Jochen Fischer: Das Jahr 2008 ist fast zu Ende und es verabschiedet sich innenpolitisch mit vielen unbeantworteten Fragen – hauptsächlich nach den Folgen und der Stärke einer bevorstehenden Wirtschaftskrise. Die einen sagen, sie werde so hart sein wie noch nie in der Bundesrepublik; die anderen verbreiten noch Optimismus. Es werde zwar hart werden, dafür aber kurz. So werden auch im neuen Jahr viele der Fragen und Herausforderungen dieselben sein und die Probleme scheren sich nicht um den Jahreswechsel. Neue Themen kommen allerdings dazu und ebenso neue Protagonisten. Doch manchmal ist es auch gut, auf die Erfahrungen der früheren Entscheidungsträger zu hören, sie sich zumindest noch einmal vor Augen zu führen. Das wollen wir jetzt tun mit unserem nächsten Gesprächspartner. Guten Morgen, Hans Eichel.
Hans Eichel: Guten Morgen, Herr Fischer.
Fischer: Vorweg, Herr Eichel, bevor wir reden, noch ein paar Stichworte zu Ihrer Biographie. Sie waren in Hessen Ministerpräsident einer rot-grünen Landesregierung, und zwar von 1991 bis 1999, und dabei ist Ihnen gelungen, was bis dahin einzigartig war: als rot-grüne Koalition wurden Sie vom Wähler bestätigt und regierten also zwei volle Wahlperioden lang. Danach wurden Sie vom heutigen geschäftsführenden Ministerpräsidenten Koch von der CDU abgelöst. Und als Oskar Lafontaine die Brocken hinschmiss, traten Sie als Bundesfinanzminister in das Kabinett Schröder ein, dem Sie bis zum Schluss angehörten.
Damit sind wir bei Ihrer Expertise als Finanzfachmann angelangt, Herr Eichel. Die Bundesregierung, so hört man, will ein weiteres Konjunkturpaket auflegen. Was sollte denn Ihrer Meinung nach da eigentlich drin stecken?
Eichel: Zu allererst: Man darf kein Geld verbrennen, man muss es so einsetzen, dass es künftig sozusagen Zinsen bringt. Das heißt: Alles, was wir in der Zukunft sowieso machen wollen, Ausbau der Infrastruktur, Ausbau von Forschung und Bildung, Ausbau der Ganztagsschulen, Ausbau der Kinderkrippen, das alles soll man jetzt tun. Alles was hilft, Energie zu sparen und auf erneuerbare Energien zu gehen, all das soll man machen, soweit die Baukapazität und überhaupt die Kapazitäten dafür da sind. Andernfalls bekommt man ja nur höhere Preise.
Ich halte überhaupt nichts von Konsumgutscheinen, und auch Steuersenkungen – davon bin ich ziemlich fest überzeugt – bringen nichts außer neue Schulden, aber nichts für die Konjunktur und nichts für die Arbeitsplätze.
Fischer: Ist denn eigentlich der Zeitpunkt richtig gewählt, oder hätte das alles schon früher kommen können? Es wird ja schon vom zweiten "Konjunkturpaket" gesprochen.
Eichel: Im Moment überschlägt sich das alles ein bisschen. Das glaube ich eher nicht, denn man muss noch eines sehen. Nehmen wir den Baubereich. Sie können dort nicht ganz schnell die Kapazitäten hochfahren. Wenn man es vernünftig macht und das Geld nicht verbrennen will, dann macht man besser ein Mehrjahresprogramm, zieht viele Dinge vor, aber signalisiert der Bauwirtschaft, ihr bekommt auch die Zeit, die Kapazitäten aufzubauen und nicht nur höhere Preise zu nehmen. Das ist ganz wichtig. Und im Übrigen: wir hängen sowieso hinten an bei den Schulen. Wir hängen hinten an bei den Kinderkrippen. Das sind Bereiche; die sollte man schneller aufbauen, als das bisher geschehen ist, oder man sollte sie schneller sanieren, und wir müssen auch die Schulen besser ausstatten.
Fischer: Sie haben eben gesagt, dass Sie nichts von Steuerermäßigungen halten. Als Sie Bundesfinanzminister in der Regierung Schröder waren, da haben Sie ja auch eine Steuerreform mit angestoßen, die zu erheblichen Steuerermäßigungen führte. Seitdem ist der Ruf allerdings nicht geringer geworden. Auch die Institute verlangen Steuerermäßigungen, ganz abgesehen von der Opposition.
