Elke Durak: Hervorragend inszeniert war das schon, was da gestern Abend in Berlin rund um die Siegessäule stattfand. Und die Begeisterung war ja auch groß. Aber Barack Obama hatte auch einige Botschaften an uns und an die Wähler zu Haus zu richten: "Amerika hat keinen besseren Verbündeten als Europa. Jetzt ist die Zeit, weltweit neue Brücken zu spannen, die so stark sind, wie die, die uns über den Atlantik verbinden." Und auch dies ist aufgefallen: "Die Mauern zwischen Rassen, Einheimischen und Einwanderern, zwischen Christen, Moslems und Juden dürfen nicht bestehen bleiben. Das sind jetzt die Mauern, die wir niederreißen müssen." Zwei Botschaften von Barack Obama gestern Abend in Berlin. Guten Morgen, Herr Teltschik.
Horst Teltschik: Guten Morgen, Frau Durak.
Durak: Ist das nun nur eine Show gewesen oder waren das zwei Kernbotschaften?
Teltschik: Ja, das waren schon zwei wichtige Botschaften. Und ich habe mich schon gefragt, ob die Teilnehmer, die Hunderttausende von Teilnehmern dieser Rede bereit wären, einen farbigen Deutschen, dessen Eltern Asylanten gewesen sind, zum Bundeskanzler zu wählen und damit gesellschaftliche Mauern auch in Deutschland niederzureißen. Wir haben ja ständig die Diskussion über Integration von Asylanten und Menschen, die wir selbst nach Deutschland zur Arbeit geholt haben, ob wir auch bereit sind, einen solchen Weg zu gehen. Ich fand das die wichtigste Botschaft von Obama gestern.
Durak: Die Mauern zwischen den Rassen einzureißen?
Teltschik: Die Mauern zwischen Rassen, zwischen Religionen einzureißen. Was er gestern doch deutlich gemacht hat, dass er ein aktiver Präsident werden will. Nicht nur nach innen, innerhalb der USA, sondern auch weltweit. Er hat ständig die Völker dieser Welt angesprochen und er hat gesagt, der wichtigste Partner sind die Europäer, und es gibt für die Amerikaner keinen wichtigeren Partner. Und das heißt, dass er uns mit ins Boot nehmen will und mit in die Verantwortung nehmen will.
Durak: Da wächst wahrscheinlich schon wieder eine Mauer, mehr Verantwortung übernehmen. Er hat ja Afghanistan deutlich angesprochen, deutlich auch gesprochen, "Wir brauchen mehr Truppen, amerikanische und europäische". Nach jetzigem politischen Stand in Deutschland dürften damit die nächsten transatlantischen Verstimmungen vorprogrammiert sein. Oder rechnen Sie mit einem Schwenk bei uns?
Teltschik: Bei uns müssen wir erstmal die Bundestagswahlen abwarten. Und wir werden ja jetzt schon in diesem Herbst erleben, ob das Mandat in Afghanistan über ein Jahr hinaus verlängert wird. Wenn es nicht verlängert würde, würde es heißen, wir würden eine Diskussion im Wahlkampf bekommen über unser Engagement in Afghanistan, was verheerend wäre aus meiner Sicht. Nicht nur für die politische Kultur in Deutschland, aber für unsere Soldaten, die immer noch in Afghanistan sind und sie sollen ja verstärkt werden. Und das wird schon ein Beleg dafür sein, ob Deutschland bereit ist, was Obama gestern eingefordert hat, weiterhin und verstärkt internationale Verantwortung zu übernehmen.
Durak: Die andere Frage wäre natürlich auch die, ist oder wäre Obama, würde er Präsident, das einhalten, was er jetzt gesagt, versprochen, als Vision sozusagen an den Berliner Abendhimmel geschrieben hat, nämlich eine Wende im Verhältnis zu Europa. Er hat die Europäer sozusagen auf Augenhöhe gehoben. Kann er das als amerikanischer Präsident durchhalten?
