Debora Rosenthal spricht mit einem breiten Lächeln über Makkabi. Sie hat in ihrer Heimatstadt Berlin eine jüdische Grundschule besucht, doch streng religiös erzogen wurde sie nicht. In ihrem Freundeskreis oder in ihren Sportvereinen spielten jüdische Religion und Kultur keine Rolle. Nur 2009 und 2013, da war es anders: Debora Rosenthal nahm an der Makkabiade teil, den Weltspielen des Judentums, die alle vier Jahre in Israel stattfinden.
"Zum Teil ist es mir wirklich aufgefallen, dass es mir gefehlt hat, dass ich dieses jüdische Leben wenig zu Hause irgendwie praktiziere. Doch die Religion sehr gerne mag. Und da ist schon die Makkabiade als Event das Größte, wo dieses ganze jüdische Leben einfach zu spüren ist. In Israel ist es schön, dass man sich überhaupt gar keine Gedanken machen muss, ob man seinen Davidstern groß zeigt. Genauso war es, als ich mal in New York gewesen bin: Da hatte ich das Gefühl, dass es jeder zweite ist, der mich auf meine Kette angesprochen hat. Und dadurch erkannt hat, dass ich jüdisch bin und sich gefreut hat. Hier in Deutschland habe ich zwar nicht Angst davor. Aber trotzdem denke ich manchmal: Halt dich lieber etwas mehr zurück, weil ich andere nicht damit provozieren möchte. Und ich ihnen nicht auf die Nase binden möchte, dass ich jüdisch bin."
Dalli Dalli
Debora Rosenthal ist die Enkelin von Hans Rosenthal, einer Radio- und Fernsehikone aus den siebziger und achtziger Jahren. Die 22-Jährige ist bei den Europäischen Makkabi-Spielen eine Stütze des deutschen Hockeyteams. Diese Spiele finden ebenfalls alle vier Jahre statt, in wechselnden europäischen Metropolen. Sie gleichen einem jüdischen Klassentreffen: Mit Wettbewerben, Bildungsveranstaltungen, Partys. In Berlin übernachten fast alle 2300 Athleten in einem Hotel. Wie Rosenthal stammen viele von ihnen von Holocaust-Überlebenden ab.
"Freunde haben mich öfter gefragt: Ach, das ist ja alles ganz spannend, aber warum schließt Ihr euch damit aus? Wo ich selbst erstmal darüber nachdenken muss und dachte: So verkehrt und verwerflich finde ich die Nachfrage auch gar nicht. So: Ihr dürft doch bei der Olympiade wieder teilnehmen, es gibt ja auch keine christliche oder muslimische, warum muss es eine jüdische geben? Aber wir haben eine Geschichte, die Christen nicht haben. Und es ist noch nicht wieder alles in Ordnung. Und es ist schön, dass wir so ein Sportfest haben, wo der Zusammenhalt unserer Religion gestärkt wird."
Muskeljuden
Vor mehr als hundert Jahren: Überall in Europa gründen Juden Vereine, weil sie in nicht-jüdischen Vereinen und Verbindungen selten willkommen waren. 1898 wird in Berlin der erste deutsch-jüdische Sportverein gegründet: die Keimzelle für die jüdische Sportbewegung. Der Arzt Max Nordau prägt damals den Begriff des "Muskeljuden". Sport, um sich zu kräftigen für den Aufbau der Heimstätte Palästina. 1932 findet im britischen Mandatsgebiet die erste Makkabiade statt. Der Name geht zurück auf den jüdischen Freiheitskämpfer Judas Makkabäus, bekannt auch aus dem biblischen Buch der Makkabäer. Er lebte vor rund 2200 Jahren und ist der ideale Namensgeber für die Makkabiade, berichtet der Historiker Moshe Zimmermann von der Hebräischen Universität Jerusalem.
"Wo waren die Juden heldenhaft, wo waren die Juden muskulös, wo waren die Juden stark, eben zur Zeit der Makkabäer. Judas Makkabäus war die zentrale Figur, ein Feldherr, der die Griechen, die Hellenisten besiegt hat. Und der blieb in der kollektiven Erinnerung der Juden als Widerständler, als Held, als Feldherr."
In den sechziger Jahren erwuchs Makkabi in Deutschland zu neuem Leben. Gewachsen ist die Bewegung vor allem in den neunziger Jahren. Aus der Sowjetunion wanderten tausende Juden nach Deutschland ein. Makkabi half ihnen bei der Integration. Inzwischen sind in 37 Ortsvereinen 4000 Mitglieder aktiv. Trotzdem gibt es ältere Makkabi-Funktionäre in anderen Ländern, die nicht nach Deutschland reisen wollen.
"Keine Holocaust-Gedenkspiele"
Die letzten Europäischen Spiele fanden 2011 in Wien statt. Zum ersten Mal liefen die deutschen Makkabi-Sportler mit Schwarz-Rot-Gold ein. Zuvor waren diese Farben bei den Spielen nicht erwünscht. Oren Osterer, der Organisationschef der Spiele von 2015, nimmt kein Blatt vor den Mund. Junge Juden in Deutschland hätten kein Interesse, "ich sage es jetzt mal extra provokativ –, Holocaust-Gedenkspiele abzuhalten. Es geht darum, als junge Generation, die in Deutschland geboren ist, die in Deutschland zu Hause ist, die eigene Existenz und die eigene Identität als Juden in Deutschland oder als deutsche Juden auch wieder darstellen zu können und rechtfertigen zu können."
Das Werbevideo der Spiele verbreitet sich im Internet. Überall in Berlin hängen Ankündigungsplakate mit jiddischen Begriffen. Die deutschen Organisatoren würden die Wettbewerbe gern für Nicht-Juden öffnen, doch das untersagt der Europäische Makkabi-Verband. Stattdessen wird es andere Begegnungen geben: die Makkabi-Fußballer spielen in einem Freundschaftsspiel gegen eine Auswahl ehemaliger Nationalspieler, die Basketballer treffen auf Alba Berlin. Die jüngeren Teilnehmer nehmen an einer Führung durch die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen teil. Für die Funktionäre gibt es einen Empfang im Auswärtigen Amt. Makkabi möchte sich öffnen – ohne dabei die Wurzeln zu verdrängen.