Eichel: Das ist übrigens auch bei der Opposition ein bisschen differenziert. Das scheint mir sehr interessengebunden zu sein. Die Leute, die ihr ganzes Geld für den Konsum, für das Leben brauchen, die zahlen vielfach überhaupt keine Lohn- und Einkommenssteuer; die erreichen wir damit gar nicht. Und wenn ich die Mehrwertsteuer nehme, ist gar nicht sicher, ob das auch wirklich zu Preiseffekten führt. Mit anderen Worten: Wenn ich die Leute erreichen will, die geringe Einkommen haben, dann gehe ich besser an die Lohnnebenkosten, also an die Arbeitslosenversicherungsbeiträge oder besser die Krankenversicherungsbeiträge, weil das auch die Rentner erreicht. Wenn ich so argumentiere und sage, die Leute sollen mehr Geld bekommen, um es ausgeben zu können, dann sind allemal die Krankenversicherungsbeiträge zum Beispiel der weitaus bessere Weg.
Ich sage aber ganz ausdrücklich: Ich habe auch deswegen große Zweifel, weil wir ganz schnell die Sozialsysteme wieder in Schieflage bringen, um dann unter Umständen – ich vermute ja, 2009 wird wesentlich schwieriger als 2008, vielleicht auch noch 2010; das sagt jeder – mitten in der konjunkturellen Talsohle die Beiträge für die Sozialversicherungssysteme wieder erhöhen zu müssen. Das wäre auch unsinnig. Also an dem Punkt rate ich sehr zur Vorsicht.
Fischer: Ist denn noch Luft, wenn man so will, bei dem Soli, bei der Progression?
Eichel: Gar keine, denn wir machen ja jetzt wieder riesige neue Schulden und die Gefahr, dass wir mehr Schulden machen als jemals zuvor, ist jetzt sehr groß. Es ist sicher richtig zu investieren, aber man muss auch denken: Alles was an Schulden gemacht wird, muss später zurückgezahlt werden und führt dann zu höheren Steuern.
Fischer: Was halten Sie eigentlich von dem Vorschlag des hessischen SPD-Spitzenkandidaten Schäfer-Gümbel, den Reichen eine Vermögensabgabe aufzuerlegen?
Eichel: Ich glaube, dass das verfassungsrechtlich kaum zu machen ist. Ich wünschte mir schon, dass wir in einer solch schwierigen Situation mehr Solidarität in der Bevölkerung hätten und dass diejenigen, die sowieso längst nicht ihr ganzes Geld für den Konsum ausgeben, viel auf die hohe Kante legen und nachweislich ja, wie wir bei den Luxusautos sehen, auch sparen, vielleicht etwas mehr dazu beitrügen, dass wir jetzt die Investitionen zum Beispiel in die Schulen alle über neue Schulden finanzieren müssen. Das wäre sicher vernünftig. Das hat mal bei der Wiedervereinigung unter dem Stichwort "Lastenausgleich" Richard von Weizsäcker angeregt. Eine solche Debatte machte sicher Sinn.
Fischer: Aber Herr Eichel, die oberen 10 Prozent der Steuerzahler tragen ja schon zur Hälfte des Steueraufkommens bei. Also man kann sagen, sie zahlen viel Steuern.
Eichel: Nein! Das ist ja nicht richtig! Sie tragen die Hälfte der Einkommenssteuer bei, aber nicht des Steueraufkommens. Und in Wirklichkeit sind die Einkommen in Deutschland, und nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, auseinandergedriftet. Es wäre also schon ein Zeichen der Solidarität, wenn man solche eine Debatte führen könnte. Ich fürchte nur, Deutschland ist nicht so solidarisch und wird so weit nicht kommen.
Fischer: Ich habe eben schon den Vorschlag Ihres hessischen Parteikollegen Schäfer-Gümbel angesprochen und möchte nun auf die bevorstehende Landtagswahl dort am 18. Januar zu sprechen kommen. Es ist Wahlkampfzeit in Hessen und SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti hat vor der Wahl 2008 öffentlichen Wortbruch begangen. Vier Abgeordnete haben dann daraufhin ihr Gewissen entdeckt und sie nicht zur Regierungschefin gewählt. Was ist denn da eigentlich los in Ihrem Bundesland? Ist das noch Ihre SPD?
Eichel: Das ist schon meine SPD, aber man muss darüber sehr intensiv nach der Wahl miteinander reden. Überhaupt keine Frage! Mehr will ich dazu jetzt auch gar nicht sagen.
