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EU-Programm
Warum einige EU-Staaten bei den Corona-Hilfen zögern

Mit dem Corona-Wiederaufbaufonds stehen 750 Milliarden Euro für den wirtschaftlichen Wiederaufbau bereit. Bevor die Gelder ausgezahlt werden, müssen noch alle 27 EU-Mitgliedsstaaten den sogenannten Eigenmittelbeschluss ratifizieren. Einige Staaten zögern aus strategischen Gründen.

Von Paul Vorreiter | 31.03.2021
Das Berlaymont-Gebäude in Brüssel.
Wenn es beim Zeitplan bleibt, können die ersten Mittel ab der zweiten Jahreshälfte fließen. (imago images / Zuma Press / Nicolas Economou)
Sie können es kaum erwarten, das Geld aus Brüssel zu verwenden. In den von der Coronakrise wirtschaftlich besonders zurückgeworfenen Ländern Italien und Griechenland sind die ersten Mittel aus dem 750-Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds bereits eingeplant.
Wenn es beim Zeitplan bleibt, können die ersten Mittel ab der zweiten Jahreshälfte fließen. Aber ob das so eintritt, daran gibt es zumindest Zweifel. Denn in Deutschland darf der Bundespräsident bis zur Prüfung durch die Richter in Karlsruhe erstmal nicht seine Unterschrift unter das Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz setzen. Die EU-Kommission gab sich diese Woche dennoch betont zuversichtlich:
"Die Kommission ist überzeugt, dass der Eigenmittelbeschluss rechtlich wasserdicht ist, es ist notwendig, dass ihn alle Mitgliedstaaten schnell billigen. Vor allem mit Blick auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie. Bislang haben 16 Staaten die Ratifizierung vollzogen."

EU-Kommission sieht im Stopp aus Karlsruhe keine Vor-Entscheidung

Das ist immerhin mehr als die Hälfte der Mitgliedsländer. Nach dem Willen der Kommission soll bis Ende Juni der Ratifizierungsprozess zu Ende sein. Mit ihrer Zustimmung erlauben die Mitgliedstaaten der EU auf Grundlage eines Notfallartikels in den EU-Verträgen sich selbst Geld für den Wiederaufbauplan an den Kapitalmärkten zu leihen und garantieren dann für die Schulden. In dem Stopp aus Karlsruhe sieht die Kommission keine Vor-Entscheidung in der Sache.
"Wir glauben, dass die Gültigkeit des Eigenmittelbeschlusses nicht in Frage gestellt wurde. Daher sind wir zuversichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht schnell entscheiden wird."
Diese Zuversicht teilen hingegen nicht alle in Brüssel, zu ihnen zählt der Grünen-Haushaltsexperte Rasmus Andresen. Er geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht nach Prüfung der Klage den Fall an den Europäischen Gerichtshof weitergeben wird, um dort letztlich prüfen zu lassen, ob der Wiederaufbaufonds EU-rechtskonform ist.
"Wenn das Bundeverfassungsgericht nicht zügig an das EuGH weiterleitet oder die Ratifizierung blockiert, bis in der Hauptsache entschieden ist, dann wird der Aufbaufonds nicht im Juli durch sein, und wird nicht eingesetzt werden können, dann wird es zu monatelangen Verzögerungen kommen, die wir uns auf europäischer Ebene nicht leisten können."
Die Folgen, so warnt Andresen, wären nicht nur für die Südländer verheerend, sondern auch für Deutschland und den Binnenmarkt, vom politischen Schaden noch gar nicht zu sprechen.

Polen und Ungarn zögern aus strategischen Gründen

Neben Deutschland zählen noch einige weitere Länder zu denen, die den Ratifizierungsprozess nicht abgeschlossen haben. Etwa Österreich oder die Niederlande, die in den Verhandlungen damals als strikte Gegner einer zu weitgehenden Kreditvergabe aufgetreten sind. Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner rechnet bei zwei weiteren Ländern, dass deren Unterschrift nicht schnell kommen wird:
"Polen und Ungarn haben bei der Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses schon jetzt getrödelt und zwar aus gutem Grund. Sie haben damit ein Ass im Ärmel, denn sie können am Ende noch drohen, den Wiederaufbaufonds und den gesamten Haushalt scheitern zu lassen und diese Drohung hilft ihnen natürlich. Denn die EU-Kommission wird solange - damit ist zu rechnen - nicht hart mit dem Rechtstaatsmechanismus vorgehen, solange sie damit rechnen muss, dass Ungarn und Polen den Haushalt noch scheitern lassen."
Wie sehr das Verfahren in Karlsruhe den aktuellen Zeitplan gefährdet, ist derzeit unklar. In Fällen anderer Verfassungsbeschwerden wie beim Lissaboner Vertrag oder dem ESM-Vertrag belief sich die Verzögerung auf einige Monate. Dass der Corona-Hilfsfonds komplett gekippt wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Eine weit weg liegende, aber denkbare Option wäre ein zwischenstaatlicher Vertrag. So weit, will der Chef der SPD im Europaparlament, Jens Geier jetzt noch nicht denken:
"Das BVerfG hat am Freitag beschlossen, einen juristisch schlecht begründeten Einwand prüfen zu wollen der gegen einen Gesetzesbeschluss des Bundestags erhoben worden ist, der dort immerhin mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen worden ist und jetzt hat das Bundesverfassungsgericht noch dreieinhalb Wochen Zeit zu begründen, ob es diesen Einwand wirklich ernsthaft prüfen will und wenn es tatsächlich beschließt dieses Gesetz aufhalten zu wollen dann fange ich mir an Sorgen zu machen."