Schillmöller: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Sonntag dokumentiert, das langsame Eindringen der Islamisten in den vergangenen zehn Jahren in den Kaukasus. Woran lässt sich so was denn im einzelnen ablesen? Sind da nachweisbare Geldflüsse, Waffenschiebereien, wir haben es vorhin schon kurz angesprochen, arabische Söldner waren wohl dabei? Was ist das Potential, was dahinter steckt?
Umbach: Nun es ist vor allem diese Netzwerkbildung, die sehr gefährlich ist. Und auf der anderen Seite sind eben ein Teil auch der tschetschenischen Terroristen der ersten und zweiten Generation in den ehemaligen El Kaida Lagern in Afghanistan ausgebildet worden. Aus dieser Zeit bestehen auch immer noch persönliche Beziehungen, die zunehmend offensichtlich mobilisiert werden. Auf der anderen Seite darf man aber nicht übersehen und das wird häufig insbesondere natürlich von russischer Seite verleugnet, dass der Großteil der Waffen und auch des Sprengstoffs, den die Terroristen in Tschetschenien und anderswo verwendet haben, namentlich aus russischen Beständen kommt. Das heißt, dieser Konflikt, der mehr als zehn Jahre alt ist, war stetig eskaliert und wie viele andere Konflikte in dieser Welt, ist es dann im Nachhinein stetig schwerer, politisch Einfluss auf diesen Konflikt zu nehmen. Es haben sich Konfliktparteien herausgebildet und zwar auf beiden Seiten, die Kriegsprofiteure sind und überhaupt kein Interesse daran haben, dass dieser Konflikt wirklich zu einem politischen Ende geführt wird.
Schillmöller: Nun hat Wladimir Putin gestern eingestanden, ja, wir haben Fehler gemacht. Mit der Kritik an seiner Politik ist man schnell dabei, aber mit Vorschlägen, was er nun tun kann, da stößt man oft auf Schweigen. Was würden Sie denn raten?
Umbach: In der Tat, je länger ein solcher Konflikt dauert, das habe ich versucht eben anzudeuten, umso schwieriger ist es, diesen Konflikt dann politisch einzudämmen. Das kennen wir auch aus dem Konflikt des Nahen, Mittleren Ostens, wir wissen es auch seinerzeit noch aus Jugoslawien. Präventive Diplomatie spielt im Westen zwar rhetorisch eine sehr sehr große Rolle, aber aktuell, wenn es konkret um die Entscheidung geht, spielt diese präventive Diplomatie häufig nur eine untergeordnete Rolle, weil es eben sehr schwierig ist, eben den politischen Willen aufzubringen. Und Russland hat sich ja bisher beispielsweise verweigert, sowohl die OSZE aber auch internationale Beobachter in diese Region zu lassen, in diesen Konflikt. Er ist nicht daran interessiert, dass es Fernsehbilder gibt. Und Putin, auch die jetzigen Reaktionen, lassen eben nicht darauf schließen, dass es jetzt nach diesem schrecklichen Anschlag zu einem Umdenken gekommen ist, sondern er setzt weiterhin auf seine Politik der Härte, die nur zu einer weiteren Eskalation führen wird. Und viele Terrorismusexperten gehen davon aus, dass dieser Konflikt weiter eskalieren könnte und eines Tages eben auch Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden können. Oder was ich seit mehr als zwei Jahren immer befürchtet habe, dass diese Anschläge sich nicht alleine mehr auf Russland beschränken werden. Denn es geht den Terroristen um eine politische Botschaft und wenn diese Botschaft in Moskau nicht gehört wird, dann wird man notfalls versuchen, die westliche Öffentlichkeit zu mobilisieren, das heißt auch Anschläge in Westeuropa sind dann irgendwann nicht mehr auszuschließen.
Schillmöller: Ich verstehe Sie richtig, dass der gesamte Kaukasus also nicht nur Tschetschenien und vielleicht Nordossetien oder Inguschetien ein Pulverfass bilden?
