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Europawahl
Liebich beantwortet linke Friedensfrage

Im Entwurf für das Europa-Wahlprogramm lehnt die Linkspartei militärische EU-Missionen konsequent ab. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich hat eine andere Meinung.

Von Claudia van Laak | 09.01.2014
    "Ich bin Stefan Liebich, ich bin Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee…"
    Der Saal A2 im Reichstagsgebäude. Stefan Liebich hat sich lässig auf den Tisch geschwungen, die Beine baumeln im Takt seiner Vorstellungsworte. Vor ihm sitzen 13 Elftklässler des Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasiums aus seinem Wahlkreis Prenzlauer Berg.
    "Ich bin im Jahr 2009 in den Bundestag gewählt worden. Es war damals sehr überraschend für mich, weil ich gegen Wolfgang Thierse gewonnen habe, und Wolfgang Thierse ist nun deutlich berühmter als ich, macht schon seit Jahrzehnten Politik, und er war ja auch einmal Präsident dieses schönen Hauses, hier des Bundestages. Das war für ihn eine böse Überraschung und für mich eine Gute. Seitdem bin ich hier im Bundestag."
    Schüler stellen Fragen zur EU
    An der Rückwand von Saal A2 im Reichstag hängt ein großformatiges Foto des Europaparlaments in Straßburg. Als Außen- und Europapolitiker seiner Fraktion möchte Stefan Liebich gerne wissen, ob sich seine Besuchergruppe überhaupt für das Thema EU interessiert. Wollen die Jugendlichen, wollen deren Eltern wählen gehen? Und was wollen sie von ihm wissen? Jannes Hensel hat sich akribisch vorbereitet. Der Schüler zieht einen Zettel aus seiner Tasche, auf dem er eine ganze Reihe Fragen notiert hat.
    "Was halten Sie denn davon, dass der EU-Entwicklungsfonds für Truppeneinsätze in Zentralafrika jetzt eingesetzt wird?"
    Mit dieser Frage trifft der Schüler mitten ins Herz der heftig geführten europapolitischen Debatte der Linken. Im Entwurf für das Europa-Wahlprogramm lehnt die Partei militärische EU-Missionen konsequent ab. Außerdem heißt es – Zitat: "Wir setzen uns für einen Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO ein" – Zitatende. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich hat eine andere Meinung:
    "Es gibt in unserer Partei einige Mitglieder, die sagen, sie sind Pazifisten, das heißt, sie lehnen Militäreinsätze immer, in jedem Fall ab. Das ist eine ehrenwerte Position, die ich aber nicht teile."
    Der Pragmatiker Liebich möchte weg von einer generellen Ablehnung aller Militäreinsätze, hin zu einer differenzierten Betrachtung jedes einzelnen Falls.
    "Gerade aktuell in der Zentralafrikanischen Republik geht es darum, dass islamische und christliche Fundamentalisten die Zivilbevölkerung gefährden und dass da eingegriffen wird, kann ich nachvollziehen."
    "Raus aus der NATO"
    Stefan Liebich ist Stratege. Der 41-Jährige weiß: Mit der Forderung "Raus aus der NATO", mit der Ablehnung aller Militäreinsätze gefährdet die Linke das Zukunftsprojekt rot-rot-grün. Der Berliner Bundestagsabgeordnete gehört zu den Initiatoren eines entsprechenden Gesprächskreises. Etwa 50 bis 60 Bundestagsabgeordnete von Linken, Grünen und SPD treffen sich regelmäßig zum Gedankenaustausch, haben sich für die neue Legislaturperiode vorgenommen, die Parteichefs zu einem entsprechenden Treffen zu bewegen. Auf sozialdemokratischer Seite steht der Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe für das Projekt Rot-Rot-Grün nach der nächsten Bundestagswahl.
    "Wir können nicht beschließen in einem Koalitionsvertrag, dass wir morgen aus irgendwelchen Bündnissen austreten. Aber das habe ich mittlerweile so verstanden, dass es auch bei der Linken nicht darum geht, sondern darum, Bündnisse zu verändern oder zu überwinden oder wie auch immer."
    Die inhaltlichen Differenzen zwischen SPD und Linken in der Außen- und Europapolitik seien überwindbar, meint der 43-jährige Bundestagsabgeordnete aus dem Ruhrgebiet. Sein Kollege von der Linken Stefan Liebich muss allerdings noch eine Menge Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen leisten. Er kämpft dafür, dass das Europa-Wahlprogramm seiner Partei entschärft wird. In der jetzigen Form sei es eine Aufforderung, nicht zur Wahl zu gehen, meint der linke Reformer.