Donnerstag, 18. April 2024

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EU und Slowakei
"Behalten Sie das Geld!"

Europa wäre besser, wenn die Verträge eingehalten würden, findet der slowakische Europaabgeordnete Richard Sulik. Bundeskanzlerin Angela Merkel begehe mit der Flüchtlingsaufnahme Rechtsbruch. Die Slowakei solle lieber auf Subventionen der EU verzichten, als Migranten aufzunehmen, sagte Sulik im DLF.

Richard Sulik im Gespräch mit Dirk Müller | 16.09.2016
    Der Europa-Abgeordnete Richard Sulik sitzt in einer Talkshow
    Richard Sulik, Mitglied des Europa-Parlaments und Vorsitzender der slowakischen Partei Sloboda a Solidarita (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Der Vorsitzende der Oppositionspartei "Freiheit und Solidarität" warf Merkel vor, sie habe mit ihrer Flüchtlingspolitik das Dublin-Abkommen gebrochen. Auch die Schengener Verträge würden nicht eingehalten. "Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Menschen Europa nicht so toll finden", sagte Sulik.
    Mit Blick auf die Diskussion um die Verteilung der Flüchtlinge in Europa betonte er, es sei nie vereinbart gewesen, dass alle EU-Staaten Flüchtlinge aufnehmen müssen. Wenn es um Geben und Nehmen innerhalb der EU gehe, verzichte er lieber auf Subventionen der EU, als Flüchtlinge aufzunhemen. "Behalten Sie das Geld, ja behalten Sie es", sagte Sulik.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Die EU will besser werden, sie will gut tun - unser Thema jetzt mit dem Europaparlamentarier Richard Sulik, Parteichef der Rechtsliberalen in der Slowakei, die dort die stärkste Oppositionskraft bilden. Richard Sulik ist ein scharfer Kritiker der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel wie auch ein scharfer Kritiker der finanziellen Rettungspolitik der EU gegenüber Griechenland. Guten Morgen!
    Richard Sulik: Guten Morgen.
    Müller: Herr Sulik, machen Sie jetzt mit bei einem besseren Europa?
    Sulik: Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie das genau meinen. Das Europa wäre besser, wenn die Herren endlich die Verträge einhalten würden. Das wäre doch schon mal was. Aber das machen die eben nicht.
    Müller: Wer bricht welche Verträge?
    Sulik: Ja, zum Beispiel der Schengener Vertrag wird nicht eingehalten. Es hat doch die Europäische Kommission schon vor sechs Jahren gegen Griechenland ein Vertragsverletzungsverfahren gestartet und es ist eigentlich nichts passiert, und heute wundern sich alle, dass wir so viele Migranten in Europa haben.
    Auch zum Beispiel Frau Merkel hat Verträge gebrochen, als sie so viele Migranten eingeladen hat. Da gibt es doch das Dubliner Abkommen und so weiter. Das hat sie alles nicht eingehalten. Ganz zu schweigen von Herrn Juncker, der Griechenland rettet, immer wieder, und so weiter. Da müssen sich dann die Herren nicht wundern, dass die Leute, dass die Menschen Europa eben nicht so toll finden.
    "Nicht das geringste Vertrauen in Herrn Juncker"
    Müller: Sie, Herr Sulik, werfen Juncker wie auch eben Angela Merkel eindeutig Rechtsbruch vor?
    Sulik: Ja! Machen die ja auch. Wenn sie damit aufhören, …
    Müller: Und Rechtsbruch führt zu Vertrauensbruch?
    Sulik: Ja, sicherlich! Die Verträge machen doch Freunde und das eben machen die nicht. Und dann wundern sie sich, dass die Leute, dass die Menschen kein Vertrauen da haben. Ich habe zum Beispiel nicht das geringste Vertrauen in Herrn Juncker. Da heißt es doch, alle Länder müssen ein Drei-Prozent-Defizit einhalten, oder eben weniger, aber Frankreich muss eben doch nicht, weil Herr Juncker so entschieden hat. So geht es doch nicht!
    Müller: Herr Sulik, Sie sagen, Rechtsbruch Angela Merkel, Flüchtlingspolitik, Schengener Abkommen, Grenzen. Die Bundeskanzlerin sagt, wir mussten humanitär handeln, ist zur Not wichtiger als das, was wir vorher beschlossen haben. Für Sie nachvollziehbar?
