Geschlossenheit in der Außenpolitik zu gelangen, zu einer wirklichen politischen Union zu werden?

    Rohan: Ich glaube, das ist ein langer, langer Prozeß, der seine Zeit in Anspruch nimmt. Wenn Sie vergleichen heute die Geschlossenheit der Union in vielen politischen Fragen mit der Situation etwa vor fünf, sechs Jahren, ist ja schon eine viel größere Kohäsion erfolgt. Es ist aber eben nach wie vor so, daß die Außenpolitik eine intergouvermentale Angelegenheit ist, also nicht eine Gemeinschaftssache, so daß hier 15 Regierungen am Werke sind mit verschiedenen Positionen, und das dauert eben seine Zeit, hier eine einheitliche europäische Außenpolitik zu schaffen.

    Adler: Ist dann dieses ganze Unternehmen aber nicht von vornherein auch schon aussichtslos? Ist dieser Kampf von vornherein verloren?

    Rohan: Nein, ich glaube, es wurden schon beträchtliche Fortschritte gemacht. Man wird jetzt auch institutionell aufgrund des Amsterdamer Vertrages gewisse Einrichtungen unternehmen. Es wird eine für die Außenpolitik zuständige Persönlichkeit eingesetzt werden.

    Adler: Also ein hoher Vertreter?

    Rohan: Ein hoher Vertreter, ja. Das sind alles Maßnahmen. Es wird eine gemeinsame Analyseeinheit eingerichtet werden, die eben zu den wichtigsten Problemen gemeinsame Analysen erstellt, so daß auch die Sicht der Regierungen dann eine ähnliche sein wird. Wie gesagt, es wird nicht über Nacht plötzlich Europa wie ein einzelner Staat sprechen, aber die Bemühungen sind da, und es wird ein sehr mühsamer und langwieriger Weg sein, aber den muß man weitergehen.

    Adler: Herr Rohan, Sie haben selber angesprochen, ein Amt ist zu besetzen, nämlich das des hohen Vertreters. Das was sich hinter den Kulissen gar nicht so sehr öffentlich abspielt ist folgendes Szenario: Es wird gerungen unter den Mitgliedsländern, ob nun 20 oder 30 Mitarbeiter um diesen hohen Vertreter herumgruppiert werden, mit welchen Befugnissen er ausgestattet ist und so weiter. Also eigentlich wieder Kleinkrieg um ein Amt, was so wichtig wäre, um Einheit nach außen zu demonstrieren?

    Rohan: Ich finde es durchaus legitim, daß man sich Gedanken macht, wie das Büro dieses hohen Repräsentanten ausgestattet wird. Daran finde ich an sich nichts Schlechtes. Das wichtige ist, daß wenn man dann einmal die Entscheidung trifft, daß dann tatsächlich dieses Amt auch funktionieren kann und daß auch der hohe Repräsentant dann anerkannt wird als derjenige, der die Außenpolitik nach außen darstellt. Ich glaube, daß man sich bevor man die Institution als solche errichtet eben über die Details Gedanken macht und darüber diskutiert. Das ist durchaus legitim.

    Adler: Sobald Moskau ich möchte noch einmal darauf zurückkommen eine bestätigte Regierung hat, will sich sowohl eine Finanz- wie auch Außenministerdelegation auf den Weg dorthin machen. Was geschieht aber bis dahin? Welche Signale gehen dann aus Österreich nach Moskau in dieser Zeit?

    Rohan: Was wir von der Union tun können ist, daß wir unsere Hilfe anbieten, daß wir unsere Programme anbieten, unsere Expertisen anbieten und daß die internationalen Währungsinstitutionen auch Geldflüsse anbieten. Das kann von uns aus geschehen. Eine Abordnung der politischen Direktoren wird nach Moskau reisen, und sobald ein Gesprächspartner in Form einer Regierung vorhanden ist, wird sich der österreichische Finanzminister als Vertreter der Präsidentschaft und die Gruppe der Außenminister sich hinbegeben, um eben konkrete Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu besprechen, die über das hinausgehen, was ja ohnedies schon besteht. Wir haben ja ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland, und das bietet allein schon einen Rahmen. Aber alles was in dieser Krisensituation zusätzlich gemacht werden kann, wird eben dann besprochen werden, sobald ein Partner da ist, mit dem man sprechen kann.

    Adler: In Deutschland wurde kurzzeitig auch darüber diskutiert, eine Meinung, die von den GRÜNEN ins Spiel gebracht worden ist, daß die Russland-Krise möglicherweise auch eine Rechnung, eine Quittung dafür ist, daß die EU zu zögerlich in ihrem Osterweiterungsprozeß vorgegangen ist.

    Rohan: Das sehe ich überhaupt nicht. Erstens ist die Union nicht zögerlich vorgegangen. Der Fahrplan der Erweiterung wird genau eingehalten. Es braucht die Erweiterung halt eine gewisse Zeit. Das wird sowohl in der Union so gesehen als auch bei den Partnerstaaten. Die müssen sich ja auch vorbereiten auf die Mitgliedschaft zur Union. Es gibt ja diese Partnerschaftsprogramme zur Vorbereitung der Mitgliedschaft. Alles das geschieht. Das hat mit Russland nichts zu tun. Was die Krise in Russland vielleicht zeigt ist, wie wichtig es ist, daß diese Erweiterung der Union und die Aufnahme jener Länder, die ja in unmittelbarer Nachbarschaft zu Russland leben, äußerst wichtig ist.

    Adler: Um sie abzuschirmen und ein Übergreifen der Krise zu verhindern?

    Rohan: Nun die Stabilität in der Union herrscht, in diese Länder zu exportieren. Und auch in dem Zusammenhang sieht man ja zum Beispiel, wie wichtig der Euro war. Obwohl er noch nicht in Kraft getreten ist, wirkt er schon voraus, indem Währungsschwankungen in jenen Währungen, die zum Euro gehören werden, kaum stattfinden.

    Adler: Das war der Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten Österreichs, Botschafter Albert Rohan, in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk.