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Europäische Zentralbank
"Die Ausweitung der Liquidität braucht ein Ende"

Nach Ansicht des Obmannes der Union im Finanzausschuss, Hans Michelbach, ist EZB-Chef Mario Draghi mit seiner umstrittenen Geldpolitik gescheitert. Die Ausweitung der Liquidität durch den Kauf von Staatsanleihen führe in eine Haftungs- und Schuldenunion, sagte der CSU-Politiker Hans Michelbach im Deutschlandfunk.

Hans Michelbach im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 29.09.2016
    Hans Michelbach von der CSU
    Hans Michelbach von der CSU (imago/Sven Simon)
    EZB-Chef Mario Draghi habe keine Antwort darauf, wie die Zentralbank den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen beenden wolle, betonte Michelbach. Die Maßnahmen führten letzlich zur Ausdehnung der Solidarhaftung. Die Menschen wollten aber keine Eurobonds, merkte Michelbach an. EZB-Präsident Draghi hatte gestern Abgeordneten des Deutschen Bundestags die umstrittenen Maßnahmen der Zentralbank erläutert und um Vertrauen geworben.
    Michelbach hält die Politik des billigen Geldes, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, für verfehlt. In Krisenstaaten der Eurozone sei die Arbeitslosenquote nur von 15 auf 13 Prozent zurückgegangen. Michelbach warb dafür, die Phase der Null-Zins-Politik zu beenden. "Man muss den Anreiz des billigen Geldes wegnehmen", so Michelbach. Zur Begründung verwies er auf eine seiner Ansicht nach mangelnde Reformbereitschaft der Euro-Krisenländer.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Es sollte wahrscheinlich ein Befreiungsschlag sein, gestern der Besuch von Mario Draghi im Deutschen Bundestag. Dem Chef der Europäischen Zentralbank, den haben vor allem konservative Finanzpolitiker im Visier. Er gilt als Hauptverantwortlicher für die aktuelle Niedrigzins-Politik der EZB. Er ist damit, so heißt es immer wieder, ein Feind der Sparer, und der Hauptvorwurf lautet, die europaweiten Nullzinsen, die sind eigentlich ein gigantisches Rettungspaket für marode Eurostaaten - allerdings ein Rettungspaket, dem der Bundestag nie zugestimmt hat. Mario Draghi hat nun gestern versucht, solche Vorwürfe zu entkräften.
    Am Telefon ist jetzt der CSU-Politiker Hans Michelbach. Er ist Obmann der Unions-Fraktion im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen guten Morgen, Herr Michelbach.
    Hans Michelbach: Guten Morgen.
    Armbrüster: Herr Michelbach, Sie haben vor diesem Besuch von Mario Draghi gesagt, er mache die Eurozone zu einer Schuldenhaftungs-Union und die EZB durch ihre Anleihekäufe zu einer Bad Bank. Hat Mario Draghi Sie gestern vom Gegenteil überzeugt?
    Michelbach: Er war letzten Endes positiv, dass er zu seiner Verantwortung für das Zusammenhalten der Gemeinschaftswährung gestanden ist und sich mit der Kritik auseinandergesetzt hat. Natürlich kann man auch die negative Seite sehen, dass er auf eine Ausdehnung der Solidarhaftung eigentlich setzt und dass letzten Endes diese Liquiditätsausweitung durch 2.000 Milliarden Euro Anleihekäufe natürlich irgendwo einmal endet. Und die Frage, wie das enden wird, die konnte er nicht beantworten. Wir haben dann gefragt, ob das die Eurobonds sind, die Vergemeinschaftung mit Eurobills-Einlagensicherung auf europäischer Ebene und so weiter. Da hat er keine Antwort gegeben. Das heißt, im Grunde genommen ist klar, dass es diese Ausdehnung der Solidarhaftung gibt und wir heute schon mit 20 Prozent bei den Staatsanleihen, die die EZB hat, haften, 100 Prozent bei den Unternehmensanleihen. Also Deutschland hat letzten Endes die Haftung und wir gehen in eine Haftungs- und Schuldenunion. Das wurde leider nicht ausgeräumt oder wollte er und konnte er auch nicht ausräumen.
    "Der Erfolg ist sehr bescheiden"
    Armbrüster: Das heißt, Sie haben nicht den Eindruck, dass Mario Draghi jetzt nach diesem Besuch irgendetwas an seinem Vorgehen, an seiner Politik ändert?
    Michelbach: Nein. Es heißt ja immer, bedenke das Ende, und wie gibt es eine Konzeption, auch letzten Endes aus dieser wirklich schwierigen Lage der Niedrigzinsphase herauszukommen. Da hat er keinerlei Vorschlag darlegen können und das war eigentlich - - Er hat sich dann immer wieder in Mahnungen geflüchtet, dass er erwartet, dass die Staaten nicht nur auf die EZB-Politik schauen, sondern auch selbst Struktur- und Finanzpolitik durchführen und durchsetzen. Aber da haben wir ihm entgegenhalten müssen, mit dieser Flutung und der Niedrigzins-Politik hat ja gerade der Staat gar keinen Anreiz, in den Krisenländern zu sparen, zu konsolidieren und eine solide, stabilitätsorientierte Finanzpolitik zu betreiben, weil er hat ja keine Belastungen.