Teltschik: Ja, das hat ja schon mal Bushs Vater getan, wenn Sie sich an dessen Rede in Mainz erinnern. Er hatte ja den Deutschen gemeinsame Führung in internationalen Fragen angeboten. Damals ist in Deutschland keiner darauf eingegangen. Wir hatten damals das Problem mit der Deutschen Wiedervereinigung und keiner hat daran gedacht, dass wir darüber hinaus Verantwortung übernehmen müssten. Also, dieser Gedanke ist nicht neu. Auch sein Gegenkandidat McCain hat ja wiederholt gesagt, dass er stärker mit den Europäern zusammenarbeiten würde, verstärkt mehr Konsultationen als in den letzten acht Jahren durchführen würde. Diese Botschaft ist nicht überraschend. Die Frage wäre, erstens, sind wir dazu bereit, denn Konsultationen sind eine Zweibahnstraße, sie müssen in beide Richtungen gehen. Das heißt, auch die Europäer können und sollten keine einseitigen Entscheidungen treffen. Und zweitens, Konsultationen müssen zu Ergebnissen kommen und in internationalen Fragen, beispielsweise hat Obama gestern wiederholt Darfur angesprochen. Was heißt denn das? Würde er sich stärkeres Engagement in Darfur erwarten, das würde auch mehr Verpflichtungen der Europäer fordern. Das sind alles Fragestellungen, auf die die Europäer antworten müssten. Es wird auch bei einem Präsidenten Obama, oder bei einem Präsidenten McCain für die Europäer nicht einfacher werden im Umgang mit den Amerikanern. Er hat zwar zugegeben, dass wir auch zukünftig Meinungsunterschiede haben können, aber er hat darauf hingewiesen, dass es gemeinsame Ziele geben müsste, die Opfer Wert wären.
Durak: Und wie fällt Ihre Analyse aus zur Bereitschaft und zur Fähigkeit der Europäer, eine entsprechende Antwort zu geben?
Teltschik: Wir haben noch einen langen Weg zu gehen, das hat gerade die Abstimmung in Irland gezeigt. Wir müssen ja erst die Voraussetzungen schaffen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Im Augenblick ist es immer noch so, dass jeder, jedes Mitglied der Europäischen Union mehr oder weniger für sich entscheidet, ob sie aktiv werden oder nicht, und in welchem Umfang sie aktiv werden. Die Europäische Union und der französische Präsident Sarkozy hat ja durchaus das Ziel sich vorgenommen, gerade im Bereich der gemeinsamen Verteidigung mehr zu tun. Aber da ist die Bereitschaft, auch in Deutschland, nur sehr zögerlich. Also wir müssen noch einen langen Weg gehen, damit Europa gemeinsam handeln kann. Es wäre erstmal wichtig, dass jede einzelne europäische Nation, also auch die Deutschen, verstehen, dass sie keine Insel der Glückseligkeit bleiben können, wenn sie nicht sich international engagieren.
Durak: Also haben wir nur die geeignete Kulisse für den Wahlkampf Obamas geliefert?
Teltschik: Wir haben eine wunderschöne Kulisse für ihn geliefert, aber nicht nur. Es ist einfach, wichtiger als dieser öffentliche Auftritt waren ja die Begegnungen mit der Bundeskanzlerin und mit dem Vizekanzler, damit die sich kennenlernen. Wenn Obama ins Amt kommt, dann ist es wichtig, man ist sich schon einmal begegnet. Ich erinnere mich, als Ronald Reagan zum ersten Mal nach Bonn kam, damals noch die Hauptstadt Deutschlands, und ihn kein Mitglied der Regierung empfangen hat, mit einer Ausnahme, das war der Oppositionsführer Helmut Kohl, der Ronald Reagan empfangen hat. Und das war sehr hilfreich, als Kohl dann Bundeskanzler war und zum ersten Mal nach Washington ging. Dann wurde er schon als alter Freund begrüßt.
Durak: Die Zeiten haben sich ziemlich geändert. Wagen Sie eine Voraussage, wer wird es? Obama oder McCain?
Teltschik: Nein, ich halte das Rennen im Augenblick für völlig offen. Im Augenblick hat Obama die Nase vorn. Aber es wird schon spannend, ob Amerika schon soweit ist, einen Afroamerikaner zum Präsidenten zu wählen. Im Übrigen, McCain kommt ja, kommt ja jedes Jahr, ist jedes Jahr nach Deutschland gekommen, seit über 20 Jahren, was viele gar nicht wahrgenommen haben oder wahrnehmen. Und ich kann nur sagen, bei beiden werden die Beziehungen zwischen Europa und den Amerikanern nicht einfacher.
