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Europa-Rede
Von der Leyen fordert EU zu mehr Selbstbewusstsein auf

Trotz der Kritik von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hat Ursula von der Leyen die Nato als mächtigstes Verteidigungsbündnis der Welt bezeichnet. In ihrer Europa-Rede forderte die künftige EU-Kommissionschefin unter anderem auch eine europäische Perspektive für den Westbalkan.

Von Nadine Lindner | 09.11.2019
Europa-Rede der designierten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am 8.11.2019 in Berlin
Europa-Rede der designierten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am 8.11.2019 in Berlin (AFP / Tobias Schwarz)
Die Europäische Union muss selbstbewusster und energischer auftreten, wenn sie sich in der Welt behaupten will. Das ist eine der Kernbotschaften von Ursula von der Leyen am Abend in Berlin.
"Europa muss auch die Sprache der Macht lernen."
Dabei geht es ihr vor allem um Sicherheits- aber auch Handelspolitik. Während ihrer mit Spannung erwarteten Europa-Rede vor der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung sagte sie:
"Eigene Muskeln aufbauen, wo wir uns lange auf andere stützen konnten, zum Beispiel in der Sicherheitspolitik. Zum anderen die vorhandene Kraft gezielter einsetzen, wo es um europäische Interessen geht."
Zur Nato, die der französische Präsident Emmanuel Macron in einem viel kritisierten Interview als "hirntot" bezeichnet hatte, fand von der Leyen deutlich positivere Worte, sie bleibe das mächtigste Verteidigungsbündnis der Welt:
"Ich finde, die Nato hat sich bei allen Holprigkeiten bis in die letzten Wochen hinein hervorragend als Schutzschirm der Freiheit bewährt. Die langen Linien zählen."
Dem Westbalkan eine europäische Perspektive bieten
Russland hingegen verschiebe Grenzen mit Gewalt, so die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin. Mehrere künftige Herausforderungen benannte die gewählte, aber noch nicht amtierende EU-Kommissionspräsidenten in ihrer Rede: Dazu zählt sie die mögliche Erweiterung der EU auf dem Westbalkan wie Nordmazedonien und Albanien. Im Oktober konnte sich die EU, nicht auf Beitrittsverhandlungen einigen. Die EU müsse dort strategischer vorgehen, so von der Leyen:
"Wenn wir Europäer dem Westbalkan keine Perspektive an unserer Seite geben, dann werden andere in diese Lücke stoßen, seien es China, Russland oder die Türkei oder Saudi-Arbabien."
Von der Leyen wies in ihrer Rede auch auf Stärken der Europäischen Union hin, wie in der Handelspolitik: "Gemeinsam sind wir die größte Handelsmacht der Welt. "
Strebt "Green New Deal" an
Auch bei der Datenschutzgrundverordnung habe die EU gute "Pionierarbeit" geleistet. Ein konkretes Vorhaben formulierte von der Leyen in der Umweltpolitik. Europa soll bis 2050 klimaneutral werden – und das verbindlich:
"Und deshalb werde ich das erste europäische Klimaschutzgesetz vorlegen, das dieses politische Ziel in verbindliches Recht übersetzt.
Von der Leyen hatte bereits vor ihrer Wahl im Sommer einen Green New Deal innerhalb der ersten 100 Tage im Amt angekündigt, die Klimapolitik werde eine ihrer entscheidenden Aufgaben.
Bereits am Nachmittag hatte von der Leyen in einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel einen neuen Anlauf für ein EU-Asyl-Paket betont, den sie nun noch einmal bekräftigte.
Von der Leyen: "Migration wird bleiben"
"Ich habe seit dem Sommer viele Gespräche mit Staats- und Regierungschefs geführt. Allen ist klar, dass Europa so nicht weitermachen kann. Auch denjenigen, die blockieren, ist klar, dass das Phänomen der Migration nicht einfach weg geht. Migration wird bleiben. Und die gute Nachricht ist, sie wollen zurück an den Tisch und sie wollen über nachhaltige Lösungen sprechen."
Der Vorschlag für einen neuen Migrationspakt soll schon im ersten oder zweiten Quartal 2020 kommen. Ab Juli 2020 übernimmt Deutschland den Ratsvorsitz, in dieser Zeit kann Berlin also eigene Prioritäten für die europäische Union formulieren und auf Problemlösungen drängen, zum Beispiel bei der Migrationspolitik.
Allerdings muss sich von der Leyen noch etwas gedulden. Nach dem Scheitern von mehreren möglichen Kommissaren im Europäischen Parlament musste der Start der neuen Kommission auf den 1. Dezember verschoben werden. Trotzdem trat von der Leyen am Abend in Berlin sehr selbstbewusst auf und erhielt langen Applaus.