Freitag, 29. März 2024

Archiv

Europäische Flüchtlingspolitik
Was tun gegen Salvinis "Eskalationsstrategie"?

Italiens Innenminister Matteo Salvini fährt einen harten Kurs gegenüber Flüchtlingen und droht der EU. Der Migrationsforscher Gerald Knaus plädiert dafür, dass sich andere EU-Regierungen zusammenschließen und bei der Flüchtlingspolitik selbst organisieren - als eine Art Mini-Europa in Europa.

Von Karin Bensch | 29.08.2018
    Viktor Orban (l.) und Matteo Salvini
    Wollen in der EU eine Allianz der Migrations-Gegner schmieden: Viktor Orban (l.) und Matteo Salvini (AP)
    Am Anfang waren es die Rettungsschiffe privater Hilfsorganisationen. Danach kamen die Schiffe der italienischen Küstenwache. Nun sollen es die Schiffe des EU-Militäreinsatzes "Sophia" werden. Die italienische Regierung würde am liebsten allen, die Flüchtlinge an Bord haben, das Anlegen in italienischen Häfen verbieten. Das Ziel ist es, dass überhaupt niemand mehr von ihnen nach Italien kommt, sagt Gerald Knaus von der Denkfabrik "Europäische Stabilitäts-initiative" in Berlin. Er gilt als Vordenker der EU-Türkei-Vereinbarung.
    "Das Wichtigste ist zu sehen, dass Matteo Salvini, der italienische Innenminister, seit Anfang Juni eine klare Eskalationsstrategie verfolgt, die ihm in den Umfragen, bei den Beliebtheitswerten, bis jetzt genützt hat."
    Konfrontation mit Brüssel zahlt sich aus
    Der Fall "Diciotti" ist gelöst. Doch was passiert, wenn das nächste Rettungsschiff mit Bootsflüchtlingen an Bord in Italien anlegen will? Es wird erneut Ärger geben, denn für den italienischen Innenminister Matteo Salvini zahlt sich die Konfrontation mit Brüssel und anderen EU-Ländern innenpolitisch aus, meint der Migrationsforscher.
    "Bei jedem Boot kann er sich profilieren als Verteidiger der italienischen Interessen. Und bei jedem Flüchtling, der außerhalb Italiens aufgenommen wird, kann er sich wiederum feiern lassen, die anderen Europäer endlich gezwungen zu haben, etwas zu tun."
    Ähnlich wie sich Polen und Ungarn seit einigen Jahren gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sperren, blockieren nun Italien und Malta. In den meisten dieser Länder sind Populisten und Rechte an der Regierung. Diese Politiker werden mit Blick auf die Europawahl im Mai nächsten Jahres nichts tun, um Krisen in Europa zu entschärfen, meint Gerald Knaus.
    "Im Gegenteil. Von diesem Gefühl der ständigen Bedrohung durch eine Masseninvasion, die es ja in den letzten Monaten gar nicht mehr gab, aber die hochgespielt wird, profitieren sie politisch."
    Mini-Europa in Europa?
    Was tun? Der österreichische Migrationsforscher plädiert dafür, dass sich die Regierungen, die Lösungen wollen, zusammenschließen und selbst organisieren. Als eine Art Mini-Europa in Europa. Dazu zählt er vor allem Deutschland, Frankreich, Spanien, Dänemark und die Niederlande. Knaus schlägt Flüchtlingszentren in Spanien, auf Korsika und Malta vor. Dort sollten die ankommenden Flüchtlinge schnelle Asylverfahren durchlaufen. Vorbild dafür - die Niederlande. Abgelehnte Asylbewerber sollten aus diesen Aufnahmezentren direkt abgeschoben werden. In Spanien würde das wohl für die meisten Migranten gelten, denn sie fliehen vor allem wegen der schlechten Wirtschaftslage aus ihrer Heimat Nordafrika. Die wenigen Flüchtlinge, die ein Recht auf Asyl haben, sollten dann auf einige EU-Länder verteilt werden, die sich dazu bereit erklärt haben, schlägt Knaus vor.
    "Der spanische Außenminister hat ja vor wenigen Wochen in einem Interview angedeutet, dass Spanien und die Regierung in diese Richtung denken. Man wird jetzt sehen, ob andere Regierungen wie Frankreich, Deutschland und die Niederlande hier bereit sind, konkret etwas zu planen."
    Plan mit Fallstricken
    Der Plan klingt einfach. Aber auch er hat Fallstricke. Es bleibt das Problem, dass viele afrikanische Länder ihre geflüchteten Landsleute nicht zurücknehmen wollen. Schlepper würden mit diesem Modell nicht daran gehindert, ihr kriminelles Geschäft weiterzuführen. Und: Es bleibt die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer. Die europäische Flüchtlingspolitik – sie ist kompliziert. Vielleicht reicht ein Masterplan nicht aus, weil es die eine Lösung für alles gar nicht gibt. Aber: Gerald Knaus' Plan könnte ein Ansatz für mehr Bewegung statt mehr Blockade sein.