Mittwoch, 24. April 2024

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EU uneins über Einsatz im Kongo

Eine Mehrheit der EU-Staaten verweigert einem gemeinsamen Militäreinsatz im Kongo weiter die Unterstützung. Die EU-Verteidigungsminister fanden bei Beratungen in Innsbruck keine gemeinsame Linie, wie die Operation zum Schutz der für den 18. Juni geplanten Wahlen ausgestaltet werden soll. Albrecht Conze, Politischer Direktor der UN-Mission im Kongo, ist dennoch optimistisch, dass der Einsatz stattfinden wird. Der Wahltermin sei nicht in Gefahr.

Moderation: Klaus Remme | 07.03.2006
    Klaus Remme: Die Verteidigungsminister der Europäischen Union haben sich in Innsbruck getroffen. Im Mittelpunkt der Beratungen stand ein möglicher Einsatz von europäischen Soldaten in der Demokratischen Republik Kongo, dies, um dort die Präsidentschaftswahlen, die zurzeit für den 18. Juni geplant sind, abzusichern. Seit Jahren bereits stehen UN-Truppen im Land, rund 16.000 Soldaten, um die Zustände dort zu stabilisieren. Ein Einsatz der Europäer ist umstritten, denn diese können sich, zumindest bisher, nicht einigen, wie viele Soldaten in den Kongo geschickt werden sollen, wie viele aus welchem Land kommen und wer diese führe.

    Am Telefon in Kinshasa ist Albrecht Conze, Politischer Direktor der UNO-Mission dort. Ich grüße Sie, Herr Conze.

    Albrecht Conze: Guten Tag, Herr Remme.

    Remme: Herr Conze, wie deuten Sie die Ergebnisse von Innsbruck?

    Conze: Ich würde das gar nicht so schwarz sehen, wie es in ihrem Beitrag erschienen ist. Ich glaube nicht, dass nur 40 Soldaten bisher zugesagt worden sind. Vielmehr ist es bei derartigen Konsultationen innerhalb der Europäischen Union, das gilt generell für, sagen wir für Fälle dieser Art, ist es immer so, dass nichts wirklich vereinbart ist, bevor nicht alles vereinbart ist. Und wir haben eigentlich nie wirklich negative Signale aus Brüssel bekommen, und wenn ich aus UN-Sicht dies sage, dann auch nicht aus Paris und aus Berlin. Und ich habe eher den Eindruck, dass Paris und Berlin erst dann wirklich zu einer festen Zusage bereit sind, wenn auch klar ist, dass andere Europäer mitmachen. Denn das ist immer der Wunsch der Vereinten Nationen gewesen, und darüber hat es eigentlich auch nie einen Dissens zwischen New York und Brüssel gegeben. Dieses soll eine europäische Mission sein und es soll hier im Kongo auch sichtbar sein, dass es europäische Solddaten sind, dass nicht ein Land die Sache in einer Weise führt, die dann einen solchen Verdacht auslösen können, wie Sie das beschrieben haben, nämlich, dass doch nationale Interessen dahinter stehen.

    Remme: Herr Conze, Javier Solana soll also noch einmal in den Kongo reisen, um mit Präsident Kabila zu sprechen. Ist diese Reise insofern notwendig, als dass in der Tat die Zustimmung zu einer solchen Mission fraglich ist?

    Conze: Eine solche Reise wird sicherlich sehr hilfreich sein, denn je klarer und offener die Karten auf dem Tisch liegen, je deutlicher die Signale aus Brüssel sind, desto einfacher wird es natürlich auch für die kongolesische Übergangsregierung und Präsident Kabila sein, sich dann öffentlich und offiziell dazu zu äußern. Bislang gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass hier im Kongo eine solche Mission abgelehnt würde. Es gibt allerdings auch noch keine offizielle Zustimmung dazu.

    Remme: Die Wahlen sind ja bereits präzise terminiert für den 18. Juni. Bringt jetzt dieser Verzögerung, eine erneute Reise von Solana mit einem Diskussionsprozess, wie er sicherlich danach stattfinden wird, diesen Wahltermin in Gefahr?