    Den eigenen Wählern gegenüber verantwortlich, nicht Frau Merkel
    Sulik: Nein!
    Müller: Bis zu einem gewissen Punkt?
    Sulik: Nein, nein, nein! Die deutsche Verfassung sollte und muss für die Frau Merkel das Allerhöchste sein, und im Rahmen der deutschen Verfassung soll sie humanitär handeln. Aber sie kann doch nicht eine Million Menschen ins Land einladen. Da sieht sie, dass sie das übertrieben hat. Und anstatt, dass sie diesen Fehler zugibt, will sie von allen anderen Ländern, dass wir die Flüchtlinge ihr abnehmen. Aber sie hat vergessen, dass die Politiker in den anderen Ländern sich nicht der Frau Merkel verantworten, sondern den eigenen Wählern.
    "Wenn sich alle an die Verträge halten, dann wird Europa funktionieren"
    Müller: Den eigenen Wählern, sagen Sie. Es geht ja auch um die osteuropäischen, um die mitteleuropäischen Länder, die ganz stark kritisiert werden, nicht nur von Frau Merkel, sondern von den meisten Politikern in Deutschland. Dass diese Länder - dazu gehört auch Ihr Land, die Slowakei - nicht bereit sind mitzumachen, die Lasten zu teilen, sondern immer nur nehmen und dafür nichts geben. Warum bewegen Sie sich da nicht ein bisschen? Warum zeigen Sie nicht Solidarität mit Europa?
    Sulik: Schauen Sie mal: Die Europäische Union ist eine Vertragsgemeinschaft und wenn sich alle an die Verträge halten, dann wird es funktionieren. Aber es kann doch nicht sein, dass die Frau Merkel oder Herr Schulz sagen, ich möchte heute, dass ihr so viele Flüchtlinge abnehmt. Das war nie vereinbart.
    Und wenn Sie von immer nehmen sprechen, dann meinen Sie diese Geldumverteilung und diese Agrarsubventionen. Ich bin der Erste, der sagt, schafft es ab! Schafft das ab! Konkret diese Agrarsubventionen vernichten die Wirtschaft in der Slowakei. Schaffen Sie diese Dinge ab!
    Müller: Die 3,3 Milliarden, die die Slowakei empfängt aus Brüssel, wollen Sie die auch abschaffen?
    Sulik: Behalten Sie das Geld. Ja, behalten Sie es.
    "Die Slowakei bereits zwei Milliarden für Griechenland bezahlt"
    Müller: Brüssel soll es behalten, weil Sie haben Geld genug?
    Sulik: Moment! Nein, wir haben nicht Geld genug. Aber lieber werde ich ohne dieses Geld sein, als jetzt Zig-Tausende von Migranten aufzunehmen, nur weil die Frau Merkel schön sein wollte. Das ist das Erste.
    Das Zweite: Die Griechenland-Rettung, davon war nie die Rede. Das ist im Gegensatz der Verträge und da hat die Slowakei bereits zwei Milliarden für Griechenland bezahlt.
    Müller: Lieber Herr Sulik, wir bekommen jetzt leider Anrufe und auch Hinweise aus der Regie, dass wir kaum zu verstehen sind, dass die Leitung - wir haben mehrfach probiert jetzt im Vorfeld, Sie anzuwählen; Sie haben uns auch angewählt - zu schlecht ist, dass wir Schwierigkeiten haben beziehungsweise die Hörer massive Schwierigkeiten haben, Sie zu verstehen.
    Wir haben jetzt fünf Minuten miteinander geredet. Ich schlage jetzt vor, dass wir an diesem Punkt nicht aus inhaltlichen, sondern aus leitungsqualitativen Gründen Schluss machen und uns wieder hören. Jetzt hatte ich gedacht, Sie sind in Bratislava. Nein, sagen Sie, Sie sind in Deutschland.
    Sulik: Ja, ich bin in Deutschland. Ich war gestern noch in Straßburg. Da war ja noch die Straßburg-Woche. Und ich bin lieber in Deutschland geblieben, weil in Bratislava sind alle Straßen zu.
    Müller: Aber vielleicht wäre die Leitung nach Bratislava besser gewesen.
    Sulik: Ja, ja, das kann sein. Das tut mir sehr leid.
    Müller: Uns tut das auch leid. Danke, dass Sie für uns Zeit gefunden haben. Wir hören uns wieder in den nächsten Tagen und Wochen hier im Deutschlandfunk. Alles Gute Ihnen! Danke schön!
    Sulik: Schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.