Fischer: Mit der Linken ist eine fünfte Kraft sozusagen auf die politische Bühne getreten. War es eigentlich richtig, eine Zusammenarbeit mit denen auszuschließen?
Eichel: Auf die Dauer nein, aber das kommt sehr darauf an, wie die Linken sich entwickeln. Das war sehr vernünftig in Mecklenburg-Vorpommern, wo ja auch mit Bayern und Sachsen zusammen der erste ausgeglichene Landeshaushalt vorgelegt worden ist, seinerzeit von der dortigen Finanzministerin Sigrid Keler, oder in Berlin, wo sie auch den Haushalt durch hartes Sanieren in Ordnung gebracht haben. Ob das im Westen funktioniert, wo wir es mit einer Gruppe von Leuten zu tun haben, die oftmals schon mehrere Parteien von innen gesehen haben und in keiner zurecht gekommen sind, das ist eine andere Frage. Das muss man sehr genau ansehen.
Fischer: SPD-Chef Müntefering ist da offensichtlich einen Schritt weiter. Der hat ja gesagt, die Berührungsängste mit den Linken, die seien sozusagen Schnee von gestern. Niemand brauche vor denen Angst zu haben.
Eichel: Da hat er ja Recht. Berührungsängste sollte man überhaupt nicht haben. Das ist in der Politik kein vernünftiger Ratschlag, wenn ich vom Rechtsextremismus mal absehe. Aber das heißt ja nicht etwa, mit denen schon gemeinsame Sache zu machen, wenn sie dazu unter Umständen nicht fähig sind. Auch Müntefering hat ausdrücklich gesagt, wenn, dann bitte volle Verantwortung und dann auch eine Koalition, und dazu waren die Linken in Hessen ja gar nicht in der Lage.
Fischer: Nun gäbe es in Hessen ja eine Möglichkeit, zusammen mit den Grünen und der FDP unter Umständen eine Landesregierung zu stellen. Wäre das eine Alternative für die SPD in Hessen?
Eichel: Ja, sicher! Das war ja die Wunschkonstellation der SPD. Aber das ist ganz offenbar nicht zu machen. Die FDP hat dem jetzt gerade wieder eine Absage erteilt.
Fischer: Und die SPD ist jetzt in einem Tief angelangt.
Eichel: Sicher! Das ist ja ein besonderes Problem. Also wird man sehen müssen nach dem 18. Januar, welche Fragen überhaupt rechnerisch sich stellen, und dann kann man auch solche Fragen beantworten.
Fischer: Der frühere Bundesfinanzminister und hessische Ministerpräsident Hans Eichel im Deutschlandfunk. Vielen Dank und auf Wiederhören, Herr Eichel.
Eichel: Bitte schön! Auf Wiederhören, Herr Fischer.
Hans Eichel: Guten Morgen, Herr Fischer.
Fischer: Vorweg, Herr Eichel, bevor wir reden, noch ein paar Stichworte zu Ihrer Biographie. Sie waren in Hessen Ministerpräsident einer rot-grünen Landesregierung, und zwar von 1991 bis 1999, und dabei ist Ihnen gelungen, was bis dahin einzigartig war: als rot-grüne Koalition wurden Sie vom Wähler bestätigt und regierten also zwei volle Wahlperioden lang. Danach wurden Sie vom heutigen geschäftsführenden Ministerpräsidenten Koch von der CDU abgelöst. Und als Oskar Lafontaine die Brocken hinschmiss, traten Sie als Bundesfinanzminister in das Kabinett Schröder ein, dem Sie bis zum Schluss angehörten.
Damit sind wir bei Ihrer Expertise als Finanzfachmann angelangt, Herr Eichel. Die Bundesregierung, so hört man, will ein weiteres Konjunkturpaket auflegen. Was sollte denn Ihrer Meinung nach da eigentlich drin stecken?
Eichel: Zu allererst: Man darf kein Geld verbrennen, man muss es so einsetzen, dass es künftig sozusagen Zinsen bringt. Das heißt: Alles, was wir in der Zukunft sowieso machen wollen, Ausbau der Infrastruktur, Ausbau von Forschung und Bildung, Ausbau der Ganztagsschulen, Ausbau der Kinderkrippen, das alles soll man jetzt tun. Alles was hilft, Energie zu sparen und auf erneuerbare Energien zu gehen, all das soll man machen, soweit die Baukapazität und überhaupt die Kapazitäten dafür da sind. Andernfalls bekommt man ja nur höhere Preise.
