Archiv


Ex-Wirtschaftsweise sorgt sich um EZB, wenn Axel Weber verzichtet

Der Bundesbankpräsident will erst mit der Kanzlerin sprechen - doch das Problem ist da: Wenn Axel Weber tatsächlich nicht für den Chefposten bei der Europäischen Zentralbank kandidiert, ist deren Unabhängigkeit in Gefahr, sagt Rolf Peffekoven - und sieht ein weiteres Problem.

    Jürgen Liminski: Das hat die gediegene Atmosphäre der Bundesbank selten erlebt: Tage der Rat- und Kopflosigkeit, mal wird eine Erklärung angekündigt und die Journalisten strömen herbei, um zu hören, dass es nichts zu sagen gibt, mal weiß man schlicht nicht, was man mitteilen soll, obwohl die Nachricht schon raus ist, nämlich dass Bundesbankpräsident Axel Weber in der privaten Finanzwirtschaft anheuern und jedenfalls nicht Chef der Europäischen Zentralbank werden will, und dann wieder Dementis. Es ist ein Kommunikationsdisaster.
    Mitgehört hat Professor Rolf Peffekoven, Finanzwissenschaftler und früher Mitglied der fünf Wirtschaftsweisen. Guten Morgen, Herr Peffekoven.

    Rolf Peffekoven: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Peffekoven, gute Kommunikationspolitik scheint keine gängige Münze bei der Bundesbank zu sein. Liegt das am derzeitigen Präsidenten oder an der Institution?

    Peffekoven: Das kann man von außen schlecht beurteilen, aber es hat einige Fälle dieser Probleme gegeben, die sind ja von der Reporterin auch schon angesprochen. Das ist aber sicher in all diesem Zusammenhang nicht die ganz entscheidende Frage.

    Liminski: Ist durch die Geheimniskrämerei der Ruf der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank angeschlagen?

    Peffekoven: Also es wäre sicher eine bessere Lösung gewesen, wenn Herr Weber klipp und klar erklärt hätte, nach Rücksprache mit der Kanzlerin, wie er sich seine berufliche Zukunft vorstellt. Grundsätzlich wird man ihm wohl zubilligen müssen, dass sein Amt, das ja auf Zeit vergeben wird, dass er da auch sagen kann, er will aus diesem Amt ausscheiden, er will eine Verlängerung nicht in Anspruch nehmen. Das ist sicher alles legitim. Ob es sehr klug ist, das jetzt so früh, auch vor dem Ende der ersten Amtszeit – das ist wohl der 31. Oktober – zu tun, das ist eine ganz andere Frage.

    Liminski: Man hat den Eindruck, Herr Peffekoven, hier wird zwischen Banken und Politik gekungelt. Der erste Präsident der Bundesbank, Wilhelm Vocke, meinte, die Kardinalfrage der Währung ist die der Unabhängigkeit der Notenbank. Ist diese Unabhängigkeit nach der Krise für den Euro noch gegeben? Bei den Nachbarn herrscht ja eine ganz andere Geldphilosophie.

    Peffekoven: Also das ist ja auch eigentlich das, was an dem offenbar geplanten Rücktritt von Herrn Weber so problematisch ist. Es geht hier letzten Endes um zwei Fragen, nämlich um die Unabhängigkeit der Bundesbank und auch die Unabhängigkeit vor allen Dingen der Europäischen Zentralbank, und es geht natürlich auch darum, dass jemand, der ja zweifellos ein Vorkämpfer für die Stabilität des Euros gewesen ist, nämlich Herr Weber, dass der nun die Zentralbank verlässt, und das kann man natürlich auch so deuten, dass vielleicht diejenigen hier das Übergewicht bekommen, die es mit der Stabilität nicht so ernst nehmen.

    Liminski: Axel Weber war der Kandidat der Bundesregierung für die Nachfolge von Jean-Claude Trichet. Offenbar war oder ist Weber der Druck der Politik zu stark, um seine ordnungspolitischen Vorstellungen durchzusetzen. Glauben Sie, dass damit das Ringen um Preisstabilität und Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank verloren ist?

