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Ewiges Leben für Würmer

Genetik. - Die gezielte Stummschaltung von Genen mittels RNS-Interferenz hat die molekularbiologische Forschung revolutioniert. Im Labor spielt aber häufig ein kleines Tierchen eine Schlüsselrolle, das man mit bloßem Auge gerade so erkennen kann: der Fadenwurm, eines der liebsten Versuchtiere der Forscher.

Von Ursula Biermann |
    In Freiburg forscht der Molekulargenetiker Ralf Baumeister an winzigen Fadenwürmern. Er hat in ihnen ein lang gesuchtes Schlüsselgen entdeckt, das die Alterung steuert. Mit Hilfe der so genannten RNAI–Methode wird dieses Gen im Fadenwurm aktiviert und kann sein Leben um etwa das sechsfache verlängern. Da die Gene der Würmer zu etwa 60 Prozent mit denen der Menschen übereinstimmen und überraschend häufig gleiche Funktionen haben, macht das natürlich Hoffnung für die Behandlung von altersabhängigen Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson. Die Methode selbst ist relativ simpel. Professor Baumeister:

    "Man verwendet dazu unser Darmbakterium E.coli und dieses Bakterium exprimiert, das heißt also produziert ein RNS-Botenmolekül für ein Wurm-Gen. Alles was man tun muss, ist, die E.coli-Bakterien an die Würmer zu verfüttern, um das entsprechende Gen im Wurm dann auszuschalten. Und dann schauen wir uns an, wie wirkt sich der Verlust dieses Gens im Wurm aus. Zum Beispiel, wie ändert sich dann dadurch die Lebenserwartung dieser Tiere? Leben sie länger, ist die Lebenserwartung unverändert, sterben sie vielleicht früher? Daraus können wir Rückschlüsse ziehen, ob dieses betreffende Gen jetzt zum Beispiel Einfluss eben auf die Steuerung der Lebenserwartung hat."

    So kann man natürlich auch Krebsmechanismen untersuchen oder eben degenerative Erkrankungen, denn Ziel dieser Forschung ist natürlich, das, was man am Wurm lernen kann, auf menschliche Krankheiten zu übertragen.

    "Wir können zum Beispiel auch untersuchen, wie verschiedene Gene zusammenwirken, indem wir zuerst das Gen A abschalten und dann das Gen B abschalten, und dann A und B zusammen. Wir können dann feststellen, beeinflussen die sich in gegenseitig, also haben die eine Funktion im gleichen Mechanismus oder sind die völlig unabhängig voneinander? Und so lernt man nach und nach das ganze Netzwerk von Funktionen kennen, das notwendig ist, um jede einzelne Zelle und damit den ganzen Organismus zu steuern."

    Früher musste man ein Gen nach dem anderen ausschalten, dann sehen, was passiert, wieder einschalten, das nächste Gen ausschalten und so weiter. Mit der RNAI-Methode geht das heute wesentlich schneller und einfacher.

    "Diese Methode, die hier entwickelt wurde, kann man im Prinzip parallel für jedes einzelne Gen zur gleichen Zeit anwenden. Es ist für uns zum Beispiel kein Problem, in 18.000 Experimenten, die alle nebeneinander laufen, die 18.000 oder 19.000 Gene des Wurms abzuschalten und dann für jedes einzelne Experiment zu schauen, was bewirkt der Verlust dieses Gens und wie wirkt der Verlust jenes Gens."

    Beim Altern spielen mehrere Gene eine verschiedene Rolle.

    "Es gibt eine ganze Reihe von Regulationsmechanismen in jeder tierischen oder pflanzlichen Zelle, die notwendig sind, um zum Beispiel Stress abzuwehren, etwa ultraviolette Strahlen, die die Erbsubstanz schädigen können, oder andere Stressformen. Und dafür gibt es Reparaturmechanismen. Es zeigt sich in den letzten zehn Jahren, dass diese Reparaturmechanismen auch Einfluss haben auf die Geschwindigkeit, mit der die Zelle eben altert. Solche Reparaturmechanismen sind in der Regel abgeschaltet, die brauchen nämlich relativ viel Energie, um die Reparatur durchzuführen. Die Ergebnisse der letzten zehn Jahre zeigen, dass man die im Alter auch noch einmal anstellen kann und das reicht aus, um den Organismus wie zum Beispiel diesen Wurm zweimal, viermal, sechsmal so alt werden zu lassen."