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'Euro wird noch weiter steigen'

Meurer: Politisch ist Europa nach dem Irak-Krieg geschwächt. Der Riss in der EU hat gezeigt, dass Europas Einfluss auf die Weltpolitik schwach ist. Aber dafür ist der Euro stark, und zwar stärker denn je. Gestern lag er bei 1,14 Dollar, jetzt ist er etwas gesunken und liegt bei ungefähr 1,13 Dollar. Vor diesem Hintergrund kommt heute der europäische Zentralbankrat in Frankfurt am Main zusammen. Der starke Euro, die Zinsen in Euroland, der schwache Dollar - über die Folgen für den deutschen Export und Import möchte ich mich mit Anton Börner unterhalten. Er ist der Präsident des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandels. Guten Morgen, Herr Börner!

    Börner: Guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: Heute erwartet niemand so recht, dass die europäische Zentralbank die Zinsen senkt. Sollte sie es trotzdem tun?

    Börner: Wir erwarten auch nicht, dass die Zinsen gesenkt werden. Ich bin auch nicht dafür, weil das relativ wenig bringen wird. Der Euro wird, unserer Voraussage nach, noch weiter steigen. Wir haben schon im November letzten Jahres gesehen, dass wir in diese Richtung kommen und haben das auch unseren Exporteuren immer wieder gesagt. Sie sollten sich auf einem niedrigen Niveau absichern. Das haben wohl die meisten gemacht. Insofern können wir auf diesem Niveau in dieser Zeit oder in den nächsten Monaten ganz gut leben.

    Meurer: Wo geht die Reise des Euro denn noch hin? Meinen Sie er steigt noch auf 1,20 Dollar oder womit rechnen Sie?

    Börner: Wir rechnen seit Januar dieses Jahres damit, dass wir zum Jahresende zwischen 1,18 und 1,20 Dollar zu stehen kommen. Wir sehen aber mittelfristig durchaus einen noch stärkeren Euro. Wir raten unseren Exporteuren, sich bei jeder Korrektur, die wir ja immer sehen, dann wieder abzusichern, so etwas geht ja nicht in einer Einbahnstraße senkrecht nach oben, so dass man gut Positionen im 12- bis 15-Monatsbereich vor sich herschieben kann.

    Meurer: Mal möglichst einfach erklärt, wie funktioniert das mit dem Absichern und den Termingeschäften?

    Börner: Es ist relativ einfach zu erklären. Wenn der Kurs für einen persönlich günstig ist, dann kauft oder verkauft man auf Termin, also auf drei, sechs, zwölf oder fünfzehn Monate die Summen, die man braucht. In der Regel kann man das insofern gut kalkulieren, weil man ja in etwa seinen Umsatz prognostizieren kann. Damit weiß man auch, über welche Geldbeträge man dann verfügen muss.

    Meurer: Wenn Sie sagen, die meisten Exportfirmen haben auf Ihre Warnungen gehört, sehen Sie dann die Situation im Moment relativ gelassen für den deutschen Export?

    Börner: In der Tat sehen wir die Situation relativ gelassen. Viele sind sehr optimistisch, was den Außenhandel für dieses Jahr betrifft. Wir rechnen mit einem Wachstum von vier Prozent.

    Meurer: Warum hört man aus der Metallindustrie eher kritischere Stimmen. Der Präsident von Gesamtmetall, Martin Kannegießer, sagt zum Beispiel, die Situation würde die exportorientierten Firmen doch sehr beeinträchtigen.

    Börner: Natürlich beeinträchtigt es jeden Unternehmer, wenn die Wettbewerbssituation schwieriger wird. Wenn wir es aus der reinen Cashmanagementsituation sehen, und man die Entwicklung aus der Vergangenheit richtig beurteilt hat, meine ich, dass man auf diesem Niveau unter der Voraussetzung, dass man sich abgesichert hat, leben kann. Wenn man das natürlich nicht getan hat, dann wird es eng. Wir haben auch immer gewarnt, dass es bei einem Euro über 1,10 Dollar für den deutschen Außenhandel eng wird. Wir waren ja noch vor wenigen Tagen oder wenigen Wochen weit unter 1,10 Dollar. Wenn man auf die Warnung gehört hat, kann man heute durchaus relativ gut schlafen. Aber es ist in der Tat so, dass alles, was langfristig über 1,10 Dollar ist, ist für den deutschen Außenhandel schwierig. Gerade für Firmen, die bis weit in die Zukunft ihre Preise halten müssen, davon ist natürlich der Maschinenbau betroffen, haben schon damit zu kämpfen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Euro langfristig stark werden wird oder sogar noch mehr steigen wird, ist das in der Tat für eine langfristige Kalkulation ein Problem.

    Meurer: Wie positiv ist denn umgekehrt der Effekt, dass durch den starken Euro Importe günstiger werden.

    Börner: Den Effekt muss man sehr stark sehen, weil immer auch im Zusammenhang mit den sinkenden Ölpreisen noch mehr Preisnachlässe kalkulatorisch wirksam werden, weil der Ölimport oder der Energie-Import wesentlich entlastet wird. Auf der anderen Seite, ist natürlich mit 570 Milliarden Euro Import eine Entlastung auf der Einkaufsseite auch eine Kostensenkung und auch eine Kostenentlastung.

    Meurer: Also letztendlich profitieren auch die Exporteure davon, wenn sie billiger importieren können.

    Börner: Das ist eben die Frage. Wenn der Exporteur vorher importiert, dann profitiert er davon. Dann muss er natürlich aus dem Dollar-Raum importieren. Wenn er aus dem Euro-Raum importiert, hat er den Effekt nicht. Viele Exporteure importieren aber nicht, sondern verkaufen Güter, die in Deutschland produziert werden ins Ausland, also exportieren ausschließlich, und dann haben sie natürlich keinen Effekt davon.

    Meurer: Wer hat etwas davon, wenn das Öl billiger wird, der Verbraucher, der zur Tankstelle fährt? In welchem Unfang hat auch die Industrie oder die deutsche Wirtschaft etwas davon?

    Börner: Im Ergebnis profitieren wir alle, Verbraucher und Wirtschaft gleichermaßen, weil der Inflationsdruck aus der Wirtschaft herauskommt. Das bedeutet auch, dass wir mit stärkerem Euro tendenziell sinkende Zinsen sehen werden. Wir rechnen also auch damit, dass die EZB im Laufe dieses Jahres noch mal die Zinsen senken wird. Die Möglichkeit ist eben dadurch gegeben, dass wir keinerlei Inflationspotential aufbauen.

    Meurer: Und die Zinsen im Laufe des Jahres zu senken, wäre schon in Ihrem Sinne.

    Börner: Selbstverständlich, sinkende Zinsen sind immer gut bei nicht Nicht-Vorhandensein einer Inflation, so dass es einen entsprechenden Anreiz auch bei den Verbrauchern gibt. Nehmen wir mal an, den am Boden liegenden Bausektor würde das stützen, weil die Hypothekenzinsen und dann die Kosten insgesamt heruntergehen. Das betrifft auch die Verbraucherkredite. Davon würde jeder profitieren.

    Meurer: Vielen Dank, Herr Börner!

    Link: Interview als RealAudio