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Europaparlamentarier fordert Lösungen, die "nicht auf eine Spaltung hinauslaufen"

Der Europaparlamentarier Elmar Brok befürwortet es, wenn einzelne Staaten zum Beispiel der Eurozone innerhalb der EU voranschreiten. Er fordert aber auch die ständige Beteiligung der verbleibenden EU-Staaten "im Rahmen der vorhandenen Institutionen".

Elmar Brok im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: "Osteuropäer warnen vor einer Spaltung der EU", so titelt die Süddeutsche Zeitung heute. Sie thematisiert an prominenter Stelle Bedenken mehrerer osteuropäischer Staaten gegen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, also dagegen, dass die Staaten der Eurozone etwa sich enger abstimmen, also schneller in der Integration voranschreiten als der Rest der EU. Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Litauen und Lettland wollen gemeinsam dagegen vorgehen und sich bis Oktober auch schriftlich positionieren.

    – Ich möchte darüber gerne sprechen mit dem CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok. Er ist dort tätig im Auswärtigen Ausschuss. Ich grüße Sie, Herr Brok.

    Elmar Brok: Grüß Gott nach Köln.

    Klein: Warnung vor einer Spaltung der Europäischen Union. Nehmen Sie diese Bedenken ernst?

    Brok: Ja, die Bedenken werden sehr ernst genommen in vielen Ländern, und das sind nicht nur die osteuropäischen Länder. Ich habe gerade heute noch gesprochen mit dem schwedischen Außenminister Carl Bildt. Die Schweden sehen das genauso, auch andere kleine Staaten. Und wir müssen klar machen, dass dieses nicht auf eine Spaltung hinauslaufen darf, sondern nur im Rahmen einer Gesamtlösung einige vorangehen, aber dass dieses komplett offen ist für alle anderen und entsprechend den Regeln und dass jeder die gleichen Zugangschancen hat, dem beizutreten. Und von daher nicht eine dauerhafte Spaltung entsteht mit neuen Institutionen und vergleichbarem.

    Klein: Dauerhafte Spaltung sicherlich nicht, aber zunächst mal ist das ja genau der Kern dieses Modells, dass eben einige Staaten schneller vorangehen, sich stärker integrieren, die eben schon die gemeinsame Währung haben. Und die Bedenken dieser genannten Staaten sind ja gerade, dass sie im Prinzip dann dahinter bleiben und eben nicht die gleiche Art der Mitsprache haben. Also welche Möglichkeiten, auf diese Bedenken einzugehen, hat die Europäische Union denn?

    Brok: In den Regeln des Lissaboner Vertrages zur verstärkten Zusammenarbeit heißt es ja – und hier ist ja auch die Eurozone mit Eurogruppe und so weiter möglich -, dass Staaten vorangehen, aber die Regeln klar sind, dass man nicht durch politische Entscheidungen, sondern Erfüllung der Regeln beitreten kann. Und dass dieses ganze in den gemeinschaftlichen Institutionen auch noch mal besprochen wird und abgesegnet wird, um auf diese Art und Weise denjenigen, die vorangehen wollen, dieses zu ermöglichen, aber gleichzeitig auch andere mit einzubinden, um den Zusammenhalt der Europäischen Union zu behalten. Und nicht de facto eine Trennung zu bekommen, die nachher nicht wieder zu überwinden ist.

    Klein: Aber beides geht doch nicht, Herr Brok. Also entweder man sagt, man hat dieses Modell, oder man verzichtet darauf.

    Brok: Nein, es geht! Wir haben Regeln der verstärkten Zusammenarbeit, wir haben die Regeln der Eurozone. Die Eurozone selbst ist schon ein Teil von zwei Geschwindigkeiten. Aber dies wird dennoch immer, wenn sie auch vorher besprochen wird in der Gruppe der Eurozone, auch im Wirtschafts- und Finanzministerrat, noch nicht in der Europäischen Union besprochen. Es ist immer die Verknüpfung damit. Es muss immer die Kommission einbezogen sein, um nicht eine zweite Kommission zu errichten, neue Institutionen zu errichten, sondern man muss es im Rahmen der vorhandenen Institutionen einschließlich des Europäischen Parlaments machen, um hier keinen Bruch zu erzeugen. Dies ist vorgesehen, das kann man fortsetzen, dies muss man verstärken, um aus dieser Eurokrise herauszukommen und Sicherheit zu bringen, aber es darf nicht rechtlich und institutionell zu einer Trennung führen.

    Klein: Aber letzten Endes muss man diesen Staaten, die sich jetzt zum Beispiel gerade artikuliert haben – Sie haben Schweden auch noch genannt -, muss man ihnen letzten Endes erklären und auch um Verständnis werben, es geht nicht anders und ihr seid eben nicht in alles einbezogen wie zum Beispiel das, was jetzt Wirtschaftsregierung genannt wird, also ein zweimal im Jahr stattfindender Wirtschaftsgipfel etwa, wo sich die Eurostaaten noch mal stärker abstimmen. Das ist doch einfach eine Tatsache. Und die Frage ist doch, reicht es aus, um Verständnis zu werben oder wie soll man weiter vorgehen dabei.

