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Europas Automarkt boomt
Eine Branche gibt Gummi

Allein im September stieg die Zahl der Neuzulassungen um 9,8 Prozent auf knapp 1,4 Millionen Fahrzeuge an. Die Verkäufe der Marke VW wuchsen im vergangenen Monat - trotz Abgas-Skandal - in Europa um 8,6 Prozent. Allerdings schlossen die Wolfsburger damit schlechter ab, als die deutsche Konkurrenz. Daimler und BMW konnten bis zu 19 Prozent mehr Autos verkaufen als noch im September 2014.

Von Stefan Wolff | 16.10.2015
    Autos auf einer Straße.
    Nach sechs schlechten Jahren boomt Europas Automarkt wieder. (dpa/picture alliance/Rolf Vennenbernd)
    Europas Automarkt boomt. Im September stieg die Zahl der Neuzulassungen um 9,8 Prozent auf knapp 1,4 Millionen Fahrzeuge. Es ist der 25. Anstieg in Folge. Besonders stark stiegen die Autoverkäufe in Spanien - um 23 Prozent. In Italien wurden 17 Prozent mehr Autos zugelassen als noch vor einem Jahr. In Deutschland dagegen lag das Wachstum 4,8 Prozent unterdurchschnittlich niedrig.
    "Die Autokonjunktur lebt definitiv vom Nachholbedarf. Wir haben fünf, sechs richtig schlechte Jahre gehabt, die teilweise 50 Prozent unter ihrem Niveau von 2007 liegen. Insofern hat ich sehr viel Erneuerungsbedarf angestaut."
    Sagt Jürgen Pieper, Autoexperte beim Bankhaus Metzler. Die Verkäufe der Marke VW wuchsen im September in Europa um 8,6 Prozent. Allerdings schlossen die Wolfsburger damit schlechter ab, als die deutsche Konkurrenz. Daimler und BMW konnten bis zu 19 Prozent mehr Autos verkaufen als noch im September 2014. Der von VW verursachte Abgasskandal dürfte aber auf die Verkaufszahlen noch keinen Einfluss gehabt haben. Jürgen Pieper:
    "Der Konzern ist minimal schwächer gewachsen als der Markt. Insofern sieht man die Effekte noch nicht. Jetzt kann man sagen, Autos in Europa werden ja in erster Linie bestellt. Mit bestimmten Vorlaufzeiten, bevor es zur Übergabe kommt. Soweit kann man auch gar nicht sehen. Ich glaube die Testmonate werden jetzt Oktober, November, Dezember, Januar sein. Es gibt ja nach wie vor auch die Aussage von Volkswagen-Händlern, die sagen, richtig viel Effekte sind bei ihnen gar nicht angekommen."
    Kunden der Marken VW, Audi und Porsche gelten als treu
    Kunden der Marken VW, Audi und Porsche gelten als überdurchschnittlich treu. Das haben Umfragen ergeben. Aber auch wenn VW von dieser Treue profitieren können sollte, so rechnen Autoexperten dennoch damit, dass VW wohl unterm Strich und im Gesamtjahr fünf Prozent weniger Autos absetzen wird als im Rekordjahr 2014.
    Noch ist der Imageschaden nicht wirklich messbar. Auch ist nicht bekannt, wie sehr die Dieseltechnologie unter dem Manipulationsskandal leiden wird. Einige Autoexperten haben den Diesel schon für tot erklärt. Autoverbandspräsident Matthias Wissmann hatte auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt gegengehalten:
    "Ich glaube, dass der Diesel noch eine lange Zukunft vor sich hat."
    In der Tat scheint Wissmann recht zu behalten. Diesel-Autos verkaufen sich weiter gut. Allerdings ist nicht bekannt, ob sich die Branche diese Treue mit hohen Rabatten erkauft. Mit deutlichen Preisnachlässen in der Zukunft rechnen viele. Zumal es Forderungen gibt, die Steuervorteile des Dieselkraftstoffs gegenüber Benzin zu streichen. Schon jetzt steht aber fest, dass eine Flucht aus der Dieseltechnologie nicht stattfindet.
    "Man sieht erstaunlicherweise auch keinen Bruch bei Diesel-Autos insgesamt. Alle Aussagen sind die, auch von BMW und Mercedes, das man keine Verschiebung sieht bisher von Diesel zu Benzin und das liegt auch daran, dass eben die Vorteile, die der Verbraucher merkt. Ich glaube tatsächlich, dass sich das nicht gravierend verändern wird."
    Wohl aber wird sich der Volkswagen-Konzern ändern. Die Rückrufaktionen laufen an. Allein in Deutschland kommen auf jede Werkstatt etwa 2.500 betroffene Fahrzeuge. Ein Konjunkturprogramm für Vertragswerkstätten, das VW weltweit bis zu 15 Milliarden Euro kosten kann. Hinzu kommen die Strafen und Entschädigungszahlen. Das Geld dafür dürfte VW in mehreren Stufen aufbringen und erst einmal neue Anleihen, eventuell auch neue Aktien verkaufen. Erst danach könnten Geldanlagen und in einem noch späteren Schritt ganze Konzernteile verkauft werden.