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"Euro-mediterrane Partnerschaft"
Viele schöne Worte, aber nichts Konkretes

Es war ein Schritt voller Optimismus, als vor 20 Jahren die damals 15 EU-Staaten mit zwölf Mittelmeer-Anrainern zusammenkamen, um über einen Prozess des Friedens und der gemeinsamen Entwicklung zu debattieren. Am 28. November endete die Konferenz in Barcelona mit einer gemeinsamen Erklärung - die inhaltlich aber nicht viel zu bieten hatte.

Von Andreas Baum | 28.11.2015
    Marokkaner blicken über die Klippen von Tanger nach Europa.
    Marokkaner blicken an der Straße von Gibraltar über die Klippen von Tanger nach Europa. Vor 20 Jahren gab es einen Versuch, dass die Mittelmeer-Anrainer sich näher kommen. (picture alliance / dpa / Robert B. Fishman)
    "Tiene la palabra el presidente del gobierno de España."
    Am letzten Tag der Konferenz von Barcelona erteilte der Vorsitzende dem Gastgeber das Wort, dem Ministerpräsidenten Spaniens.
    "Vielen Dank. Exzellenzen, Ministerinnen und Minister, meine Damen und Herren. Es erfüllt mich mit großer Zufriedenheit, diese euro-mediterrane Konferenz zu schließen. Möge man sich an Barcelona erinnern als Aufruf zu Einigkeit und Fortschritt."
    Felipe González hatte am 28. November 1995 allen Grund, an die Einigkeit der Zuhörer zu appellieren. Seit der Tagung des Europäischen Rates im französischen Cannes ein halbes Jahr zuvor waren Referenten hinter den Kulissen hoch beschäftigt gewesen, um 27 Staatenlenker zu einem gemeinsamen Standpunkt zu bringen. Ihr Ergebnis war die Proklamation einer "Euro-Mediterranen Partnerschaft", in watteweichen Worten, die vor allem keinem wehtun wollten.
    "Die Partnerschaft gründet auf dem Geist der Solidarität und der Achtung der Besonderheiten jedes einzelnen Partners. Sie ergänzt die anderen zur Sicherstellung von Frieden, Stabilität und Entwicklung in der Region eingeleiteten Aktionen und Initiativen."
    Eingeladen hatten die damals 15 Mitgliedsländer der Europäischen Union zwölf Länder mit Küste zum Mittelmeer - mit Ausnahme des ehemaligen Jugoslawien, dessen Zerfall noch anhielt. Auch erbitterte Feinde wie Israel und Syrien saßen in Barcelona an einem Tisch. Hans Jörg Krieger, Korrespondent des Deutschlandradios, bei der Konferenz von Barcelona.
    "Einmal soll ein politischer Dialog mit den südlichen und östlichen Mittelmeeranrainern in Gang gesetzt werden, zweitens will man das gegenseitige Verständnis vorantreiben und drittens die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern fördern. Für Letzteres stellt die EU bis zur Jahrhundertwende eine beachtliche Summe zur Verfügung."
    Freizügigkeit wurde nicht gewährt
    Das Vorläufermodell, die Konferenz von Helsinki, war ohne Frage erfolgreich gewesen. Sie hatte zum Ende der Blockkonfrontation geführt. Nun wollte man unter den Mittelmeerländern ähnliches bewirken. Dafür sah die EU eine Summe von neun Milliarden Mark vor, bis zum Jahr 2010 sollte der so genannte Barcelona-Prozess in eine Freihandelszone münden. Wandel durch Handel, das Erfolgsrezept der Entspannungspolitik zwischen Ost und West, würde die Sphäre europäischen Wohlstands irgendwann bis tief in die Sahara hinein ausdehnen. Soweit die Theorie. Denn schon 1995 erkannten Beobachter wie Michael Stabenow, Journalist der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass es zur Utopie ein Kleingedrucktes gab.
    "Auf Drängen Deutschlands und anderer EU-Staaten vereinbarten die Teilnehmer eine allgemeine 'Rückführungsklausel', die der Zuwanderung aus dem südlichen Mittelmeerraum nach Europa Schranken setzen soll. Staatsangehörige, die sich widerrechtlich in einem EU-Land aufhalten, müssen wieder aufgenommen werden."
    Was die EU den osteuropäischen Ländern nach dem Ende des Warschauer Paktes angeboten hatte, einen Weg zur Freizügigkeit, gewährte sie den nordafrikanischen Ländern nicht. Man wollte die Märkte, die Menschen aber nicht. Die Zollschranken für Einfuhren aus Nordafrika und der Levante wurden nicht gesenkt – und Exportsubventionen, durch die diese Länder mit billiger Ware überschwemmt wurden, nicht abgeschafft. So hatte die Konferenz, als sie begann, Ähnlichkeit mit einer Operettenaufführung. Keines der Probleme, so sah es der Zeitungsautor Wolfram Weimer, war gelöst.
    Der "Geist von Barcelona" war flüchtig
    "Auf dem Mittelmeergipfel von Barcelona geht es zu wie in einem Potemkinschen Dorf. Die Außenminister speisen Mittelmeerfisch, um wenigstens eine konkrete Gemeinsamkeit zu erspüren. In einer Marathonsequenz aus 27 Reden loben sie wortreich den 'Geist von Barcelona'. Flüchtig freilich ist er, dieser Geist."
    Der Kongress tanzte, aber er entschied nichts. Ein Helsinki-Prozess für den Mittelmeerraum - das schien mit diesen Europäern, denen es um schöne Worte ging, nicht aber um Veränderung, unmöglich. Am Ende der Konferenz von Barcelona waren viele Beobachter der Meinung, dass sie gescheitert war. 2005, bei der Nachfolge-Konferenz, war von den vielen Utopien nur noch ein Thema übrig. Benita Ferrero-Waldner, Außenministerin Österreichs, formulierte es:
    "Auf der einen Seite muss man legale Einwanderung fördern. Aber auf der anderen Seite die illegale Einwanderung wirklich abdrehen. Wir haben 75 Millionen Euro bereits für marokkanische Grenzverstärkung ausgegeben."
    Heute zeigt sich die Brisanz dieser Forderung, die vor allem durch den Bürgerkrieg in Syrien zum Prüfstein für die Zukunft der EU geworden ist.