    Brok: Es geht darum, wie diese rechtliche Bindung ist. Die Eurozone – und der Finanzminister macht das doch jetzt auch schon alleine unter den 17. Sie berichten dann darüber anschließend im gemeinsamen Rat, wo wir alle sitzen, damit die anderen sich vorbereiten können, die ja alle rechtlich verpflichtet sind, dieser Eurozone (mit Ausnahme von Großbritannien) beizutreten. Und auf diese Art und Weise sind die Dinge zusammenzuhalten, aber nicht neue Institutionen zu bilden, sondern dieses als eine Untergruppe aufzufassen, die in das Gesamtgefüge eingefügt ist. Sonst haben wir zwei europäische Unionen, und dieses ist auf Dauer politisch nicht durchhaltbar.

    Klein: Also wo muss es die Abstriche geben?

    Brok: Es soll keine Abstriche geben. Es soll so sein, dass andere eingebunden sind, dass die Institutionen insgesamt genutzt werden und nicht neue Institutionen gegründet werden, die wir dafür nicht brauchen, sondern es hat ja in anderen Bereichen schon funktioniert. Wir müssen es doch nur wollen! Ein Teil des Problems ist: Natürlich mussten die 17 die Chance haben, ihre Regeln stärker einzuhalten, aber deswegen verändern wir ja jetzt beispielsweise schon den Stabilitätspakt, der nur für die 17 gilt. Damit die 17 endlich gezwungen werden, sich selbst an die eigenen Regeln zu halten. Ich glaube, das muss vorangebracht werden, damit dieses funktioniert. Die 17 müssen stärker dazu gebracht werden, höhere Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität zu erzeugen. Aber es schadet ja nichts, wenn die anderen das auch tun, besser zu werden, weil sie dann eher mithalten können und wir nicht de facto auch wirtschaftspolitische Unterschiede in der Europäischen Union haben, die den Binnenmarkt, der ja eine Gemeinschaftseinrichtung ist, insgesamt in Schwierigkeiten bringt.

    Klein: Herr Brok, Sie haben bereits davor gewarnt, eine Insolvenz Griechenlands öffentlich herbeizureden. Das ging an die Adresse von FDP-Chef und Wirtschaftsminister Rösler. Die FDP verteidigt sich inzwischen vehement, unter anderem damit, dass sie sagt, auch die Kanzlerin habe ja Ähnliches schon gesagt. Und dass der Koalitionspartner sich zu sehr auf die Kritik an Rösler einschieße. Stimmt das nicht? Hat nicht auch die Kanzlerin in diese Richtung schon gedacht, wie auch schon viele Experten. Und laufen nicht eben auch schon entsprechende Planspiele zum Beispiel im Bundesfinanzministerium?

    Brok: Wir müssen doch jetzt erst sehen, dass wir die jetzige Griechenland-Krise lösen und dass wir jetzt die Mechanismen schaffen, die wir nicht haben. Es gibt heute keine Mechanismen für eine geordnete Insolvenz. Sie kann man nach den Regeln erst ab 2013 mit dem neuen europäischen Stabilitätsmechanismus einführen, wo eine Entwicklung einer solchen Möglichkeit vorgesehen ist. Aber heute von Insolvenz zu reden, wo wir die Instrumente nicht haben, und dieses zu tun, als sei das heute lösbar, bevor wir die anderen Dinge alle beschlossen haben, führt zur Verunsicherung an den Märkten. Man fragt im Ausland, was machen denn die Deutschen. Die stärksten scheinen das nicht mehr zu halten. Und wir müssen ja sehen, dass die Äußerung eines Vizekanzlers die Banken in Frankreich zum Beben gebracht hat. Das ist schon ein Hinweis darauf, wenn wir jetzt kurzfristig die Griechenland-Krise nicht beruhigen, nicht lösen, wird dieses in einem Dominoeffekt enden, der sehr viel teurer ist. Hier kann man über vieles nachdenken, aber man darf es nicht heute als Teil einer politischen Möglichkeit, die wir im Herbst anwenden könnten, darstellen, mit den Verunsicherungen, die damit verbunden sind.

    Klein: Herr Brok, da wir im Zusammenhang damit jetzt schon von Spekulationen über einen Koalitionsbruch hören, noch mal nachgefragt. Es geht darum, man darf es öffentlich nicht sagen, aber hinter verschlossenen Türen schon?

    Brok: Man muss natürlich über alle Möglichkeiten nachdenken, die vorhanden sind, aber man muss alles in einem politischen Prozess in der richtigen Reihenfolge machen. Und wenn etwas beschlossen worden ist, dann soll man dieses eine erst beschließen - wie Gerda Hasselfeldt in ihrem Programm das gesagt hat -, sondern es beschließen und in Ordnung bringen […] und dann kann man entsprechend weitergehen, aber nicht die Bevölkerung verunsichern, dass der Eindruck entsteht, das, was hier beschlossen ist, das ist alles Unsinn, wir machen jetzt die Insolvenz und damit hat sich's. Das versteht doch kein Mensch mehr, was deutsche Politik will.

    Klein: Der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok war das. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Brok.

    Brok: Ich danke auch.

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