Donnerstag, 25. April 2024

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Ex-Investmentbanker Axel Thill
Ein Deutscher kandidiert für die Brexit-Partei

In der Kleinstadt Long Ditton nahe London sind viele EU-freundlich. Die Einwohner reiben sich die Augen, wenn ausgerechnet ein Deutscher in der Fußgängerzone Flyer für den Brexit verteilt. Der Ex-Banker Axel Thill sagt: "Ich bin ein überzeugtes Kind Europas - das ist nicht mehr mein Europa."

Von Friedbert Meurer | 30.09.2019
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Brexit und Harley Davidson: Axel Thill engagiert sich in seiner Wahlheimat England für den Austritt Großbritanniens aus der EU. (Axel Thill)
Axel Thill zeigt seine schwarze Harley Davidson vor seinem freistehenden Haus in Long Ditton, einem hübschen Vorwort westlich von London. Thill hat aus seinem Hobby seinen zweiten Beruf gemacht. Er organisiert für Touristen Motorrad-Touren durch Großbritannien und Deutschland. Was fasziniert den Kandidaten für die Brexit-Party an seiner Harley Davidson?
"Die Rohheit der Maschine. Das sind zwei Zylinder mit 1.800 Kubik. Das ist roh, das tut weh. Das ist nicht feingeschliffen."
Roh wirkt Axel Thill mit seinem kurz getrimmten Vollbart zwar nicht unbedingt, aber wie ein fein geschliffener, glatter Investment-Banker sieht er auch nicht aus. Thill war Banker für die Dresdner Kleinwort, bevor der Investment-Arm der Dresdner Bank nach der Übernahme durch die Commerzbank geschlossen wurde.
Links und rechts vorne an der Harley sind zwei Lautsprecher untergebracht. Thill hört gerne BBC Radio 2, wenn er mit seinem Harley Davidson-Club ein paar Stunden unterwegs ist. Die Musik der BBC mag er, aber weniger ihre Berichterstattung über den Brexit, die sei einseitig.
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Thill: EU-Bürger nicht mehr bevorzugen
Wir gehen ins Haus. Seine Frau ist Japanerin und serviert uns englischen Tee mit Milch. Thill hat einige Jahre in Japan gearbeitet. Seine Biographie würde ohnehin nicht vermuten lassen, dass aus ihm einmal ein Brexiteer würde.
"Ich bin in Brüssel zur Schule gegangen primär und dann sekundär in Luxemburg. Ich habe Abitur in Luxemburg gemacht. Ich bin auf die europäische Schule gegangen. Ich spreche fünf Sprachen."
Thill hat an führender Stelle bei der Dresdner Kleinwort mit vielen internationalen Kolleginnen und Kollegen gearbeitet. Er leitete und baute in London den elektronischen Vertrieb von neu an die Börse kommenden Wertpapieren mit auf. Er ist dafür, dass weiter Zuwanderer aus der ganzen Welt nach Großbritannien kommen sollen. Nur sollen EU-Bürger nicht mehr bevorzugt werden. Warum kandidiert er dann ausgerechnet für eine Partei, deren Basis sich vehement über die Einwanderung im Land beschwert?
"Ich bezeichne mich als einen liberalen Brexiteer. Es gibt überall in jeder Partei, ob Konservative, Liberaldemokraten oder Grüne, da gibt es überall radikale Meinungen, die ein bisschen weiter gehen oder krasser sind. Man muss nicht allem zustimmen, was eine Partei sagt oder die eigene Partei sagt. Manche Sachen muss man schlucken, manche Sachen kann man dann versuchen zu ändern."
Europapolitisch ist Bernd Lucke sein Vorbild
Vor uns auf dem Tisch im Wohnzimmer liegt ein Stapel mit Mitgliederzeitungen der Brexit-Partei. Darunter die Tischdecke in den Farben hellblau und weiß der Partei. Hier im Thillschen Wohnzimmer finden ab und an Meetings mit anderen Parteiaktivisten statt. Aber hier in der Kleinstadt Long Ditton mit ihrer Nähe zu London sind viele EU-freundlich. Die Einwohner reiben sich dann schon die Augen, wenn ausgerechnet ein Deutscher in der Fußgängerzone Flyer für den Brexit verteilt.
"Vor allen Dingen mein Akzent ist dann sehr überraschend für die. Es ist sehr unterschiedlich, was für Erfahrungen ich sammele und andere sammeln. Sie versuchen zu verstehen, warum ich das mache, gerade mit meinem deutschen Background."
2016 durfte Thill nicht beim Referendum mitwählen. Brite wurde er erst danach. Europapolitisch ist Bernd Lucke sein Vorbild, der Gründer der AfD, als die Partei noch vor allem Banken-Rettungspläne und Bailouts für den Euro kritisierte. Das mit Griechenland sei furchtbar gewesen, sagt Thill. Er bestreitet, dass ihm als ehemaligem Investmentbanker die EU mit ihren Finanzregularien ein Dorn im Auge ist.
"Da gibt es viel schlimmere Fanatiker in England als in Brüssel. Die Messlatte wird manchmal hier sehr viel höher gehalten, national, als es von der EU erlaubt wird. Das sehe ich nicht."
"Das ist nicht mehr mein Europa"
Statt Aktien oder Derivate vertreibt Axel Thill jetzt Luftballons und Fähnchen in der Fußgängerzone, obwohl der Wahlkampf noch gar nicht begonnen hat. Auf dem Tisch liegen einige Tüten mit Luftballons und dem Emblem der Brexit-Partei: ein weißer Pfeil auf blauem Grund. Der Pfeil zeigt zum Exit aus der EU.
"Das ist ein Paket, was wir kriegen für unseren ‚street stall‘, wie das so schön heißt. Nehmen wir halt eben einen Tapeziertisch und tun die Decke drauf, haben ein paar Fähnchen und ein bisschen Spielzeug für die Kinder. Es geht hauptsächlich darum. das Gespräch mit den Bürgern aufzunehmen."
Thill sieht sich nicht als Ausländerfeind und auch nicht als Gegner Europas. Ganz im Gegenteil, behauptet er. "Ich bin Deutscher. Ich bin ein Kind Europas und ich bin ein überzeugtes Kind Europas. Das ist nicht mehr mein Europa."
In seinem Wahlkreis ist Thill krasser Außenseiter
Thills Europa besteht nur aus acht Mitgliedsstaaten und heißt EG, Europäische Gemeinschaft. Seine Freunde hätten 2016 Remain gewählt, bedauerten das jetzt aber. Sie verstünden aber nicht, warum er sich jetzt so als angehender Politiker exponiert und dann auch noch für die Brexit-Partei.
In seinem Wahlkreis ist Axel Thill krasser Außenseiter, der Kandidat der Konservativen heißt immerhin Dominic Raab, der Außenminister. Ist das alles also nur ein kurzes Abenteuer in der Politik, wie ein Sonntagsausflug auf seiner Harley Davidson?
"Weiß ich noch nicht, mal schauen. Nächstes Jahr sind Councillor-Wahlen. Ob man dann noch antritt für die Brexit-Partei? Das weiß ich nicht."