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Evonik
1.000 Stellen fallen weg - trotz voller Kassen

Die meisten Menschen können mit Evonik nicht allzu viel anfangen. Ein Kunstname, 2007 geschaffen für ein Unternehmen, das letztlich selbst ein Kunstprodukt ist. Von einem Mischkonzern mit Chemie, Energie und Immobilien zu einem führenden Unternehmen der Spezialchemie. Der Börsenneuling hat jetzt die erste Bilanz gezogen.

Von Jörg Marksteiner | 07.03.2014
    Aus seiner Herkunft und seiner Sympathie zum Ruhrgebiet macht Evonik-Chef Klaus Engel keinen Hehl. Und er mag klare Worte. Deshalb gefiel ihm heute der Ausdruck, dass Evonik, dieser vor acht Jahren aus den Randgeschäften deutschen Steinkohlezechen zusammengezimmerte Konzern, in der - wie er es nannte - "Strotznormalität" angekommen sei. Seit knapp einem Jahr ist der Kunstname Evonik an der Börse notiert:
    "Innerhalb weniger Jahre haben wir einen Wandel vollzogen, wie er in der deutschen Industrielandschaft seinesgleichen sucht. Von einem Mischkonzern mit Chemie, Energie und Immobilien zu einem der weltweit führenden Unternehmen der Spezialchemie."
    Aus dem Geschäft mit den abertausenden Wohnungen vor allem im Ruhrgebiet und den Kraftwerken hat sich Evonik weitgehend zurückgezogen. Heute geht es um Futtermittelzusätze für Fischfarmen in Chile, um Windelfabriken in Saudi-Arabien, um Dämmstoffe für Kühlschränke, um Kosmetik, Plexiglas und Autolacke.
    Höhere Verwaltungskosten
    "Und obwohl die Komplexität des heutigen Spezialchemieunternehmens deutlich geringer ausfällt, als die des vormaligen Mischkonzerns, sind unsere Verwaltungskosten im Vergleich zum Jahr 2008 nicht etwa gesunken, sondern spürbar gestiegen."
    Und "Strotznormalität" bedeutet eben auch: In solchen Fällen wird gespart. Evonik streicht nun weltweit 1.000 Stellen in der Verwaltung: Personalvorstand Thomas Wessel:
    1.000 Stellen werden abgebaut
    "Die genannten 1.000 Stellen verteilen sich weltweit. Aber natürlich haben wir auch Verwaltungsschwerpunkte in Deutschland. Es ist zu früh, heute eine Konkretisierung vorzunehmen."
    Evonik beschäftigt weltweit 33.000 Mitarbeiter, davon mehr als 11.000 allein in Nordrhein-Westfalen. Die großen Standorte sind in Marl, Essen, Wesseling und Krefeld. Große Werke betreibt Evonik auch in Hanau und Darmstadt. Konzernchef Engel versprach den Mitarbeitern:
    "Diesen Schritt werden wir wie in der Vergangenheit sozial verträglich und menschlich anständig gestalten. Betriebsbedingte Kündigungen haben wir bis zum Jahresende 2018 ausgeschlossen."
    Insgesamt ist BVB-Fan Engel aber zufrieden: Nicht nur, weil es der gesponsorte Ruhrgebietsklub und Sponsoring-Partner bis in Endspiel der Fußball Champions-League gebracht hat und der Evonik-Schriftzug auf den schwarz-gelben Trikots damit weltweit beachtet wurde.
    Sponsoring-Partner Borussia Dortmund
    "Wie unser Sponsoring-Partner Borussia Dortmund mit viel Kampfgeist und Cleverness auf die Finalteilnahme in London hingefiebert hat, so haben wir das mit unserer Finalteilnahme auf dem Börsenparkett in Frankfurt gehalten."
    Nach drei vergeblichen Anläufen hat es geklappt, und trotz eines bislang enttäuschenden Kursverlaufs ist sich Engel sicher, den Anlegern auch gute Aussichten zu bieten: Evonik ist nach dem Verkauf der Wohnungen schuldenfrei, hält nach Übernahmen Ausschau und kann sich auch einen Aufstieg in die erste Börsen-Liga, den DAX, vorstellen.
    Doch dafür müssten mehr Aktien von Evonik handelbar sein. Das bedeutet, der 68-Prozent-Mehrheitseigentümer, die Essener RAG-Stiftung muss sich noch wie geplant von weiteren Anteilen trennen.
    Ihre Aufgabe ist es, Geld einzusammeln, um damit ab 2018 die Folgekosten des heimischen Steinkohlebergbaus zu bezahlen: also etwa Bergschäden oder das Abpumpen alter Schächte. Haupteinnahmequelle dafür sind die Erlöse aus Aktienverkäufen und die Dividende von Evonik. Und die, das dürfte die RAG-Stiftung freuen, steigt in diesem Jahr. Wegen des Zwei-Milliarden-EuroSondergewinns aus den Immobilien zahlt der Konzern - trotz Verlusten durch den Preisverfall bei einigen Chemieprodukten –eine höhere Dividende: von einem Euro statt bislang 92 Cent.

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