    Armbrüster: Herr Michelbach, verzeihen Sie, wenn ich Sie da kurz unterbreche. Ist Mario Draghi denn eigentlich für diese Kritik der richtige Adressat? Er hat ja eigentlich als Chef der Europäischen Zentralbank gar keine andere Wahl, als Zinsen niedrig zu halten, Liquidität zu schaffen, wenn das Wachstum in den Euro-Mitgliedsländern einfach nicht da ist und geschaffen werden soll.
    Michelbach: Er möchte ja mit dieser Liquiditätsausweitung, also dem Kauf der Anleihen mit über 2.000 Milliarden, Wachstum erzielen. Und wir müssen ihn natürlich fragen: Was ist der Erfolg Deines Tuns und welche Folgen erzeugst Du? Und der Erfolg ist sehr bescheiden. Wir haben Wachstum, er sagt dann, ich habe in den Krisenländern die Reduzierung der Arbeitslosigkeit von ehedem 15 Prozent auf 13 Prozent reduziert. Das ist natürlich sehr bescheiden. Das ist nicht der Erfolg, den man braucht, um in der Eurozone wieder neues Vertrauen zu schaffen. Es geht ja darum, die Menschen auch mitzunehmen.
    "Man muss den Anreiz des billigen Geldes wegnehmen"
    Armbrüster: Herr Michelbach, was würden Sie denn an seiner Stelle tun?
    Michelbach: Es ist ganz klar die Quadratur des Kreises, aber es muss deutlich werden, dass diese Ausweitung der Liquidität ein Ende braucht und dass dazu auch den Menschen gesagt werden muss, ehrlich und offen, dass das nur lösbar ist mit Vergemeinschaftungen, die in Deutschland natürlich in der Bevölkerung klar abgelehnt wird. Die Menschen wollen keine Eurobonds, sie wollen keine Einlagensicherung für Konten in den Krisenländern, keine Haftung übernehmen dafür. Also ich glaube, man muss den Menschen auch neues Vertrauen geben und muss sagen, wir wollen ganz klar die Niedrigzinsphase beenden, und die Staaten, die dazu nicht mitmachen, die Banken, die dazu nicht in der Lage sind, die müssen auch die Folgen selbst tragen.
    Armbrüster: Was würde das jetzt heißen? Das heißt, wir schrauben einfach die Zinsen wieder hoch und würgen damit möglicherweise das Wachstum in vielen Staaten ab?
    Michelbach: Natürlich nicht in einem Schock. Aber man muss natürlich den Anreiz auch wegnehmen, den Anreiz des billigen Geldes, und da gibt es dann den Reformdruck, der notwendig ist, sowohl bei den Staaten wie bei den Banken.
    Armbrüster: Dann können wir festhalten, Herr Michelbach: Sie würden heute Morgen dem EZB-Chef Draghi raten, die Zinsen langsam, schrittweise wieder zu erhöhen, weil seine bisherige Zinspolitik ein Reinfall war?
    Michelbach: Die Folgen und die wirtschaftliche Erholung, die er prognostiziert, die findet so nicht statt, weil die Reformen verweigert werden, es keine Anreize gibt, auf den Pfad der Tugend zu gehen.
    "Die Politik ist gescheitert"
    Armbrüster: Das heißt, seine bisherige Politik war ein Reinfall?
    Michelbach: Die Politik ist gescheitert. Ich gebe gerne zu, dass es eine schwierige Aufgabe ist, dass es die Quadratur des Kreises ist. Aber man muss der Realität ins Auge schauen und vor allem kann man so nicht weitermachen, weil das Vertrauen in der Bevölkerung für diese Arbeit fehlt.
    Armbrüster: Ganz kurz noch, Herr Michelbach. Die Krise, die ist auch bei den deutschen Banken angekommen. Wir haben darüber berichtet. Die Commerzbank wird Tausende von Stellen streichen, die Deutsche Bank schmiert an der Börse ab. Wird es wieder Zeit, um über staatliche Bankenrettungen in Deutschland nachzudenken?
    Michelbach: Ich glaube, dass diese Diskussion sehr überzogen ist. Wir haben in der weltweiten, globalen Finanzkrise die Banken retten müssen. Wir haben dazu sicher gerade wie bei der Commerzbank, der anderen Banken die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft getätigt. Das ist jetzt auch bis auf wenige Ausnahmen in die richtige Richtung gegangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Staat so etwas wiederholt. Wir haben ja auch ein anderes Abwicklungsregime jetzt. Jetzt müssen zunächst die Gläubiger, die Eigner bei den Banken einsteigen, wenn es Krisen gibt, und nicht mehr der Steuerzahler. Das haben wir ja auf europäischer Ebene verändert durch die Bankenunion und das gilt und deswegen kann sich kein Bankmanager darauf verlassen, dass der Staat, sprich Steuerzahler einsteigt.
    Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk in den "Informationen am Morgen" war das der CSU-Politiker Hans Michelbach, der Obmann der Unions-Fraktion im Finanzausschuss des Bundestages. Vielen Dank, Herr Michelbach, für Ihre Zeit heute Morgen.
    Michelbach: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.