    Peffekoven: Also das wird jetzt ganz entscheidend sein, wer nun der Nachfolger von Trichet werden wird. Da sind eine ganze Reihe von Kandidaten in der Diskussion und dabei sind zweifellos auch Kandidaten, die sicher, ähnlich wie das Herr Weber gewesen wäre, als Garant der Stabilität anzusehen sind.

    Liminski: Aber die Mehrheit ist das nicht?

    Peffekoven: Das ist jedenfalls in der letzten Zeit wohl so gewesen. Damit zusammen hängt natürlich auch, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank insoweit in Gefahr war, als sie massivem politischen Druck unterlegen war.

    Liminski: Was bedeutet das denn für den Euro, mehr Inflation?

    Peffekoven: Das bedeutet für den Euro zunächst einmal, dass man nicht weiß, wer ist denn nun wirklich der Nachfolger. Ich nehme an, dass in kurzer Zeit neue Namen hier diskutiert werden, und die Stabilität des Euros wäre ja direkt erst dann beeinträchtigt, wenn es zu einem anderen Kurs in der Geldpolitik käme. Das aber wird sich erst entscheiden lassen, wenn man weiß, wer der Nachfolger denn sein wird.

    Liminski: Wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass die Politik die Banken immer geschont hat. Wenn nun ein Bundesbanker in die private Finanzwirtschaft wechselt, in Kenntnis all der Geheimnisse der Geschäftsbanken, und die Politik schreitet nicht ein, wird dadurch nicht das Vertrauen in die Banken und zwischen den Banken zerstört?

    Peffekoven: Also das ist sicher problematisch. Nun wissen wir in diesem Zusammenhang ja auch nicht genau, was kommt da. Da wird ja spekuliert, dass Herr Weber möglicherweise eine Position bei der Deutschen Bank übernimmt. Das ist weder von ihm, noch von der Deutschen Bank bisher ja bestätigt worden. Aber wenn das so sein sollte, ist das nicht unproblematisch, und da wird ja auch offen darüber diskutiert, ob dann nicht zumindest eine Karenzzeit eingehalten werden müsste, dass vielleicht also der ausscheidende Bundesbankpräsident dieses neue Amt in der Privatwirtschaft erst nach - ich denke mal, mindestens ein Jahr Karenzzeit wäre geboten – einem Jahr oder vielleicht auch erst nach drei Jahren antreten kann, denn die Bundesbank hat ja in Deutschland auch erhebliche Funktionen bei der Kontrolle von Banken, die Bundesbank war in den letzten Monaten in Sanierungsprogramme eingebunden von anderen Banken, und insoweit verfügt natürlich Herr Weber über dezidierte Kenntnisse anderer Institute und da halte ich es auch nicht für eine glückliche Situation, wenn jetzt Herr Weber bei einem deutschen Institut in den Vorstand wechseln würde.

    Liminski: Fürchten Sie Rückschläge für die Finanzwirtschaft?

    Peffekoven: Die Rückschläge wird es erst dann geben, wenn man weiß, wer denn nun der Nachfolger in Europa sein könnte.

    Liminski: Damit noch eine letzte Frage zur EZB. Alles hängt von Personen ab, wenn ich Sie recht verstehe?

    Peffekoven: Also es hängt zunächst einmal davon ab, inwieweit die Personen, die in den Entscheidungsgremien sind, die Aufgaben, die der Europäischen Zentralbank zugewiesen werden – das ist zunächst einmal die Unabhängigkeit von politischen Einflüssen und das ist zum zweiten und vor allem die Sicherung der Stabilität des Euros -, inwieweit die Kandidaten, die dort sitzen, diese beiden Grundprinzipien einer zentralen Notenbank, die für Stabilität sorgen soll, inwieweit die gewahrt werden.

    Liminski: Die Causa Weber und die deutsche und europäische Bankenwelt. Das war hier im Deutschlandfunk der Finanzwissenschaftler und das frühere Mitglied im Rat der fünf Weisen, Rolf Peffekoven. Besten Dank für das Gespräch, Herr Peffekoven.

    Peffekoven: Danke Ihnen auch, Herr Liminski.