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Experimenteller Unterricht

Versuchslabor Lehramt – so könnte man dieses Projekt nennen. An der Kölner Universität erproben Studenten, wie das Lehramtsstudium einmal aussehen könnte. Das erste Semester ist heute rum und die Studenten ziehen eine erste Bilanz.

Von Vanessa Kern | 11.02.2010
    "Wir haben zum Beispiel Smartboards und wir haben elektronische Stifttafeln."

    "Wir haben viele Dozenten auf wenige Studierende und Notebooks zur Verfügung gestellt bekommen."

    "W-Lan überall, wir haben verschiedene Sitzgelegenheiten – wir haben Sitzsäcke – das ist ein komfortableres Lernen, definitiv!"

    Hedda, Marcelino und Ricarda studieren. Lehrer wollen sie mal werden. Über marode Universitätsräume und überfüllte Seminare müssen sie sich wie viele Studenten nicht ärgern. Denn die drei nehmen an einem Modellversuch teil. An der Kölner Universität proben seit einem Semester rund 60 Studenten das Lehramtsstudium der Zukunft. Ab 2011 hat die NRW-Landesregierung für die Lehramtsstudiengänge die Umstellung vom Staatsexamen auf Bachelor und Master beschlossen – eine schon bald bundesweite Entwicklung. Mit einem Modellprojekt will die Kölner Universität die Chance nutzen, im Vorfeld neue Wege zu probieren.

    Hans-Joachim Roth, Professor für Erziehungswissenschaften hat das Projekt zusammen mit Kollegen entwickelt:

    "Wir wollen mal Lehren und Lernen verändern. Wir wollen dieser Hochschule die Möglichkeit geben, neue Konzepte zu erproben und das Modellkolleg hat die Aufgabe,mal ein paar Innovationen auszuprobieren, um dann am Schluss zu sehen, welche – vielleicht auch nur kleinen – Elemente können wir daraus in die Normalität übernehmen."

    Konkret heißt das: Her wird experimentiert: I Modellkolleg steht nicht der Dozent im Hörsaal vorne und hält einen Vortrag. Hier soll diskutiert und in Gruppen zusammengearbeitet werden. Die Studenten sollen und müssen sich vieles selbst erarbeiten und sich untereinander austauschen. Auch wird ausprobiert: Wlche Fächer könnte man kombinieren, damit das Erlernte nicht nur für sich steht, sondern mit anderen Bereichen verknüpft wird. Ganz wichtig: Änderungswünsche von den Studenten sind ausdrücklich gefragt. Für Hedda Deike und Marcelino Frenz eine neue Erfahrung:

    "Wenn wir sagen, dass wir etwas noch nicht geschafft haben in einer Seminarstunde, dass wir das noch mal aufgreifen oder dass wir ein Thema, was uns besonders interessiert, länger machen als eigentlich angedacht."

    "Unsere ganzen Anregungen werden aufgenommen, das heißt, wenn uns etwas nicht so gut gefällt oder uns etwas wichtig ist, dann wird das noch mal geändert – während des Semesters sogar. Das kenn ich sonst so aus der Uni nicht."

    Hedda studiert Lehramt fürs Gymnasium, Marcelino für die Grundschule. Unter den 60 Probanden finden sich Lehramtsstudenten aller möglichen Schulformen. Für Hans-Joachim Roth selbstverständlich, denn so wird es auch ab 2011 sein: Lehrer – ob sie an Grund-, Haupt oder Realschulen, Gymnasien, Berufskollegs oder Förderschulen arbeiten werden, müssen dann alle mit mindestens zehn Semestern einen Masterabschluss erreichen.

    "So ein Modellversuch kann, wenn er eine Aussage machen soll, auch nur dann eine Aussage machen, wenn die Realität zumindest ansatzweise mit drin ist und das bezieht sich auf alle Schulformen und deswegen haben wir das entsprechend ausgeschrieben."

    Realitätsnah ist auch der eingeplante Praxisanteil. In Zukunft ist für die Lehramtsstudenten ein halbjähriges Praxissemester an einer Schule vorgesehen. Das an das Studium angeschlossene Referendariat wird dafür von 24 auf zwölf Monate verkürzt. Im Modellprojekt geht es für Ricarda Stetron und ihre Kommilitonen einmal die Woche an die Schulen:

    "Das kann man da halt alles ausprobieren und da sehen, wie unterschiedlich die Kinder damit zurechtkommen, mit den Anforderungen und wie die Lehrperson eben dann auf diese Fälle eingeht. Uns interessieren dann auch Bücher, also wir lernen auch sehr viele Fallstudien kennen und können die mit unseren eigenen Erfahrungen kombinieren."

    Ricarda wünscht sich noch engeren Kontakt zu den Lehrern – ein Punkt, den sie auf ihrem Kritikbogen festhält. Vielleicht wird er für das zukünftige Studium berücksichtigt. Dass die Umstellung ab 2011 aber ohne Probleme läuft, glauben die Studenten nicht. Denn der Modellversuch bezieht sich nur auf die erziehungswissenschaftliche Ausbildung. Hedda Deike fürchtet, dass sich in ihren Lehrfächern - in ihrem Fall Mathe und Geografie - nicht viel ändern wird:
    "Wir studieren ja im Prinzip mit den ganz normalen Master- und Bacherlor-Studenten mit und ich fang da an, wo ich in der Oberstufe aufgehört habe und diesen Umfang, den wir haben, den wir lernen müssen, den finde ich eigentlich nicht angebracht, weil ich müsste eigentlich viel mehr lernen, wie ich den Kindern das nahelege und nicht, was sie über die Schule noch hinaus können müssten."

    Vier Semester lang können die Studenten ausprobieren und testen – so lange ist das Modellprojekt angelegt. Dann muss es für die 10.000 Lehramtsstudenten der Uni Köln was hergeben. Hedda, Marcelino, Ricarda und ihre Kommilitonen sind hierfür die Versuchskaninchen – das ist der Preis, den die Studenten zahlen: für schöne Seminarräume, ein angenehmes Lern- und Arbeitsklima, aber auch für eine individuelle Betreuung, denn im Modell kommen auf eine Lehrkraft gerade mal sechs Studenten. Doch das Modell ist eben nur ein Modell und alle Beteiligten wissen schon jetzt: die paradiesischen Zustände lassen sich später nicht auf die gesamte Universität übertragen. Aber die Kölner Teststudenten wissen auch: sie haben die einmalige Chance, großen Einfluss auf die Zukunft der Lehrerausbildung in Deutschland zu nehmen.