Umbach: Das ist richtig, allerdings darf man auch den gesamten Kaukasusraum nicht über eine Hand scheren. Es gibt nach wie vor Gebiete und Teile, die noch relativ stabil sind, die noch nicht infiziert sind von dem Terrorismus. Aber eben je länger dieser Konflikt dauert, umso mehr muss man von einer vertikalen Eskalation der Gewalt ausgehen, das heißt, dass die Gewalt selbst stetig zunimmt, aber auch eben von einer horizontalen, das heißt dass zunehmend eben Nachbarregionen, sprich am Ende der ganze Kaukasus in Flammen stehen könnte. Und die jetzige Politik Putins lässt nicht darauf schließen, dass es zu einer Umkehrpolitik kommt und er die Fehler seiner eigenen Politik und die Fehler auch, die Eskalation, die Putin selbst mit seiner Politik zu verantworten hat, eingesteht.
Schillmöller: Nun hat er aber ja deutlich gesagt, der internationale Terror, der internationale Terrorismus habe Russland den Krieg erklärt. In Afghanistan zum Beispiel sitzen schon Schutztruppen, enduring freedom heißt die Mission im Antiterrorkampf und Bundesverteidigungsminister Peter Struck hat ja den Satz geprägt, Deutschland wird am Hindukusch verteidigt. Wenn jetzt Putin einlenken würde, denn er gesteht ja zumindest die globale Dimension ein, müsste man dann bald mal über den Satz sprechen, Deutschland wird am Kaukasus verteidigt?
Umbach: Nun Verteidigungsminister Struck hat ja schon mal gesagt dass Deutschland in Afghanistan verteidigt wird. Dahinter steht die Anerkenntnis der Tatsache, die sich aber nach wie vor nur sehr langsam bei westlichen Politikern, namentlich auch bei deutschen und europäischen Politikern, durchsetzt, dass auf den ersten Blick geografisch weiter entfernte Konflikte doch direkt und indirekt Auswirkungen auf Deutschland haben. Was wir benötigen für diesen Kampf, sind in der Tat ein globales sicherheitspolitisches Engagement, aber dieses eben darf sich eben nicht alleine auf militärische Maßnahmen reduzieren, sondern in der Diskussion ist ja auch schon seit mehreren Jahren so etwas wie ein Stabilitätspakt für die Gesamtregion, Zentralasien und insbesondere Kaukasus, das heißt politisch sozioökonomische Maßnahmen müssen durchgeführt werden. Das setzt aber wiederum voraus, dass Russland an einer größeren Rolle der EU in diesem Raum interessiert ist, dass es sich öffnen muss gegenüber Institutionen wie der UNO und der OSZE, Beobachter hereinlässt und diesen Organisationen auch eine Rolle zubilligt, dazu ist Russland und auch Präsident Putin auch was die jetzigen Reaktionen deutlich machen, bisher nicht bereit.
Schillmöller: Vielleicht zum Schluss ein Ausblick, in der ägyptischen Zeitung El Ahram hat ein Herausgeber besonders kritische Worte gefunden zum internationalen Terrorismus, ich zitiere mal, selbst die Feinde des Islam haben keinen derart großen Schaden angerichtet wie dessen Söhne durch ihre Dummheit und ihre falsche Auffassung von der Natur dieses Zeitalters. Könnte man vielleicht die Hoffnung hegen, dass mehr oder weniger aus der arabischen Welt aus innen heraus der Terror dann doch auf Dauer zersetzt werden könnte, weil er keine Unterstützung findet?
Umbach: Zumindest sind solche Kommentare ermutigend insoweit, als so etwas wie ja auch eine Eigenverantwortung, eine eigene Schuld auch eingestanden wird, was natürlich mit dem politischen System in den arabischen Ländern zu tun hat. Ich erinnere nur an den UN-Bericht über die arabischen Staaten, der ja deutlich gemacht hat, dass es in keiner anderen Weltregion derart Defizite an politischen und wirtschaftlichen Reformen gibt, dass keine andere Region so weit hinter der Globalisierung hinterher hängt. Das heißt, diese ganze Frage des Terrorismus ist natürlich auch unmittelbar mit der Frage politischer und wirtschaftlicher Reformen verbunden. Und insoweit auch mit einer Debatte über die Eigenverantwortung und natürlich der Anerkennung der Tatsache, dass diese Debatte in Verbindung mit politisch sozioökonomischen Reformen intern weiter voran getrieben werden muss und es gibt in der Tat, wenn Sie Saudi Arabien nehmen, doch zumindest einige positive Anzeichen, dass es in diese Richtung geht.
Schillmöller: Ich bedanke mich für das Gespräch, das war Frank Umbach von der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik über Russland und den Kaukasus und möglicherweise Verbindungen zum internationalen Terrorismus.