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EU-Sonderkoordinator Busek: Moskau in der Kosovo-Frage zu keinem Kompromiss bereit

Nach Ansicht des EU-Sonderkoordinators für den Balkan-Stabilitätspakt, Erhard Busek, war Russlands ablehnende Haltung zu dem Kosovo-Kompromissvorschlag im UN-Sicherheitsrat vorhersehbar. Moskau sende derzeit "ganz klare Signale", dass es "eigentlich für nichts zu haben" sei. Gleichwohl solle die EU Serbien weiterhin eine klare Perspektive bieten, sagte Busek im Hinblick auf den bevorstehenden Besuch des serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica in Deutschland.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Wir haben es gerade gehört, Russland hat in der Nacht einen erneuten Kompromissvorschlag im UN-Sicherheitsrat in Sachen Kosovo abgelehnt. Sehen Sie noch einen Ausweg?

    Erhard Busek: Ich glaube nicht. Das war auch zu erwarten. Die Russen haben in der letzten Zeit ganz klare Signale gesendet, dass sie eigentlich für nichts zu haben sind. Dahinter ist sicher eine gewisse Strategie, nämlich auch innerhalb der europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten eine Differenzierung zu erzielen. Das scheint gegenwärtig der russische Weg zu sein.

    Engels: Wie beurteilen Sie denn vor diesem Hintergrund den US-Amerikanischen Vorstoß, den Status des Kosovo zur Not auch ohne die UNO festzulegen, das heißt, eine Unabhängigkeit anzustreben, ohne die Zustimmung Russlands?

    Busek: Das ist schon einige Zeit von Washington aus signalisiert worden. Ist natürlich ein etwas riskanter Weg. Es ist die sogenannte unilaterale Lösung, dass nämlich mit der einseitigen Anerkennung hier gearbeitet wird. Das würde dann so funktionieren, dass Kosovo seine Unabhängigkeit erklärt, die Amerikaner das anerkennen. Dann kommt die wirklich schwierige Frage für die Europäer, wer geht diesen Weg mit und wer ist hier dagegen. Nur die Faktizität ist ja so, dass das Kosovo de facto von Belgrad unabhängig ist. Also hier gibt es ja so gut wie keine Verbindungen mehr, außer der Feststellung, dass es ein Bestandteil Serbiens ist, was in der UNO-Resolution 244 niedergelegt ist. Das ist ein zusätzliches Spannungselement außer Frage, trägt natürlich dazu bei, dass USA und Russland unterschiedliche Wege gehen und dass innerhalb der Europäischen Union natürlich eine heftige Debatte entstehen wird, wie man darauf reagiert.

    Engels: Sie sprechen es an, eine heftige Debatte - was tun, wenn es einen Alleingang geben soll, den die USA ja anstreben zur Unabhängigkeit des Kosovo. Wo sehen Sie da die möglichen Bruchlinien innerhalb Europas?

    Busek: Es wird Regierungen geben, die mehr Sympathie für den Standpunkt von Belgrad haben.

    Engels: Welche sind das?

    Busek: Ich will dem nicht vorgreifen, die werden sich dann sicher rechtzeitig zeigen. Aber es hat ohnehin Signale aus den verschiedensten Richtungen hier gegeben. Die wirkliche Schwierigkeit ist dann für die Europäische Union, ob sie sich von sich aus entschließen kann, mehr Verantwortung im Kosovo zu übernehmen. Denn eine Fortsetzung des Mandats der Vereinten Nationen, hier war man sich relativ einig, sollte durch ein Mandat der Europäischen Union ersetzt werden. Ganz sicher braucht Kosovo weitere Assistenz, denn die Unabhängigkeit praktisch durchgeführt von heute auf morgen, die ist schon rein technisch nicht möglich.

    Engels: Herr Busek, der serbische Ministerpräsident Kostunica wird heute bei Bundeskanzlerin Merkel erwartet. Was raten Sie der Bundeskanzlerin in dieser verfahrenen Situation?

    Busek: Die Regierung ist ja hier in sich etwas unterschiedlicher Meinung in Belgrad, aber dass man ihm selber mal klarmacht, Realitäten zu akzeptieren. Milosevic hat leider sehr viel für sein eigenes Land verbrochen. Das muss man austragen, man kann sich nicht davon distanzieren. Das müssen die Serben selber akzeptieren und hier kann man nicht alleine mit historischen Argumenten kommen. Denn die Schlacht auf dem Amselfeld im 14. Jahrhundert reicht nicht dafür, heutige Realitäten einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen.

    Engels: Sie haben es angedeutet, die aktuelle serbische Regierung ist ein Notbündnis mit verschiedenen Ansichten. Es ist geschmiedet worden zwischen Reformern und Nationalisten, um die radikalen Kräfte von der Macht fernzuhalten. Sollte man diesen Kräften vielleicht auch in irgendeiner Form entgegenkommen?
    Busek: Das Angebot seitens der Europäischen Union existiert, ist die Perspektive der Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Hier ist aber besonders von Kostunica immer sehr deutlich gesagt worden, dies sei keine Kompensation für eine Unabhängigkeit von Kosovo. Was aber eigentlich die Kompensation sein sollte, wurde nie sehr deutlich gesagt. Möglicherweise sollte man sich auf die Frage konzentrieren, herauszubekommen, unter welchen Bedingungen sich Belgrad bewegt oder ob Belgrad weiter nicht bereit ist, Realitäten zur Kenntnis zu nehmen.

    Engels: Können sie sich vorstellen, welche Bedingungen das wären?

    Busek: Ich habe diese Frage selber mehrmals an Herrn Kostunica gerichtet und nie eine Antwort bekommen.

    Engels: Gibt es denn die Vorstellung, dass es eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Serbien und der Europäischen Union geben kann ohne eine Einigung in der Kosovofrage?
    Busek: In Wirklichkeit ist die Europäische Union in eine Vorlage getreten (...). Hier ist ja auch noch die Frage, dass der Serbengeneral Mladic endlich in Den Haag landet, eine der offenen Bedingungen. Das Interesse seitens der Europäischen Union ist hier sehr deutlich signalisiert worden, während Kostunica immer versucht hat, auch gegensätzliche Zeichen zu setzen. Also es ist eine sehr gemischte Situation hier, wobei man auch mal deutlich dazu sagen muss, wenn sie Kontakt mit der Bevölkerung in Serbien haben, die hat eigentlich die Kosovofrage innerlich schon abgeschrieben. Es ist vor allem ein Spiel der Politik.

    Engels: Hat sich denn generell unter der neuen serbischen Regierung die Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal verbessert, wenn man mal von der Frage der Auslieferung von General Mladic absieht?

    Busek: Ja, es sind hier Personen geliefert worden - ein Polizeioffizier, der auch entsprechende Verantwortung hier hat. Es ist aber zu erwarten, dass diese Frage endlich einmal abgeschlossen werden muss, also um die Auslieferung von Mladic wird man in Belgrad nicht herumkommen.

    Engels: Kurz zusammengefasst: Sie erwarten Bewegung von Belgrad und sonst kann heute auch in Berlin nicht viel heraus kommen.

    Busek: Nein, ich erwarte mehr. Ich habe großes Vertrauen in die Bundeskanzlerin, dass man noch einmal klare Worte Kostunica sagt.