Archiv


Ex-General Reinhardt gegen erweiterten Afghanistan-Einsatz

Ex-Bundeswehrgeneral Klaus Reinhardt hält Forderungen nach einem Einsatz deutscher Soldaten im Süden Afghanistans für unberechtigt. Es sei klar geregelt, dass die deutschen Einheiten im Norden eingesetzt werden, sagte Reinhardt, Ex-Kommandeur internationaler Truppen im Kosovo. Allenfalls in Krisenfällen seien Einsätze im Süden möglich. Auf Dauer seien die deutschen Einheiten dafür aber nicht ausgerüstet.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Im Süden Afghanistans sind in diesem Jahr bislang 36 britische Soldaten in Kämpfen mit den Taliban ums Leben gekommen. Großbritannien bezahlt damit einen hohen Preis, um Afghanistan zu stabilisieren und um zu verhindern, dass die alten Kräfte wieder das Ruder übernehmen. Heute besucht nun der britische Premierminister Tony Blair die eigenen Truppen in Afghanistan - dort im Süden, wo die Bundeswehr lieber keinen Fuß hinsetzen möchte, jedenfalls nicht auf Dauer, und worüber es einigen Streit gibt.

    Mitgehört hat für uns der ehemalige General Klaus Reinhardt, der von 1999 bis 2000 die internationale Kosovo-Truppe kommandiert hatte. Guten Tag, Herr Reinhardt!

    Klaus Reinhardt: Grüß Gott, Herr Meurer!

    Meurer: Wie lange kann sich Ihrer Meinung nach die Bundesregierung noch einem Einsatz im Süden Afghanistans entziehen?

    Reinhardt: Die Bundeswehr hat wie alle anderen Staaten auch klare Verantwortung für einen bestimmten Bereich übernommen. Das ist abgeklärt worden vorher, politisch. Sie hat darauf ihre gesamte Infrastruktur mit sehr, sehr viel Geld aufgebaut. Ich gehe davon aus, dass die Bundeswehr im Krisenfall sehr wohl im Süden helfen wird, aber nicht in der Lage sein wird, größere Truppenteile für längere Zeit in den Süden zu stecken, a weil sie damit einer Strategie Vorschub leisten würde, die die Bundesrepublik wahrscheinlich so nicht voll akzeptiert, und b weil es einfach von der technischen Frage her sehr, sehr schwierig sein wird, denn die Bereiche sind sehr, sehr weit auseinander.

    Meurer: Halten Sie also die Vorwürfe, die von den Verbündeten ja ganz offensichtlich kommen gegen die Bundeswehr, sich sozusagen im gemütlichen Norden zu verdrücken, für unberechtigt?

    Reinhardt: Ich halte es für völlig unberechtigt, denn die Deutschen haben sich ja nicht verdrückt. Man hat sich damals festgelegt, wer für welchen Bereich zuständig ist, wie das bei all den internationalen Bereichen und Einsätzen bisher der Fall war. Da gibt es ein großes Hauen und Stechen, wer was hat, und wenn er es hat, dann verteidigt er das wie seinen eigenen Schrebergarten.

    Natürlich muss man helfen, wenn es anderswo brennt, aber ich selber habe im Kosovo erlebt, wie Nationen, wenn geholfen werden musste, sehr, sehr schnell ihre nationalen Caviats aufgebaut haben und gesagt haben, das geht nicht. In diesem Fall, meine ich, ist es besonders interessant, weil im Süden einer Strategie mit sehr starkem Militäreinsatz Vorschub geleistet wird, die viele Leute für falsch halten, die viel stärker einen humanitären Ansatz in den Vordergrund schieben wollen, wie das die Deutschen bis jetzt im Norden getan haben. Ich halte diesen stark auf humanitären Einsatz basierenden Ansatz für wesentlich vernünftiger, als noch mehr Soldaten in den Einsatz zu schicken, denn wir werden, egal wie viele wir schicken, mit den Zahlen der Taliban nie gleichrechnen können.

