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Ex-Verfassungsrichter gegen NPD-Verbot

Der ehemalige Verfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz hat sich gegen ein NPD-Verbot ausgesprochen. Ein Verfahren gegen die rechtsextreme Partei sei verfehlt, weil dadurch das Gedankengut nicht aus der Welt geschafft würde. Eine solche Partei sei nur politisch zu bekämpfen, fügte Mahrenholz hinzu.

Moderation: Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Herr Mahrenholz, schauen wir erst einmal darauf, dass die Innenminister den NPD-nahen Stiftungen und Vereinen den Geldhahn zudrehen wollen. Ist das rechtlich überhaupt möglich?

    Ernst Gottfried Mahrenholz: Also das hängt davon ab, und das wurde ja eben auch ausdrücklich betont, ob sich dort verfassungsfeindliche Ziele, Zielsetzungen, in einer hinreichenden substanziellen Weise bemerkbar machen. An sich geht es nicht einfach zu sagen, ihr seid die NPD, ist verfassungswidrig nach unserer Einschätzung, und deswegen wir die Stiftungen nicht bezuschussen, möglicherweise verbieten. Das wäre zu einfach. Ich will dies eine eben noch hervorheben. Man muss einen substanziellen Grund haben. Und der kann natürlich darin liegen, dass dort verfassungsfeindliche Ziele verfolgt werden.

    Kaess: Wie schwer ist es, diese Verfassungsfeindlichkeit bei einer Stiftung nachzuweisen?

    Mahrenholz: Also einmal kann man die Programme ansehen, und zweitens kann man ja Personen hinschicken, die an diesen Tagungen teilnehmen. Das ist ja für den Verfassungsschutz ein Leichtes. Man schickt einfach Leute hin und die protokollieren, was da so gesagt wird.

    Kaess: Und wenn bei diesen Vereinen die Definition "verfassungsfeindlich" zutrifft, wieso dann nicht direkt bei der Partei, bei der NPD?

    Mahrenholz: Wenn für einen selbstständigen Verein die Zielsetzung klar verfassungswidrig ist, braucht man nicht zum Bundesverfassungsgericht zu gehen, dann gibt es nach Bundesrecht ein Verbot auch so durch den Bundesinnenminister.

    Kaess: Wir wird verfassungsfeindlich definiert? Können Sie da ein Beispiel für nennen?

    Mahrenholz: Also wenn zum Beispiel klar ist, dass mit diesem Ziel, das mit diesen Vereinen verfolgt wird, eine Umstrukturierung unserer Gesellschaft im Sinne einer Annäherung an das berühmte und leider berüchtigte nationalsozialistische Gedankengut, das wird sich in erster Linie bemerkbar machen, bei der Frage, wie man mit Immigranten umgeht. Früher waren es die Juden, heute sind es die Türken. Und die Frage, wie man dort sich mit diesem Thema auseinandersetzt, ist schon ein Hinweis darauf, dass es verfassungsfeindliche Ziele sein können. Das ist ein Beispiel, weil Sie ein Beispiel haben wollten. Ob das natürlich der Sache nach hinreicht, ist eine zweite Frage. Die NPD wird sich hüten, und diese Vereine werden sich hüten, in punkto Immigranten, sagen wir mal, weiterzugehen als der rechte Rand der CSU.

    Kaess: Das waren jetzt die Stiftungen und die Vereine. Schauen wir auf die Partei. Das Verbotsverfahren gegen die NPD im Jahr 2003, ist beim Bundesverfassungsgericht aus Verfahrensgründen eingestellt worden. Wäre das heute anders?

    Mahrenholz: Da die Richter zum Teil gewechselt haben, demnächst wechseln werden, ist es nur von den richterlichen Voraussetzungen her anders. Ob das anders ist in der Sache, ob nämlich V-Leute bis in den Bundesvorstand auch heute noch vorgedrungen sind und dort ihre Meinung bilden und die Meinungsbildung mit beeinflussen, das ist eine Frage, die müssen die Minister, und sei es auch in vertraulicher Sitzung des Bundesverfassungsgerichts, beantworten. Ich glaube, dass das ganze Verfahren ohnehin aus dem Grunde verfehlt ist, weil im Unterschied zu den früheren Parteiverbotsverfahren die Aktivitäten dieser Organisation ja nicht aufhören. Was die NPD nicht macht, das werden die Wiking-Kameradschaften machen. Und ob dort Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gepredigt wird, da kann man die NPD mühelos verbieten, die Sache, das Gedankengut selbst, ist nicht so zu verbieten auf diese Weise.

    nd deswegen, glaube ich, ist die ganze Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD vorläufig einfach eine Tünche. Dahinter steckt die Frage, wie kann man politisch diese Gruppen bekämpfen. Und leider haben die Innenminister offenbar, obwohl das ja ihre erste Aufgabe gewesen wäre, auf die Frage, wie man politisch genau diesen Gruppen zu Leibe rückt, sich die Frage nicht gestellt.

    Kaess: Noch kurz zu einem anderen Verbot, um das es bei der Innenministerkonferenz auch ging, das Verbot für Scientology. Man halte Scientology auch nicht für vereinbar mit der Verfassung, heißt es. Sehen Sie da Möglichkeiten, dieses Verbot mit dieser Argumentation zu erreichen?

    Mahrenholz: Wenn man das hinlänglich begründet, durchaus. Aber das ist einfach eine Frage der Begründung. Und die Gerichte sind, Gott sei Dank, in diesen Fragen sehr heikel, nicht nur das Bundesverfassungsgericht, auch die Verwaltungsgerichte selber. Also da muss schon Gehöriges zusammenkommen. Das allgemeine Gruseln, was einem gelegentlich überfällt, wenn man Berichte hört, was die tun, da gibt es ja sehr gute, sehr substanzielle Berichte über die Scientology von Ihren Kolleginnen und Kollegen aus der journalistischen Zunft, ob das ausreicht für ein Verbot, vermag ich nicht zu sagen. Da, glaube ich, muss die Masse der Verfassungswidrigkeiten dann am Ende die Musik machen.

    Kaess: Ernst Gottfried Mahrenholz, ehemals Verfassungsrichter. Vielen Dank für das Gespräch!