Durak: Politische Nachlese des Obama-Besuchs mit Horst Teltschik, ehemals Kanzlerberater und langjähriger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Herr Teltschik, danke für das Gespräch.
Horst Teltschik: Guten Morgen, Frau Durak.
Durak: Ist das nun nur eine Show gewesen oder waren das zwei Kernbotschaften?
Teltschik: Ja, das waren schon zwei wichtige Botschaften. Und ich habe mich schon gefragt, ob die Teilnehmer, die Hunderttausende von Teilnehmern dieser Rede bereit wären, einen farbigen Deutschen, dessen Eltern Asylanten gewesen sind, zum Bundeskanzler zu wählen und damit gesellschaftliche Mauern auch in Deutschland niederzureißen. Wir haben ja ständig die Diskussion über Integration von Asylanten und Menschen, die wir selbst nach Deutschland zur Arbeit geholt haben, ob wir auch bereit sind, einen solchen Weg zu gehen. Ich fand das die wichtigste Botschaft von Obama gestern.
Durak: Die Mauern zwischen den Rassen einzureißen?
Teltschik: Die Mauern zwischen Rassen, zwischen Religionen einzureißen. Was er gestern doch deutlich gemacht hat, dass er ein aktiver Präsident werden will. Nicht nur nach innen, innerhalb der USA, sondern auch weltweit. Er hat ständig die Völker dieser Welt angesprochen und er hat gesagt, der wichtigste Partner sind die Europäer, und es gibt für die Amerikaner keinen wichtigeren Partner. Und das heißt, dass er uns mit ins Boot nehmen will und mit in die Verantwortung nehmen will.
Durak: Da wächst wahrscheinlich schon wieder eine Mauer, mehr Verantwortung übernehmen. Er hat ja Afghanistan deutlich angesprochen, deutlich auch gesprochen, "Wir brauchen mehr Truppen, amerikanische und europäische". Nach jetzigem politischen Stand in Deutschland dürften damit die nächsten transatlantischen Verstimmungen vorprogrammiert sein. Oder rechnen Sie mit einem Schwenk bei uns?
Teltschik: Bei uns müssen wir erstmal die Bundestagswahlen abwarten. Und wir werden ja jetzt schon in diesem Herbst erleben, ob das Mandat in Afghanistan über ein Jahr hinaus verlängert wird. Wenn es nicht verlängert würde, würde es heißen, wir würden eine Diskussion im Wahlkampf bekommen über unser Engagement in Afghanistan, was verheerend wäre aus meiner Sicht. Nicht nur für die politische Kultur in Deutschland, aber für unsere Soldaten, die immer noch in Afghanistan sind und sie sollen ja verstärkt werden. Und das wird schon ein Beleg dafür sein, ob Deutschland bereit ist, was Obama gestern eingefordert hat, weiterhin und verstärkt internationale Verantwortung zu übernehmen.
Durak: Die andere Frage wäre natürlich auch die, ist oder wäre Obama, würde er Präsident, das einhalten, was er jetzt gesagt, versprochen, als Vision sozusagen an den Berliner Abendhimmel geschrieben hat, nämlich eine Wende im Verhältnis zu Europa. Er hat die Europäer sozusagen auf Augenhöhe gehoben. Kann er das als amerikanischer Präsident durchhalten?
Teltschik: Ja, das hat ja schon mal Bushs Vater getan, wenn Sie sich an dessen Rede in Mainz erinnern. Er hatte ja den Deutschen gemeinsame Führung in internationalen Fragen angeboten. Damals ist in Deutschland keiner darauf eingegangen. Wir hatten damals das Problem mit der Deutschen Wiedervereinigung und keiner hat daran gedacht, dass wir darüber hinaus Verantwortung übernehmen müssten. Also, dieser Gedanke ist nicht neu. Auch sein Gegenkandidat McCain hat ja wiederholt gesagt, dass er stärker mit den Europäern zusammenarbeiten würde, verstärkt mehr Konsultationen als in den letzten acht Jahren durchführen würde. Diese Botschaft ist nicht überraschend. Die Frage wäre, erstens, sind wir dazu bereit, denn Konsultationen sind eine Zweibahnstraße, sie müssen in beide Richtungen gehen. Das heißt, auch die Europäer können und sollten keine einseitigen Entscheidungen treffen. Und zweitens, Konsultationen müssen zu Ergebnissen kommen und in internationalen Fragen, beispielsweise hat Obama gestern wiederholt Darfur angesprochen. Was heißt denn das? Würde er sich stärkeres Engagement in Darfur erwarten, das würde auch mehr Verpflichtungen der Europäer fordern. Das sind alles Fragestellungen, auf die die Europäer antworten müssten. Es wird auch bei einem Präsidenten Obama, oder bei einem Präsidenten McCain für die Europäer nicht einfacher werden im Umgang mit den Amerikanern. Er hat zwar zugegeben, dass wir auch zukünftig Meinungsunterschiede haben können, aber er hat darauf hingewiesen, dass es gemeinsame Ziele geben müsste, die Opfer Wert wären.
Durak: Und wie fällt Ihre Analyse aus zur Bereitschaft und zur Fähigkeit der Europäer, eine entsprechende Antwort zu geben?
Teltschik: Wir haben noch einen langen Weg zu gehen, das hat gerade die Abstimmung in Irland gezeigt. Wir müssen ja erst die Voraussetzungen schaffen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Im Augenblick ist es immer noch so, dass jeder, jedes Mitglied der Europäischen Union mehr oder weniger für sich entscheidet, ob sie aktiv werden oder nicht, und in welchem Umfang sie aktiv werden. Die Europäische Union und der französische Präsident Sarkozy hat ja durchaus das Ziel sich vorgenommen, gerade im Bereich der gemeinsamen Verteidigung mehr zu tun. Aber da ist die Bereitschaft, auch in Deutschland, nur sehr zögerlich. Also wir müssen noch einen langen Weg gehen, damit Europa gemeinsam handeln kann. Es wäre erstmal wichtig, dass jede einzelne europäische Nation, also auch die Deutschen, verstehen, dass sie keine Insel der Glückseligkeit bleiben können, wenn sie nicht sich international engagieren.
Durak: Also haben wir nur die geeignete Kulisse für den Wahlkampf Obamas geliefert?
Teltschik: Wir haben eine wunderschöne Kulisse für ihn geliefert, aber nicht nur. Es ist einfach, wichtiger als dieser öffentliche Auftritt waren ja die Begegnungen mit der Bundeskanzlerin und mit dem Vizekanzler, damit die sich kennenlernen. Wenn Obama ins Amt kommt, dann ist es wichtig, man ist sich schon einmal begegnet. Ich erinnere mich, als Ronald Reagan zum ersten Mal nach Bonn kam, damals noch die Hauptstadt Deutschlands, und ihn kein Mitglied der Regierung empfangen hat, mit einer Ausnahme, das war der Oppositionsführer Helmut Kohl, der Ronald Reagan empfangen hat. Und das war sehr hilfreich, als Kohl dann Bundeskanzler war und zum ersten Mal nach Washington ging. Dann wurde er schon als alter Freund begrüßt.
Durak: Die Zeiten haben sich ziemlich geändert. Wagen Sie eine Voraussage, wer wird es? Obama oder McCain?
Teltschik: Nein, ich halte das Rennen im Augenblick für völlig offen. Im Augenblick hat Obama die Nase vorn. Aber es wird schon spannend, ob Amerika schon soweit ist, einen Afroamerikaner zum Präsidenten zu wählen. Im Übrigen, McCain kommt ja, kommt ja jedes Jahr, ist jedes Jahr nach Deutschland gekommen, seit über 20 Jahren, was viele gar nicht wahrgenommen haben oder wahrnehmen. Und ich kann nur sagen, bei beiden werden die Beziehungen zwischen Europa und den Amerikanern nicht einfacher.
Durak: Politische Nachlese des Obama-Besuchs mit Horst Teltschik, ehemals Kanzlerberater und langjähriger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Herr Teltschik, danke für das Gespräch.