Ich halte überhaupt nichts von Konsumgutscheinen, und auch Steuersenkungen – davon bin ich ziemlich fest überzeugt – bringen nichts außer neue Schulden, aber nichts für die Konjunktur und nichts für die Arbeitsplätze.
Fischer: Ist denn eigentlich der Zeitpunkt richtig gewählt, oder hätte das alles schon früher kommen können? Es wird ja schon vom zweiten "Konjunkturpaket" gesprochen.
Eichel: Im Moment überschlägt sich das alles ein bisschen. Das glaube ich eher nicht, denn man muss noch eines sehen. Nehmen wir den Baubereich. Sie können dort nicht ganz schnell die Kapazitäten hochfahren. Wenn man es vernünftig macht und das Geld nicht verbrennen will, dann macht man besser ein Mehrjahresprogramm, zieht viele Dinge vor, aber signalisiert der Bauwirtschaft, ihr bekommt auch die Zeit, die Kapazitäten aufzubauen und nicht nur höhere Preise zu nehmen. Das ist ganz wichtig. Und im Übrigen: wir hängen sowieso hinten an bei den Schulen. Wir hängen hinten an bei den Kinderkrippen. Das sind Bereiche; die sollte man schneller aufbauen, als das bisher geschehen ist, oder man sollte sie schneller sanieren, und wir müssen auch die Schulen besser ausstatten.
Fischer: Sie haben eben gesagt, dass Sie nichts von Steuerermäßigungen halten. Als Sie Bundesfinanzminister in der Regierung Schröder waren, da haben Sie ja auch eine Steuerreform mit angestoßen, die zu erheblichen Steuerermäßigungen führte. Seitdem ist der Ruf allerdings nicht geringer geworden. Auch die Institute verlangen Steuerermäßigungen, ganz abgesehen von der Opposition.
Eichel: Das ist übrigens auch bei der Opposition ein bisschen differenziert. Das scheint mir sehr interessengebunden zu sein. Die Leute, die ihr ganzes Geld für den Konsum, für das Leben brauchen, die zahlen vielfach überhaupt keine Lohn- und Einkommenssteuer; die erreichen wir damit gar nicht. Und wenn ich die Mehrwertsteuer nehme, ist gar nicht sicher, ob das auch wirklich zu Preiseffekten führt. Mit anderen Worten: Wenn ich die Leute erreichen will, die geringe Einkommen haben, dann gehe ich besser an die Lohnnebenkosten, also an die Arbeitslosenversicherungsbeiträge oder besser die Krankenversicherungsbeiträge, weil das auch die Rentner erreicht. Wenn ich so argumentiere und sage, die Leute sollen mehr Geld bekommen, um es ausgeben zu können, dann sind allemal die Krankenversicherungsbeiträge zum Beispiel der weitaus bessere Weg.
Ich sage aber ganz ausdrücklich: Ich habe auch deswegen große Zweifel, weil wir ganz schnell die Sozialsysteme wieder in Schieflage bringen, um dann unter Umständen – ich vermute ja, 2009 wird wesentlich schwieriger als 2008, vielleicht auch noch 2010; das sagt jeder – mitten in der konjunkturellen Talsohle die Beiträge für die Sozialversicherungssysteme wieder erhöhen zu müssen. Das wäre auch unsinnig. Also an dem Punkt rate ich sehr zur Vorsicht.
Fischer: Ist denn noch Luft, wenn man so will, bei dem Soli, bei der Progression?
Eichel: Gar keine, denn wir machen ja jetzt wieder riesige neue Schulden und die Gefahr, dass wir mehr Schulden machen als jemals zuvor, ist jetzt sehr groß. Es ist sicher richtig zu investieren, aber man muss auch denken: Alles was an Schulden gemacht wird, muss später zurückgezahlt werden und führt dann zu höheren Steuern.
Fischer: Was halten Sie eigentlich von dem Vorschlag des hessischen SPD-Spitzenkandidaten Schäfer-Gümbel, den Reichen eine Vermögensabgabe aufzuerlegen?
Eichel: Ich glaube, dass das verfassungsrechtlich kaum zu machen ist. Ich wünschte mir schon, dass wir in einer solch schwierigen Situation mehr Solidarität in der Bevölkerung hätten und dass diejenigen, die sowieso längst nicht ihr ganzes Geld für den Konsum ausgeben, viel auf die hohe Kante legen und nachweislich ja, wie wir bei den Luxusautos sehen, auch sparen, vielleicht etwas mehr dazu beitrügen, dass wir jetzt die Investitionen zum Beispiel in die Schulen alle über neue Schulden finanzieren müssen. Das wäre sicher vernünftig. Das hat mal bei der Wiedervereinigung unter dem Stichwort "Lastenausgleich" Richard von Weizsäcker angeregt. Eine solche Debatte machte sicher Sinn.
