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Europa
Berlin und Prag vereinbaren engere Kooperation

Angesichts der Krisen in Europa rücken die Nachbarländer Tschechien und Deutschland näher zusammen. In Berlin treffen sich die Außenminister beider Länder, um ein Abkommen über den neuen strategischen Dialog zu unterzeichnen.

Von Stefan Heinlein | 03.07.2015
    Lubomir Zaoralek ist stolz. Das neue Abkommen mit dem großen Nachbarland Deutschland ist für den tschechischen Außenminister ein Höhepunkt seiner bisherigen Amtszeit. Ein Erfolg umfangreicher diplomatischer Verhandlungen mit Berlin.
    "Wir sind sehr froh über dieses Abkommen. Die Beziehungen zu Deutschland sind für Tschechien sehr wichtig. Die Suche nach einer gemeinsamen Zukunftsstrategie hat für uns eine zentrale Bedeutung. Ich hoffe persönlich, das unsere gute Nachbarschaft eine neue Qualität erhält."
    Die Grundlage der Beziehungen war bisher die deutsch-tschechische Erklärung von 1997. Darin wurden die Stolpersteine der Vergangenheit aus dem Weg geräumt. Die Gräueltaten während der NS-Besatzung und die Vertreibung der rund drei Millionen Sudetendeutschen sollten nicht länger das Verhältnis der beiden Nachbarländer prägen. Doch 70 Jahre nach Kriegsende wird es Zeit für ein neues Kapitel der bilateralen Beziehungen, so der sozialdemokratische Politiker.
    "Wir wollen den Blick ganz in die Zukunft richten. Es geht um einen Ausbau der konkreten Zusammenarbeit etwa in den Bereichen Verkehr, Energie und Forschung. Dazu gibt es auf unserer Seite ein sehr großes Interesse."
    Kurs zurück in die Mitte Europas
    Tatsächlich gilt Prag als Motor der Verhandlungen mit Berlin. Anders als die EU-feindlichen Vorgängerregierungen steuert die amtierende Mitte-links-Regierung seit Anfang letzten Jahres einen pragmatischen Kurs zurück in die Mitte Europas. Erst diese neue Rolle in Brüssel öffnete auch die Tür für den Dialog mit Berlin, ist der Politikwissenschaftler Vladimir Handl überzeugt. Mit dem neuen Abkommen hoffe die Prager Regierung, nun die Früchte dieser außenpolitischen Kehrtwende zu ernten:
    "Deutschland ist der wichtigste Partner der tschechischen Politik und Wirtschaft. Schon jetzt gibt es eine praktische Zusammenarbeit auf vielen Ebenen. Der neue strategische Dialog soll diese bestehende Zusammenarbeit in allen Bereichen vertiefen und verbreitern und ihr eine langfristige strategische Vision geben."
    Die konkrete Ausgestaltung dieser verbesserten Zusammenarbeit soll künftig unter der Aufsicht der beiden Regierungschefs von den einzelnen Ministerien ausgearbeitet werden. Aber auch die Länder und Gemeinden sowie die Zivil- und Bürgergesellschaft sollen noch stärker in diesen bilateralen Dialog eingebunden werden. Gerade in diesem Bereich gebe es durchaus noch Nachholbedarf:
    "Die Bürger müssen Teil dieses Dialogs werden. Die Nachhaltigkeit der deutsch-tschechischen Beziehungen muss auch auf dieser Ebene wachsen. Es geht also nicht nur um die Politik, sondern auch um das Vertrauen zwischen beiden Gesellschaften."
    Besserer Dialog in Europa angestrebt
    Angesichts der aktuellen Ukrainekrise und der weiter ungelösten Flüchtlingsfragen stehe Europa vor großen Bedrohungen, so Außenminister Zaoralek. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Tschechien sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Lösung dieser Probleme:
    "Ich hoffe, die tschechisch-deutschen Beziehungen können zu einem besseren Dialog in Europa beitragen. Nur gemeinsam können wir ein starkes Europa schaffen, das in der Lage ist die Herausforderungen der Zukunft zu meistern."