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Europawahl
Merkels fragwürdige Wahlkampfhilfe in Kroatien

Im deutschen Europawahlkampf ist Bundeskanzlerin Angela Merkel kaum wahrnehmbar. Doch in Zagreb nimmt sie an der Abschlussveranstaltung der kroatischen Regierungspartei HDZ teil - der eine zu große Nähe zu rechten Ustascha-Sympathisanten vorgeworfen wird.

Von Sabine Adler | 17.05.2019
28.08.2018, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Andrej Plenkovic, Ministerpräsident von Kroatien, geben sich nach einer Pressekonferenz im Anschluss ihres Gesprächs im Bundeskanzleramt die Hand. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa | Verwendung weltweit
Kanzlerin Angela Merkel und Kroatiens Premier Andrej Plenkovic bei einem Treffen im August 2018 in Berlin (Picture Alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
Der Animateur hat Mühe, Schwung in die Wahlkampf-Veranstaltung zu bringen. Wenn aber die deutsche Bundeskanzlerin nach Zagreb kommt, wird das nicht nötig sein. Die Nachricht, dass Angela Merkel der kroatischen Regierungspartei HDZ unter die Arme greift, kursiert in Kroatien seit Wochen. Der Historiker Hrvoje Klasic würde die Kanzlerin gern daran erinnern, wem sie da hilft, lupenreinen Demokraten nämlich nicht.
"In den vergangen fünf Jahren haben sich die Machtverhältnisse in der Regierungspartei verändert. In der HDZ haben immer mehr extreme Rechte Machtpositionen übernommen. Die Partei wurde mehr zu einer Bewegung mit dem moderaten Premierminister Plenkovic einerseits und andererseits extrem rechten Politiker wie Zlatko Hasanbegović."
Der Ex-Kulturminister wurde inzwischen von der Partei ausgeschlossen, er war Ustascha-Sympathisant. Eine faschistische Organisation, die im Zweiten Weltkrieg [**] Hundertausende Serben, Juden und Roma tötete.
Dossier: Europawahlen
Europawahlen (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Im Europawahlkampf weht die Ustascha-Flagge
Zusammen mit dem EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber wird Kanzlerin Merkel in Zagreb eine Partei unterstützten, deren Gründer Tudjman diese Opferzahl kleinredete. Die Ombudsfrau für Menschenrechte, Lora Vidovic, plädiert für einen entschiedeneren Kampf gegen den Revisionismus: [***]
"Diese Regierung muss die Verwendung der Ustascha-Symbole, die heute noch immer stattfindet, sehr viel aktiver bekämpfen. Über diese Forderung habe ich auch den Premierminister informiert."
Über einer Parteizentrale wehte mitten im Europawahlkampf die Ustascha-Flagge. Schuld der inkonsequenten Regierung und Justiz, beklagt die Ombudsfrau Vidović.
"Die Polizei geht nicht rigoros gegen den Gebrauch des faschistischen Grußes vor. Beispielsweise bei dem politisch außerordentlich einflussreichen ultrarechten Sänger Marko Perković Thompson. Sein Lied startet mit dem kroatischen 'Sieg-Heil-Gruß', er veröffentlichte es auf Facebook. Andererseits werden junge Männer, die diesen faschistischen Gruß auf ihrem T-Shirt tragen, strafrechtlich verfolgt."
Perković, alias Thompson, gilt als Faschist. Bei den Jubelfeiern zum Finaleinzug der kroatischen WM-Fußballmannschaft stand er auf der Bühne. Wer den Ustascha-Gruß "Za dom spremni", "Für die Heimat bereit" [*] benutzt, verstößt gegen Gesetz und Verfassung. Trotzdem würden Polizei und Gerichte bei dem Sänger ein Auge zudrücken, moniert die Obfrau für Menschenrechte.
Hier besingt Thompson die kroatische Heimat, die in Bosnien-Herzegowina liegt und von der so mancher den überwiegend von Kroaten bewohnten Teil Kroatien einverleiben möchte [****]. Schon im Jugoslawienkrieg sei die Geschichte instrumentalisiert worden, der populäre Sänger Thompson spiele auf dieser Klaviatur, sagt der Historiker Hrvoje Klasic.
"Er gehört zu denen, die den Ustascha-Gruß verteidigen, weil er ja schließlich auch im Bürgerkrieg 1991 verwendet wurde. Was damals vor allem geschah, um die Serben einzuschüchtern. Denn 1941 wurden von der Ustascha viele Serben umgebracht."
Der Nationalismus hat im Jugoslawien-Krieg eine Renaissance erlebt, unter tatkräftiger Unterstützung der alten Ustascha-Kämpfer, die nach Kroaten zurückkehrten.
Die führende Partei
"Was es in Deutschland nie geben wird, ist, dass die Nazis, die in Paraguay und Argentinien Unterschlupft gesucht haben, zurückkommen und Machtpositionen einnehmen. Das ist Kroatien Anfang der 1990er-Jahre geschehen. Die Ustascha-Leute, deren Söhne und Enkel kämpften im Noch-Jugoslawien gegen die Serben, die als die Hauptgegner eines unabhängigen Kroatiens angesehen wurden. Wie 1941."
Jahr für Jahr marschieren am 10. April, dem Gründungstag des Unabhängigen Kroatien 1941, das mit Hitlerdeutschland verbündet war, ultrarechten Ustascha-Sympathisanten unter anderem in Split auf, im Beisein der örtlichen Amtsträger.
"In schwarzen Uniformen werden mit Paraden angeblich paramilitärische Einheiten gewürdigt, die Kroatien Anfang der 1990er Jahre im Bürgerkrieg verteidigt haben. Doch ihre Uniformen sehen aus wie aus dem Zweiten Weltkrieg. Das Verfassungsgericht hat das verurteilt, trotzdem finden diese Paraden jedes Jahr in Split aufs Neue statt. Und das Ministerium der Kriegsveteranen, die Repräsentanten der Gebiets- und Stadtverwaltung nehmen an diesen Kundgebungen teil."
Auch in Split ist die führende Partei die HDZ, für die Angela Merkel und Manfred Weber in Zagreb Wahlkampfhilfe leisten.

Anmerkungen der Redaktion:
[*] In der ersten Version des Onlinebeitrags und in der Audiofassung war "Za dom spremni" zunächst nicht richtig übersetzt. Wir haben den Fehler im Text korrigiert.
[**] Die hier genannten Massaker fanden nicht während des kroatischen Unabhängigkeitskampfs, sondern im Zweiten Weltkrieg statt. Das haben wir korrigiert.
[***] An dieser Stelle wurde Lora Vidovic in der ursprünglichen Fassung eine falsche Aussage zugeordnet. Auch das wurde richtiggestellt.
[****] Hier hieß es ursprünglich die von Thompson besungene Heimat liege in Bosnien. Wir haben den Fehler im Text korrigiert.