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EU-Urheberrecht
"Eine Ablehnung des gesamten Pakets ist die richtige Lösung"

Der Mediensoziologe Volker Grassmuck lehnt die neuen EU-Regeln zum Schutz von Urheberrechten ab. Eine Erneuerung des europäischen Urheberrechts wäre zwar dringend notwendig, sagte Grassmuck im Dlf. In dem neuen Gesetzespaket seien wichtige Aspekte jedoch verwässert worden.

Volker Grassmuck im Gespräch mit Christine Heuer |
    Demo "Save the Internet" in Berlin: Auf einem Schild steht "Don't the Internet" und zwischen dem "don't" und dem "the" ist ein schwarzer Balken zu sehen
    Demo gegen die Urheberrechtsreform in Berlin. (imago stock&people)
    Christine Heuer: Was ändert sich also mit den neuen Regeln für die Nutzer, darüber spreche ich jetzt mit dem Mediensoziologen und Publizisten Volker Grassmuck. Guten Morgen!
    Volker Grassmuck: Schönen guten Morgen, Frau Heuer!
    Heuer: Die Upload-Filter, die kennen Nutzer ja schon von YouTube zum Beispiel. Sie verhindern, dass ich Inhalte ansehen kann. Ist die Reform deshalb schlecht für Nutzer?
    Grassmuck: Die Reform führt ja dazu, dass das, was YouTube heute mit dem Content-ID-System bereits macht, nämlich Rechteinhabern anzubieten, ihre Werke zur Überprüfung vorzulegen und dann Nutzeruploads dagegen zu überprüfen, dieses System soll jetzt generalisiert werden. Also umgekehrt, alles, was keine nachweisbare Lizenz hat, soll zukünftig gesperrt werden. Das dreht das Verhältnis gewissermaßen um. Heute verwenden Rechteinhaber das vor allen Dingen für neue Kinofilme, neue Musikveröffentlichungen. RTL beispielsweise gibt sämtliche Fernsehbeiträge in dieses Filtersystem ein. Das ist die Entscheidung dieser Rechteinhaber. Das lässt aber eine Menge an Werken zu für die Weiterverwendung, für die Kommentierung, auch für Parodien beispielsweise, die Kommentierung von tagesaktuellen Ereignissen anhand von Nachrichtenmaterial. All das wird durch die neue Regelung deutlich schwieriger, wenn nicht gar ganz unmöglich.
    Geld für die Zuführung von Nutzern
    Heuer: Was heißt das denn ganz konkret? Was kann ich nicht mehr lesen? Zeitungskommentare?
    Grassmuck: Das ist noch eine andere neue Regelung, das Presseleistungsschutzrecht. Hier geht es um ein Lex Google, also Google News wird hier besonders angegangen mit der Vorstellung der Zeitungsverleger, dass hier Geld verdient wird mit den Überschriften und den Links, kurzen Texthinweisen zu Zeitungsartikeln im Netz. Diese Links führen den Zeitungsverlagen natürlich Nutzer zu, und nun möchten die Zeitungsverlage aber von den Nachrichtenaggregatoren und insbesondere von Google dafür Geld bekommen, dass sie ihnen Nutzer zuführen.
    "Führt nicht dazu, dass den Verlagen Einnahmen entgehen"
    Heuer: Na ja, Herr Grassmuck, da greife ich mal ein. Das kann man ja eigentlich verstehen, weil da haben ja Leute auch gearbeitet. Geht denn für den Nutzer dadurch, dass Leistung auch bezahlt wird, dann aber in der Praxis ganz viel verloren im Netz?