Fischer: Aber Herr Eichel, die oberen 10 Prozent der Steuerzahler tragen ja schon zur Hälfte des Steueraufkommens bei. Also man kann sagen, sie zahlen viel Steuern.
Eichel: Nein! Das ist ja nicht richtig! Sie tragen die Hälfte der Einkommenssteuer bei, aber nicht des Steueraufkommens. Und in Wirklichkeit sind die Einkommen in Deutschland, und nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, auseinandergedriftet. Es wäre also schon ein Zeichen der Solidarität, wenn man solche eine Debatte führen könnte. Ich fürchte nur, Deutschland ist nicht so solidarisch und wird so weit nicht kommen.
Fischer: Ich habe eben schon den Vorschlag Ihres hessischen Parteikollegen Schäfer-Gümbel angesprochen und möchte nun auf die bevorstehende Landtagswahl dort am 18. Januar zu sprechen kommen. Es ist Wahlkampfzeit in Hessen und SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti hat vor der Wahl 2008 öffentlichen Wortbruch begangen. Vier Abgeordnete haben dann daraufhin ihr Gewissen entdeckt und sie nicht zur Regierungschefin gewählt. Was ist denn da eigentlich los in Ihrem Bundesland? Ist das noch Ihre SPD?
Eichel: Das ist schon meine SPD, aber man muss darüber sehr intensiv nach der Wahl miteinander reden. Überhaupt keine Frage! Mehr will ich dazu jetzt auch gar nicht sagen.
Fischer: Mit der Linken ist eine fünfte Kraft sozusagen auf die politische Bühne getreten. War es eigentlich richtig, eine Zusammenarbeit mit denen auszuschließen?
Eichel: Auf die Dauer nein, aber das kommt sehr darauf an, wie die Linken sich entwickeln. Das war sehr vernünftig in Mecklenburg-Vorpommern, wo ja auch mit Bayern und Sachsen zusammen der erste ausgeglichene Landeshaushalt vorgelegt worden ist, seinerzeit von der dortigen Finanzministerin Sigrid Keler, oder in Berlin, wo sie auch den Haushalt durch hartes Sanieren in Ordnung gebracht haben. Ob das im Westen funktioniert, wo wir es mit einer Gruppe von Leuten zu tun haben, die oftmals schon mehrere Parteien von innen gesehen haben und in keiner zurecht gekommen sind, das ist eine andere Frage. Das muss man sehr genau ansehen.
Fischer: SPD-Chef Müntefering ist da offensichtlich einen Schritt weiter. Der hat ja gesagt, die Berührungsängste mit den Linken, die seien sozusagen Schnee von gestern. Niemand brauche vor denen Angst zu haben.
Eichel: Da hat er ja Recht. Berührungsängste sollte man überhaupt nicht haben. Das ist in der Politik kein vernünftiger Ratschlag, wenn ich vom Rechtsextremismus mal absehe. Aber das heißt ja nicht etwa, mit denen schon gemeinsame Sache zu machen, wenn sie dazu unter Umständen nicht fähig sind. Auch Müntefering hat ausdrücklich gesagt, wenn, dann bitte volle Verantwortung und dann auch eine Koalition, und dazu waren die Linken in Hessen ja gar nicht in der Lage.
Fischer: Nun gäbe es in Hessen ja eine Möglichkeit, zusammen mit den Grünen und der FDP unter Umständen eine Landesregierung zu stellen. Wäre das eine Alternative für die SPD in Hessen?
Eichel: Ja, sicher! Das war ja die Wunschkonstellation der SPD. Aber das ist ganz offenbar nicht zu machen. Die FDP hat dem jetzt gerade wieder eine Absage erteilt.
Fischer: Und die SPD ist jetzt in einem Tief angelangt.
Eichel: Sicher! Das ist ja ein besonderes Problem. Also wird man sehen müssen nach dem 18. Januar, welche Fragen überhaupt rechnerisch sich stellen, und dann kann man auch solche Fragen beantworten.
Fischer: Der frühere Bundesfinanzminister und hessische Ministerpräsident Hans Eichel im Deutschlandfunk. Vielen Dank und auf Wiederhören, Herr Eichel.
Eichel: Bitte schön! Auf Wiederhören, Herr Fischer.