    Conze: Der Wahltermin ist nicht deshalb in Gefahr, weil die Beratungen in Europa noch nicht abgeschlossen sind. Wir haben hier im Kongo genug interne Bedingungen, die immer neue Fragezeichen setzten für diesen Wahltermin. Aber wir stehen unter dem Druck der international vereinbarten Übergangsregelung, dass bis zum 30. Juni diese Wahlen stattgefunden haben müssen. Und das ist ein sehr heilsamer Druck, denn sonst gäbe es sicherlich hier weiter auch zahlreiche interne Bremsmanöver, von solchen, die daran interessiert sind, dass die Wahlen vielleicht gar nicht oder erst sehr viel später stattfinden. Insofern ist immer noch Zeit und die Europäische Union weiß das, sie kennt den wahrscheinlichen Wahlkalender im Kongo sehr genau, und wir machen uns von hier aus eigentlich keine Sorgen, dass es zu einer vernünftigen Entscheidung in Brüssel kommen wird - und zwar in Kürze.

    Remme: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, schließen Sie eine erneute Verschiebung der Wahlen nicht aus?

    Conze: Ausschließen kann man nichts. Aber politisch wäre das fatal, denn die Kongolesen warten nun schon seit drei Jahren darauf, dass sie endlich an die Urnen gehen können. Sie sind, seit sie das Referendum Ende Dezember hatten, bei dem sie ihrer neuen Verfassung zugestimmt haben, eigentlich besonders ungeduldig, hier endlich eine legitimierte Regierung zu sehen und die schon viel zu lange Übergangszeit zu Ende gehen zu sehen. Also der Druck ist hier stark und der internationale Druck ist es zum Glück auch. Ich bin zuversichtlich, dass diese Wahlen vor Ende Juni stattfinden.

    Remme: Herr Conze, sollte es also einen Beschluss geben, eine substantielle Kommission zu entsenden, sagen wir mal oberhalb von 1000 Soldaten, dann ist einem Modell zu Folge, ein Großteil dieser Truppen gar nicht im Kongo, sondern außerhalb des Landes stationiert. Nährt das nicht den Verdacht, dass hier kein Signal zur Solidarität ausgesendet werden soll, sondern eigentlich nur eine Truppe, die bei möglichen Unruhen Ausländer ausfliegen soll?

    Conze: Ich glaube, da greift man zu kurz. Gestern hat der "Spiegel" das als einen großen Bluff bezeichnet und sogar in den Raum gestellt, dass die Europäer nur kämen, um sich selbst zu schützen. Ich glaube nicht, dass das so in Brüssel gesehen wird. Und es ist jedenfalls nicht das, was sich die Vereinten Nationen wünschen. Was wir hier brauchen, um diesen Wahlprozess zu schützen und in seiner Integrität vor Störern zu bewahren, das ist eine sichtbare Präsenz der Europäer, die einen großen Eindruck machen, wenn sie hier als Soldaten in der Hauptstadt Kinshasa präsent sind, eine sichtbare Präsenz, um die Kongolesen zu ermutigen, frei zu wählen, und um ihnen die Sicherheit zu geben, dass ihr freies Votum danach auch respektiert wird. Also wir müssen uns gegen Störer, gegen solche wehren, und in Schutz nehmen, die vielleicht daran denken am Ende eines solchen Prozesses, wenn ihnen das Ergebnis nicht passt, zu putschen und zu destabilisieren.

    Und genau das können die Europäer und das haben sie uns auch schon signalisiert. Wie sie es machen ist ihre Sache. Aber wir rechnen damit, dass es bald positiv entschieden wird.

    Remme: Herr Conze, das Land steht vor gewaltigen Problemen. Wie stark ist denn dieses Signal, wenn jetzt schon feststeht, dass eine solche Mission nach wenigen Monaten wieder beendet sein wird?

    Conze: Wenn man das gleich von Anfang an sagt, dass die Europäer für ein bestimmten Zweck, für einen bestimmten Zeitraum und regional bestimmt, so wie das auch der deutsche Verteidigungsminister heute Morgen gesagt hat, eben mit einem begrenzten Mandat kommen, dann weiß ja jeder, dass sie danach auch wieder gehen. Niemand erwartet, dass die Wahlen im Kongo alle Probleme dieses desolaten Landes lösen werden. Der Osten ist nach wie vor bedroht von ausländischen und inländischen Milizen, von Vagabunden, Wegelagerern und Banditen. Und dort im Osten sind ja auch die Blauhelme dabei, der Bevölkerung den größtmöglichen Schutz zu bieten. Das ist das andere Szenario. Das wird auch über die Wahlen noch andauern. Was wir von den Europäern erwarten und uns wünschen, das ist der Schutz des Wahlprozesses insbesondere in Kinshasa.

    Remme: Albrecht Conze war das, Politischer Direktor der UN-Mission in Kinshasa. Herr Conze, vielen Dank für das Gespräch.