    Grassmuck: Die Leistung für diese journalistischen Beiträge ist ja bereits bezahlt worden, und dadurch, dass Google die Überschriften und die Links dazu in seiner Suchmaschine für Nachrichten präsentiert, führt ja nicht dazu, dann den Verlagen Einnahmen entgehen. Wer den Artikel lesen möchte, muss ja weiterhin auf die Originalsite beim Zeitungsverlag gehen und wird dort auch die Werbung, die von den Zeitungsverlagen geschaltet wird, sehen oder beispielsweise angezeigt bekommen, das ist nur ein Teasertext, und wenn du den gesamten Text lesen möchtest, dann bezahle uns bitte fünf Euro beispielsweise, und dann wird das freigeschaltet. Diese Geschäftsmodelle werden durch die Google-Suchmaschine ja nicht verhindert, sondern im Gegenteil ermöglicht. Die Erfahrung mit der Einführung eines solchen Presseleistungsschutzrechtes in Deutschland, aber auch in Spanien, war ja, dass die Verlage gar nicht drauf bestanden haben, dass Google dafür bezahlt, denn sie haben festgestellt, dass ihnen eine Menge Klicks und eine Menge Besucherverkehr auf ihren Seiten dadurch abhandenkommt, wenn Google sagt, wir bezahlen nicht für Links, grundsätzlich nicht, und wenn ihr darauf besteht, dann nehmen wir eure Angebote aus Google News raus.
    Heuer: Und das, vermuten Sie, passiert wieder. Frage, Herr Grassmuck: Stellen sich also die Verlage, die ja auf diese Reform des Urheberrechts gedrängt haben, stellen die sich damit selbst ein Bein?
    Grassmuck: Das ist nach den Erfahrungen, die wir in Deutschland und in Spanien gemacht haben, erwartbar genau so.
    Weniger Nachrichten durch das Presseleistungsschutzgesetz
    Heuer: Wie groß ist der Schaden für den Nutzer?
    Grassmuck: Der Nutzer, die Nutzerin wird natürlich weniger Nachrichten sehen durch dieses Presseleistungsschutzrecht, wenn Google tatsächlich so weit geht, Google News für ganz Europa abzuschalten. Also die Sichtbarkeit von Nachrichten wird dadurch deutlich gesenkt. Die große Frage ist aber, wie mit Zitaten aus Presseprodukten in anderen Bereichen, beispielsweise in der Wikipedia, auf persönlichen Blogs und so weiter, umgegangen wird. Für Upload-Filter gibt es hier gewisse Ausnahmen für kleine Sites, für neue junge Sites, die sich erst mal etablieren. Beim Presseleistungsschutzrecht ist das nicht der Fall. Das heißt, auch, wer sich auf einen Tageszeitungsartikel bezieht und auch nur einen Satz, mehr als einzelne Wörter daraus zitiert, die Überschrift, die Autoren und den Link angibt, läuft Gefahr, dann mit Forderungen konfrontiert zu werden, für dieses Zitat zu bezahlen.
    Heuer: Also unterm Strich weniger Angebote für die Nutzer. Eigentlich sagen Sie, jedenfalls kein Vorteil für die Verlage. Dann bringt dieses Urheberrecht, das neue, überhaupt nichts. Soll es weg?
    Grassmuck: Ich glaube, das ist beim aktuellen Stand der Verhandlungen, die einzig sinnvolle Lösung. Das europäische Urheberrecht, das wir heute haben, kommt im Wesentlichen ja aus dem Jahr 2001. Da ist medientechnologisch und praktisch sehr viel passiert in der Zwischenzeit. Also eine Erneuerung des europäischen Urheberrechts wäre dringend notwendig, aber nach der Verwässerung der guten Aspekte, die hier verfolgt worden sind, nicht zuletzt ein Recht der Urheber auf angemessene Vergütung, selbst das ist verwässert worden, "total Buyouts" durch die Verlage, durch die Verwerter sind weiterhin möglich. Also unter den gegebenen Verhandlungsumständen würde ich sagen, eine Ablehnung des gesamten Paketes ist die richtige Lösung.
    Heuer: Volker Grassmuck, Mediensoziologe und Publizist, war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Grassmuck, haben Sie Dank dafür!
    Grassmuck: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.