Dienstag, 14. Mai 2024

Europawahl-Plakate
"Erschreckend nichtssagend"

Die Europawahl wirft unübersehbar ihre Schatten voraus. Allein in Köln hängen 35.000 Wahlplakate, auf denen Parteien und Organisationen für ihre Programme werben. Aber sind Wahlplakate wirklich ein unverzichtbares Mittel im Wahlkampf?

Von Susanna Gutknecht | 06.05.2014
    Wahlplakate zur Europawahl in Hannover.
    Wahlplakate als unverzichtbares Mittel im Wahlkampf (picture alliance/dpa/Holger Hollemann)
    Die SPD setzt auf den europäischen Zusammenhalt: „Ein Europa des Miteinanders. Und nicht des Gegeneinanders". Bloß keine Experimente macht die CDU: „Damit Europa Chancen für alle bringt". Altbekannte Parolen kommen von den Linken und Grünen: Mehr Geld für die Armen fordern die einen, die anderen setzen auf's grüne Image.
    In den sechs Wochen vor den Europa- und Kommunalwahlen kämpfen sich die Kölner durch eine Flut von Köpfen und politischen Kurzparolen. Die Begeisterung hält sich in Grenzen: „Die Wahlplakate finde ich total hässlich, eine Stadtverschandelung", sagt ein junger Mann. "Für mich haben diese Plakate überhaupt keine Bedeutung, ich bilde meine Meinung aufgrund ganz anderer Informationen, ich finde das ist Geldverschwendung", schließt sich eine ältere Dame an. "Erschreckend nichtssagend, egal wohin man schaut."
    Wahlplakat zur Europawahl 2014 von Bündnis90/ Die Grünen in Köln.
    Grünen-Plakat zur Wahl (Bild: DLF, Gutknecht )
    Wenn die Wähler größtenteils auf die Plakate verzichten könnten – für wen werden sie dann eigentlich gemacht? Ganz ohne Nutzen sind sie nicht, sagt Peter Schlösser, SPD- Bürgermeister in Weilerswist, einem kleinen Ort zwischen Köln und Bonn: „Wahlplakate mobilisieren den Bürger, weil sie den Zeitpunkt der Wahl nennen, und zwingen den Bürger dazu, sich zu positionieren."
    Die Hauptaufgabe der Plakate besteht also vor allem darin, auf die bevorstehende Wahl aufmerksam zu machen. Wenn dies der alleinige Nutzen ist, muss sich mit der Gestaltung ja nicht so viel Mühe gemacht werden – könnte man unterstellen. Die Kölner jedenfalls sind nicht besonders überzeugt: „Ich frage mich jedes Mal, bei jeder Wahl, wenn ich Wahlplakate sehe, ob die eigentlich keine Profis in dem Geschäft haben, die sehen zum Teil doch sehr handgestrickt aus."
    Farbliche Gestaltung der Plakate spielt eine entscheidende Rolle
    Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Schon bei der farblichen Gestaltung der Plakate gibt es viel zu beachten. Andreas Wrede ist Professor an der International School of Design in Köln: „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass in dem städtischen Umfeld, also auch in dem visuellen Einerlei gerade die Farben in der sekundenschnellen Wahrnehmung eine entscheidende Rolle spielen bei der jeweiligen Partei."
    Die Grünen haben es da recht einfach, ihre Plakate strahlen in einem satten grün. Gar nicht mehr rot sieht die SPD, denn sie muss sich ihre Farbe mit der Linken teilen. Um sich farblich besser zu differenzieren, leuchten die Plakate der SPD neuerdings in einem kräftigen Magenta. Im Europawahlkampf sind die Plakate zudem oft in der Farbe blau gestaltet – denn blau ist die Europafarbe.
    „Bei der CDU wird das orange immer so als Flucht vor der Bezeichnung die schwarze Partei, das will ja nun auch keiner wirklich sein, wird schon seit Jahren verwendet. Man könnte sagen, das ist fast schon aus dem Kleiderschrank von Angela Merkel herausgenommen und hat so die Farbe des Kostüms, in dem sie dann auch auf Fotos öfter staatstragend zu sehen ist", so der Design-Professor.
    Wahlplakate zur Europawahl von CDU und SPD in Köln.
    Wahlplakate zur Europawahl in Köln (Bild: DLF, Gutknecht )
    Authentizität soll Vertrauen schaffen
    Auf vielen Plakaten wird versucht, den Kandidaten möglichst authentisch erscheinen zu lassen. Statt eines offiziellen Fotos in Passbild-Optik, lächelt immer häufiger ein Politiker locker, lässig und deutlich geschönt auf die Wähler. Für den SPD-Lokal-Politiker Peter Schlösser ist übrigens das Portrait Ausdruck einer ganz bestimmten Motivation. „Das Foto befriedigt die Eitelkeit der Kandidaten, wobei Eitelkeit natürlich ein Motiv für viele Politiker ist und die damit eben befriedigt wird".
    Ob eitel oder nicht, das Portrait eines Politikers soll Vertrauen zu den Wählern schaffen. Kommunikationsdesigner Andreas Wrede konnte in den letzten Jahren einen Trend erkennen: Authentizität. Jedenfalls theoretisch: „Das führt aber auch dazu, dass man aus dem Gefühl heraus merkt, das ist sehr professionell gemacht und in dieser Professionalität verschwinden dann auch wieder die Profile der Parteien, also die inhaltlichen Profile." Darin liegt für ihn das Dilemma der Professionalität: Sie führt dazu, dass man der Botschaft nicht traut. "Das kann dann ein Stück weit als falsch oder verlogen empfunden werden".
    Den Wählern bleibt da nur noch übrig, an der Plakate-Flut vorbeizuschauen oder sich an die Worte des großen Humoristen Loriot zu erinnern: "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen".