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Ex-Kolonien auf Einkaufstour

Finanzstarke Investoren aus Portugals ehemaligen Kolonien zeigen vermehrt Interesse an portugiesischen Unternehmen. Insbesondere bei Staatsunternehmen gewinnen angolanische und brasilianische Geldgeber im Zuge eines weitreichenden Privatisierungsprogramms an Einfluss.

Von Tilo Wagner |
    Aus den Boutiquen und Markenläden rund um die Flaniermeile Avenida da Liberdade glänzen Nobelartikel wie teure Uhren, Handtaschen und maßgeschneiderte Anzüge. Die Krise scheint um diesen Lissabonner Stadtteil einen großen Bogen zu machen. Doch Manuela Saldanha, die Geschäftsführerin eines bekannten exklusiven Kaufhauses, beklagt, dass selbst die reichen Lissabonner ihr Konsumverhalten stark eingeschränkt hätten.

    Die Edelboutique hat deshalb eine VIP-Karte entworfen, die überwiegend an wohlhabende angolanische und brasilianische Stammkunden weitergegeben wird. In den beiden portugiesischen Ex-Kolonien boomt die Wirtschaft seit Jahren und viele Neureiche geben ihr Geld am liebsten in Lissabon aus.

    "Die Brasilianer und Angolaner kommen aus kultureller und sprachlicher Verbundenheit nach Lissabon. Sie haben hier Familie oder sie machen Urlaub oder sie sind aus beruflichen Gründen in Portugal. Und dann gehen sie hier gerne einkaufen."

    Die wachsende Bedeutung der Angolaner und Brasilianer beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Einzelhandel. Die portugiesische Regierung wirbt in den ehemaligen Kolonien intensiv um Käufer für Staatsbetriebe und staatliche Anteile an Privatunternehmen, die im Zuge eines weitreichenden Privatisierungsprogramms in den kommenden Jahren veräußert werden sollen. Eine angolanische Bank hat bereits beim Verkauf eines verstaatlichten Geldunternehmens Ende Juli zugegriffen. Brasilianische Firmen haben Interesse an der portugiesischen Fluggesellschaft TAP und am Energieunternehmen EDP angemeldet.

    Der Zeithistoriker António Costa Pinto erklärt, warum Portugal explizit Investoren aus den Ex-Kolonien sucht:

    "In der portugiesischen Gesellschaft nehmen die ehemaligen Kolonien weiterhin eine herausragende Stellung ein, sei es im ökonomischen, kulturellen oder sozialen Bereich, und hier insbesondere hinsichtlich neuer Emigrationsströme nach Afrika. Diese Rückbesinnung auf die Ex-Kolonien prägt Portugal gerade auch, weil die EU in einer Krise steckt. Seit der EU-Osterweiterung fühlt sich Portugal noch viel mehr an den Rand des Kontinents gedrängt. Dadurch lebt die Idee wieder auf, dass der Südatlantik für die Entwicklung und für das Überleben Portugals extrem wichtig sei."

    Doch der Deal mit dem afrikanischen Kapital hat auch seine Schattenseiten. Auf dem Papier ist Angola zwar eine Demokratie. Staatspräsident José Eduardo dos Santos ist jedoch seit 1979 im Amt, ohne ein einziges Mal vom Volk direkt gewählt geworden zu sein. In den vergangenen Monaten ist die Polizei in Luanda mit ungewohnter Härte gegen die Proteste von Regimegegner vorgegangen.

    Mithilfe eines weit verflochtenen Netzwerkes aus Staatsbetrieben, die durch den Abbau von Öl-, Diamanten- und Goldreserven zu finanzstarken Unternehmen gewachsen sind, hat sich der Präsident und seine Familie eine fast unangreifbare Machtposition aufgebaut. Dass portugiesische Unternehmen nun mehr und mehr unter den Einfluss des angolanischen Machtapparates kommen, hält die Afrikaspezialistin Marzia Grassi für bedenklich:

    "Angolaner halten mittlerweile wichtige Aktienanteile an portugiesischen Banken, Versicherungen, Zeitungsverlagen und seit Neustem auch im Weingeschäft. Und es sind fast ausschließlich die Kinder oder Verwandten des angolanischen Präsidenten José Eduardo dos Santos, die diese Aktien besitzen. Isabel dos Santos, die älteste Tochter des Präsidenten, ist eine der größten Aktionärinnen in Portugal."

    Das veränderte Kräfteverhältnis zwischen Portugal und seinen Ex-Kolonien hat jedoch auch eine positive Auswirkung auf Hunderttausende von Afrikanern und Brasilianern, die als Arbeitsmigranten insbesondere in den 1990er Jahren nach Portugal gekommen waren. Nachdem in den vergangenen Jahren auch auf portugiesischen Wunsch hin Visumsbeschränkungen weiter gelockert worden sind, fällt die Familienzusammenführung nun wesentlich leichter: Das gilt für einen Angolaner in Lissabon genauso wie für einen Portugiesen in Luanda.