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EU-Referendum in Großbritannien
Der 23. Juni als Schicksalstag

"Ich glaube, es ist besser, wenn wir mit den europäischen Partnern zusammenarbeiten." Premierminister David Cameron ruft ein Referendum aus und wirbt dabei selbst für den Verbleib in der EU. Großbritannien genieße als Mitglied der Gemeinschaft schließlich die gesamten Vorzüge des europäischen Binnenmarkts.

Von Friedbert Meurer |
    David Cameron zwischen den Flaggen Großbritanniens und der EU.
    Auch wenn die Regierung insgesamt für einen Verbleib in der EU wirbt: Cameron hat jedem Minister freigestellt, für "in" oder "out" zu votieren. (dpa/EPA/Julien Warnand)
    Eine Sondersitzung des britischen Kabinetts an einem Samstag – das gab es zum letzten Mal 1982 während des Falklandkriegs. Zwei Stunden lang erläuterte Premierminister David Cameron seinen Ministern die Vereinbarungen mit den EU- Staats- und Regierungschefs, dann erklärte er vor seinem Amtssitz: seine Regierung ruft ein Referendum aus und wirbt dabei selbst für den Verbleib in der EU.
    "Wir treffen bald eine der größten Entscheidungen unseres Lebens. Bleiben wir in einer reformierten EU oder verlassen wir sie? Es geht um den Kern dessen, welches Land wir sein wollen und welche Zukunft wir für unsere Kinder hinterlassen wollen."
    Großbritannien genieße als EU-Mitglied die Vorzüge des Binnenmarkts, sei aber nicht Mitglied der Euro-Zone und werde auch nie den Euro einführen. Man kontrolliere die eigenen Grenzen selbst und könne innerhalb der EU Beschlüsse mitgestalten.
    Labour-Parlamentarier Graham Stringer: "Cameron ist komplett gescheitert, einen fundamentalen Wandel herbeizuführen"
    "Ich liebe Großbritannien, nicht Brüssel. Die Frage beim Referendum ist: Wird unser Land sicherer, stärker und prosperierender werden innerhalb oder außerhalb der EU? Ich glaube, es ist besser, wenn wir mit den europäischen Partnern zusammenarbeiten."
    Schon am Montag will der Premierminister einen Gesetzentwurf auf den Weg geben, um mit den Vorbereitungen für den Volksentscheid zu beginnen. Nachmittags folgt eine Erklärung im Unterhaus.
    "Vor drei Jahren habe ich versprochen, unsere Mitgliedschaft neu zu verhandeln und anschließend ein Referendum anzusetzen. Jetzt entscheiden Sie. Ich werde dem Unterhaus als Termin den 23. Juni vorschlagen."
    Der Ausgang des Referendums ist offen. Den ganzen Tag verwarfen die EU-Kritiker das, was David Cameron in Brüssel ausgehandelt hat.
    "Es ändert nichts daran, dass unser Parlament keine schlechten EU-Gesetze verwerfen kann, schimpft UKIP-Chef Nigel Farage. Wir zahlen 55 Millionen Pfund am Tag, und unsere Grenzen sind völlig offen für über 500 Millionen EU-Bürger."
    "Es geht am Ziel vorbei, die Briten wollen ihre Grenzen selbst kontrollieren", forderte die Tory-Abgeordnete Anne-Marie Trevelyan. "EU-Migranten genießen weiter Freizügigkeit. Sieben Jahre als Übergangslösung gehen schnell vorbei. Das alles verstehen die EU-Beamten einfach nicht."
    "Das sind nur starke Worte, mit denen Cameron verdeckt, dass er komplett gescheitert ist", behauptet der Labour-Parlamentarier Graham Stringer. Auch in seiner Partei gibt es EU-Gegner. "Die Gesetze unseres Parlaments dürfen nicht überstimmt werden. Er ist komplett gescheitert, einen fundamentalen Wandel herbeizuführen."
    Auch wenn die Regierung insgesamt für einen Verbleib in der EU wirbt, Cameron hat jedem Minister freigestellt, für "in" oder "out" zu votieren. Justizminister Michael Gove, ein erklärter persönlicher Freund Camerons, will für ein Nein werben. Alle blicken jetzt aber auf den ganz großen Namen, den des Londoner Bürgermeisters und Anwärters auf das Amt des Premierministers. Noch hüllt sich Boris Johnson in Schweigen, seine Entscheidung wird aber schon für morgen erwartet.