    Meurer: Dieser humanitäre Einsatz, vielleicht funktioniert der im friedlichen Norden, aber im Süden? Die Taliban sind nun gewillt, das Land zu destabilisieren.

    Reinhardt: Seit fünf Jahren haben die Pastunen in den südlichen Provinzen nur Soldaten, Kampfhubschrauber und Flugzeuge gesehen und keine humanitäre Hilfe, die ihnen versprochen worden ist über die Jahre hinweg. Es gibt erste, sehr, sehr Erfolg versprechende Verhandlungen von britischen Kommandeuren vor Ort mit den örtlichen clan chiefs nach dem Motto, wir ziehen uns zurück und helfen euch und bringen humanitäre Hilfe, wenn auch die Taliban sich zurückziehen. Erste Ansätze zeigen, dass das durchaus Erfolg hat, und ich glaube dieser Weg, Präsenz ja, notfalls die eiserne Faust einsetzen, aber nur notfalls, aber den Schwerpunkt setzen auf humanitäre Unterstützung, ist wohl der richtigere.

    Meurer: Die Wege zwischen Norden und Süden sind offenbar lang und weit. Ist die Bundeswehr überhaupt in der Lage technisch, sozusagen für einen schnellen Sondereinsatz im Süden aushelfen zu können?

    Reinhardt: Nein, ist sie nicht. Sie hat im Süden keine Bereiche, wo sie länger stehen könnte, also Unterkünfte. Das ist alles im Norden. Sie hat auch keine größeren Hubschrauberkräfte, die diese Kräfte aus dem Norden schnell verlegen könnten. Und mit gepanzerten, geschützten Fahrzeugen sieht es ja nun bei der Afghanistan-Truppe auch nicht besonders positiv aus. Nein, die Technik ist mit Sicherheit einer der Hemmschuhe, da sie auf den Norden begrenzt war, auf örtliche Einsätze, aber nicht auf größere Einsätze quer durch das Land.

    Meurer: Das was Sie vorhin angedeutet haben, Herr Reinhardt, wo haben Sie im Kosovo damals, als sie KFOR kommandiert haben, mangelnde Hilfeleistung durch die Verbündeten erlebt?

    Reinhardt: Ich habe damals den Konflikt in Mitrovica, der sehr, sehr stark auf französischer Basis gefahren worden ist, versucht zu internationalisieren, indem ich alle Nationen schrittweise in Mitrovica mit Teilen ihrer Kräfte einzubinden versucht habe. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Deutschen waren da. Die kamen, obwohl das nicht ihr Gebiet ist. Die Amerikaner waren einen Tag da und sind am nächsten Tag auf Befehl von Verteidigungsminister Cohen, der mich persönlich angerufen hat, wieder rausgezogen worden, weil es zu gefährlich ist. Die Briten waren immer da. Andere Soldaten haben gesagt, sie gehen nur in den südlichen Teil von Mitrovica, nicht in den nördlichen, der ihnen zu gefährlich ist. Mir kommt das alles sehr bekannt vor, was ich hier höre. Und ich bedauere sehr, dass diesem Denken in bestimmten Kategorien, nur in diesem Raum werde ich eingesetzt, Vorschub geleistet wird.

    Meurer: Aber dieses Denken vertreten Sie heute, Herr Reinhardt, oder?

    Reinhardt: Ja, weil ich sage, wir können im Augenblick mit den deutschen Truppen nicht anders, weil wir einfach von der ganzen Infrastruktur uns so im Norden festgebissen haben, dass es nicht schnell möglich sein wird, das aufzugeben.

    Meurer: Das war General Klaus Reinhardt, ehemaliger KFOR-Kommandeur im Kosovo, zum Streit um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Besten Dank, Herr Reinhardt, und auf Wiederhören.

    Reinhardt: Bittesehr, Herr Meurer.