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Europäische Zentralbank
Überraschender Rücktritt von Lautenschläger

Die deutsche Direktorin Sabine Lautenschläger wird die Europäische Zentralbank Ende Oktober verlassen, vor allem weil sie mit der lockeren Geldpolitik von EZB-Chef Draghi nicht einverstanden ist. Die Bundesregierung müsse jetzt schnell Ersatz finden, sagt Dlf-Wirtschaftsredakteur Klemens Kindermann.

Von Klemens Kindermann | 26.09.2019
Sabine Lautenschläger-Peiter, stellvertretende Vorsitzende der EZB-Bankenaufsicht und Mitglied im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht während eines Round-Table-Gesprächs in Wien
Verlässt das Direktorium der Europäischen Zentralbank: Sabine Lautenschläger (dpa / APA / Herbert Neubauer)
Sabine Lautenschlägers Amtszeit im Direktorium der Europäischen Zentralbank hätte acht Jahre betragen und wäre erst gut zwei Jahren ausgelaufen. In dem Direktorium sitzen nur sechs Mitglieder, unter anderem Präsident Mario Draghi, und es ist laut Wirtschaftsredakteur Klemens Kindermann der operative Vorstand der EZB.
Lautenschläger ist eine der wichtigsten Personen in der EZB: Sie war bis vor kurzem auch die Vize-Chefin der EZB-Bankenaufsicht. Zudem ist sie die einzige Deutsche im Direktorium. Lautenschlägers deutschen Vorgänger Jürgen Stark und Jörg Asmussen haben ebenfalls vorzeitig ihren Posten im Direktorium verlassen.
Gibt es Gründe für den Rücktritt?
Offiziell sind keine Gründe für Lautenschlägers Rücktritt bekannt. Doch geht Dlf-Wirtschaftsredakteur davon aus, dass Lautenschläger des "Politik des billigen Geldes", die EZB-Chef Draghi verfolgt, nicht zustimmt. Sie ist eine Verfächterin der einer Normalisierung der Geldpolitik, wie sie im Interview der Woche vom Dezember 2018 deutlich machte:
"Ich werde die Erste sein, die für eine weitere Normalisierung der Geldpolitik stimmt, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen."
Draghis Vorgehen vor zwei Wochen steht dieser Auffassung konträr gegenüber: Draghi hat die Geldschleusen weiter geöffnet, die Strafzinsen für Banken erhöht und vor allem wieder mit dem Kauf von Anleihen begonnen.
Ist die Position Deutschlands in der EZB nun geschwächt?
Deutschlands Position in der EZB ist durch den Rücktritt zunächst geschwächt. Mit Bundesbank-Chef Jens Weidmann ist noch ein Deutscher im EZB-Rat vertreten. Wichtig ist aber, dass auch in der eigentlichen Chef-Zentrale der EZB, im Direktorium, Deutschland vertreten ist – immerhin die größte Volkswirtschaft der Eurozone.
Christine Lagarde, bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds, wird Anfang November EZB-Präsidentin. Sie ist ebenfalls Vertreterin einer lockeren Geldpolitik. Es sei daher jetzt Aufgabe der Bundesregierung, möglichst schnell einen Ersatz für Lautenschläger zu finden - auch um die deutsche Position zu stärken.
Gibt es schon Namen für die Nachfolge Lautenschlägers?
Lautenschläger zu ersetzen, werde nicht einfach, sagt Klemens Kindermann. "Wer das mal erlebt hat, wie die Banker in Frankfurt stramm stehen, wenn Lautenschläger bei einer Veranstaltung auftritt: Solch eine Autorität gerade am Finanzplatz Frankfurt muss man erst einmal haben."
Gut wäre natürlich wieder eine Frau. Die Bonner Professorin und Finanzmarktökonomin Isabel Schnabel möglicherweise oder Claudia Buch seien Kandidatinnen, meint Kindermann. Buch ist derzeit Vizepräsidentin der Bundesbank – und genau von diesem Posten aus war auch Lautenschläger in die EZB gewechselt.