Montag, 29. April 2024

Archiv

Evangelische Kirche
Taufe mit Tauchen

Ein bisschen Wasser ist zu wenig: Die württembergische Landeskirche erlaubt seit kurzem Taufen in Flüssen und Seen. Vor allem evangelikale Christen hatten sich für die Zulassung eingesetzt. Ihr Argument: Das Tauferlebnis sei intensiver.

Von Uschi Götz | 19.06.2019
Pilger lassen sich im israelischen Yardenit im Fluss Jordan taufen
Üblicherweise benetzt bei einer Taufe die Pfarrerin oder der Pfarrer den Kopf des Täuflings drei Mal mit Wasser (imago stock&people)
In Badeshorts und Flip-Flops kommen die Brüder Simon und Jonathan Harms zum Gottesdienst: "Es wird lebhaft und lebendig heute."
Sagt Dekan Ralf Albrecht zu Beginn des Tauffestes in der Freiluft-Kirche im Stadtpark von Nagold. Zunächst werden einige kleinere Kinder klassisch getauft. Danach ruft Dekan Albrecht Simon und Jonathan auf, zwei große, schlanke junge Männer. Die Besucher des Gottesdienstes fordert er auf: "Mit hinunter zu kommen an die Waldach, dort an unsere neue Taufstelle und dort die Taufe der beiden jungen Erwachsenen mitzuerleben."
Eine Premiere. Seit Anfang des Jahres erlaubt als erste Kirche in Deutschland überhaupt die württembergische Landeskirche Taufen in freien Gewässern. Bislang war das nur mit einer Sondergenehmigung erlaubt.
"Kalt und sehr erfrischend"
Gefolgt von den beiden jungen Männern in Badeshorts geht Dekan Albrecht ein paar Steinstufen zur Waldach hinunter. Hüfttief ist der gemächliche Fluss heute. Ohne Zögern steigt der Dekan mit seiner schwarzen Hose ins etwa 15 Grad kalte Wasser. Am Ufer stehen Dutzende Gottesdienstbesucher, immer mehr Neugierige gesellen sich dazu. Mit den beiden Brüdern steht er nun in der Flussmitte und legt Simon Harms eine Hand auf den Kopf, der junge Mann taucht unter:
"Ich taufe Dich auf den Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes", sagt der Dekan, was am Ufer kaum hörbar ist. Simon Harms taucht zügig wieder auf. Jetzt ist sein Bruder an der Reihe, auch er taucht ganz unter. Kurz ist es still, dann applaudieren etliche Zuschauer begeistert. Zurück am Ufer warten die Eltern der Brüder mit Handtüchern, auch Gratulanten stehen schon bereit.
"War es kalt?" / "Ja, das war sehr kalt und sehr erfrischend." / "Wetter war optimal, von daher ging es eigentlich."
"Eine Erfahrung der Bejahung durch Gott"
Simon, 22 Jahre, macht zurzeit die Fachhochschulreife, Bruder Jonathan, 21 Jahre, ist Mechatroniker. Als Kleinkinder wurden die Brüder gesegnet, ob sie sich taufen lassen wollen, darüber sollten sie im Erwachsenenalter selbst entscheiden:
"Wir sind beide christlich, und wir haben gesagt, das machen wir zusammen." / "Wäre eine coole Sache, wenn wir das zu zweit als Brüder machen."
Mittlerweile haben sich die Brüder umgezogen, gleich wird die Familie zum Essen gehen. Der Vorschlag zur Immersionstaufe, dem Untertauchen in einem freien Gewässer, kam von Dekan Albrecht:
"Die beiden jungen Herren haben gesagt, ist so etwas überhaupt möglich. Die wussten das noch gar nicht."
Dekan Albrecht ist Vorsitzender der Christus-Bewegung "Lebendige Gemeinde", einem Zusammenschluss evangelikaler Christen mit pietistischem Hintergrund innerhalb der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Als Mitglied der Landessynode setzte er sich in dem Gremium für die Taufe durch Untertauchen ein:
"Diese bewusste Taufe im Sinne des Untertauchens ist für die Leute ein Erlebnis, eine Erfahrung der Bejahung durch Gott, die sie nochmal ganz anders in ihrem Inneren, in ihrem Herzen verankern."
"Für uns war das vom Symbol her eine viel stärkere Aussage. Und das war für uns etwas viel Schöneres als eine Kopftaufe."
Sagt Simon Harms. Und sein Bruder Jonathan ergänzt:
"In der Bibel ist es so geschrieben, dass auch untergetaucht wurde. Deshalb wollte ich das auch so machen."
Beide Formen sollen gleichwertig sein
Üblicherweise benetzt bei einer Taufe die Pfarrerin oder der Pfarrer den Kopf des Täuflings drei Mal mit Wasser. Das Ritual findet in der Kirche am Taufbecken statt. Diese Aufnahme in die Gemeinschaft zählt zu den Sakramenten der Evangelischen Kirche. Wer die Zeremonie verändert, muss gute Gründe haben. In der württembergischen Landeskirche wurde länger darüber diskutiert, ob das Untertauchen erlaubt werden soll. Am Ende gab es einen breiten Konsens, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Theologischen Ausschusses, Dekan Ernst-Wilhelm Gohl aus Ulm:
"Weil man dem Eindruck wehren wollte, als gäbe es zwei Klassen von Taufen, als wäre die Taufe mit Untertauchen im Freien mehr wert als die in der Kirche am Taufstein. Das haben wir sehr intensiv diskutiert und am Ende war uns klar: Die Form des Untertauchens ist biblisch gut begründet und wenn wir darauf achten, beide Formen sind gleich, dann spricht nichts dagegen."
Früher hätten das Gemeinden auch schon praktiziert, aber offiziell nicht um Erlaubnis gefragt:
"Das muss man ganz offen sagen. Und deswegen hat man das jetzt in eine verantwortete Form jetzt diese Taufe gemacht. Und das ist jetzt einmal geklärt, denen das wichtig ist, die können das machen, und andere, die es in der Kirche feiern wollen, die können es in der Kirche feiern. Das wird nach wie vor, würde ich sagen, 95 Prozent der Taufen finden in der Kirche statt."
Das wird sich noch zeigen. Kaum waren die Brüder Harms in der Waldach getauft, kamen gleich die nächsten Interessenten auf Dekan Albrecht zu:
"Da war eine Familie da, die dann gleich sagte: 'Wir haben uns das heute angeschaut und wir wären gern, also unsere Tochter, die nächsten.' Die sind angemeldet."