Archiv

Tschechien und Slowakei
Widerstand gegen die Flüchtlingsquote

In Brüssel droht heute ein harter Schlagabtausch über den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Plan zur Verteilung von 40.000 Flüchtlingen auf alle 28 EU-Länder. Vor allem Tschechien und die Slowakei wehren sich dagegen - aus Angst vor den Folgen einer strikte Quotenregelung. Auch auf der Straße wächst der Protest gegen Brüssel.

Von Stefan Heinlein |
    Eine Schulbank mit einem Globus, im Hintergrund eine Weltkarte
    Wie sollen die Flüchtlinge verteilt werden? Tschechien und die Slowakei setzen auf Freiwilligkeit. (dpa / picture alliance / Wolfram Kastl)
    "Wir sind hier zuhause - Die Slowakei den Slowaken." Mehrere tausend Menschen folgen in Bratislava dem Aufruf ultranationalistischer Gruppen zum Protest gegen die europäischen Flüchtlingsquoten. Das Diktat aus Brüssel muss verhindert werden, so die Forderung vor dem Absingen der Nationalhymne.
    Der lautstarke Protest in Bratislava ist ein Spiegelbild der Stimmung in der slowakischen Gesellschaft. Zwei Drittel der Bevölkerung ist gegen die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Flüchtlingsquoten. Auch im Parlament gibt es keine andere Meinung. Parteiübergreifend wird in einer Sondersitzung der Brüsseler Vorschlag abgelehnt. Ministerpräsident Robert Fico kündigt an, die nationalen Interessen seines Landes zu verteidigen:
    "Es gibt den Verdacht, einige EU-Länder versuchen ihr Flüchtlingsproblem auf dem Rücken anderer Staaten zu lösen. Wir werden deshalb auf dem EU-Gipfel den Flüchtlingsquoten nicht zustimmen."
    Bisher fanden nur 14 Menschen Asyl in der Slowakei
    Bisher ist das kleine EU-Land eine Insel im europäischen Flüchtlingsdrama. Lediglich 14 Menschen erhielten im vergangenen Jahr Asyl in der Slowakei. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll das Land deshalb in kommen beiden Jahren rund 800 Menschen aus Syrien und Eritrea aufnehmen. Doch der Sozialdemokrat Fico ist nicht bereit diese Zahl zu akzeptieren und droht mit einer Volksabstimmung:
    "Die Quoten werden das Problem nicht lösen. Es ist eine Einladung an die Schlepperbanden. Man muss die Flüchtlingsfrage deshalb in den Ländern lösen, wo sich die Migranten versammeln. Wir brauchen Ärzte, Polizisten und humanitäre Hilfe."
    "Ein pathologischer Hass gegen Flüchtlinge"
    Eine eindeutige Haltung, die auch im Nachbarland Tschechien geteilt wird. Regierung und Opposition kritisieren im Parlament gemeinsam die europäische Quotenregelung. Die Redner warnen eindringlich vor der Gefahr, mit den Flüchtlingen islamistische Terroristen ins Land zu holen. Die Asylpolitik muss deshalb in der eigenen Hand bleiben, so Ministerpräsident Bohuslav Sobotka:
    "Die nationalen Regierungen müssen auch in Zukunft die Migrationsströme kontrollieren mit Rücksicht auf die eigene wirtschaftliche und soziale Situation. Tschechien wird deshalb die Quoten ablehnen und nur freiwillig eine gewisse Zahl von Flüchtlingen aufnehmen."
    Ein Standpunkt, der in einer Resolution von allen vier in der Visegrad-Gruppe vereinten Länder Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei geteilt wird. Gemeinsam wollen die Regierungschefs auf dem EU-Gipfel dem Druck aus Brüssel standhalten. Nur wenige Stimmen fordern eine Kehrtwende der strikten Asyl- und Flüchtlingspolitik. Die Regierungen müssten den Mut haben, auch gegen die Mehrheit der Bevölkerung Menschen in Not zu helfen, so der ehemalige tschechische Dissident Tomas Halik:
    "Das ist unsere moralische Pflicht. Wir müssen mit den anderen EU-Ländern solidarisch sein. Doch bei uns wächst überall ein pathologischer Hass gegen Flüchtlinge. Es ist paradox. Wir sind ein Land in dem es eine riesige Angst vor Muslimen, gibt obwohl bei uns kaum Muslime leben."
    Tatsächlich wohnen in Tschechien mit seinen 10,5 Millionen Einwohnern nur rund 12.000 Muslime. Der Ausländeranteil liegt mit etwa vier Prozent weit unter dem europäischen Durchschnitt. Auch in der Slowakei ist die Zahl der Ausländer mit 1,4 Prozent deutlich geringer als in fast allen anderen EU-Ländern.