Friedbert Meurer: Daraa liegt unmittelbar an der Grenze zu Jordanien, und auf der jordanischen Seite dieser Grenze liegt der Ort Ar Ramtha, nur wenige Kilometer von Daraa entfernt, und in Ar Ramtha begrüße ich den Kollegen Ulrich Leidholdt. Wo genau sind Sie im Moment und was bekommen Sie mit von dem, was sich in Daraa in Südsyrien abspielt?
Ulrich Leidholdt: Also, ich stehe jetzt in einem Getreidefeld unmittelbar an der jordanisch-syrischen Grenze, das sieht alles sehr beschaulich aus, eine sanfte Hügellandschaft. Wenn ich mal nach Norden schaue, sehe ich über die Grenze hinweg ein Dorf mit Moschee und Minarett, dazwischen immer wieder, wie an einer Perlenkette aufgereiht, die Wachtürme der Jordanier und der Syrer. Ab und zu fährt eine jordanische Militärstreife hier entlang. Wenn ich dann aber um 90 Grad nach Westen schaue, dann sehe ich am Himmel über den Hügeln den ganzen Vormittag schon eine dicke schwarze Rauchwolke hängen, und das ist genau dort, wo sich der Ort Daraa, der von hier aus nicht sichtbar ist, verbirgt, und Bewohner von Ar Ramtha hier haben mir versichert, dass es immer wieder dort Explosionen gibt. Heute früh war ich an einer anderen Stelle der Grenze, habe dort in einem Rohbau ein paar ägyptische Wanderarbeiter getroffen, die auch in diesem Rohbau nachts wohnen, und die versicherten mir, dass es auch in der vergangenen Nacht wieder schwere Explosionen zu hören gegeben habe. Also, alles andere als diese sanfte Landschaft ist die Situation doch hier sehr brisant, und das merkt man auch an der Stimmung der Menschen in Ar Ramtha, die sehr enge Verbindungen haben rüber über die Grenze in ihre Zwillingsstadt, weil es gibt sehr viele familiäre Verbindungen.
Meurer: Wie denken denn die Menschen in Ar Ramtha darüber, was sich in der Stadt abspielt, in Daraa?
Leidholdt: Sporadisch erfahren sie etwas, weil die geografische Lage von Daraa, obwohl vom Militär eingeschlossen, doch einen Vorteil mit sich bringt: Man ist dem jordanischen Handynetz nahe, kann das teilweise nutzen und so gelangen doch Informationen an die Außenwelt, etwas, was die syrische Staatsmacht ja immer wieder unterbinden will, unter anderem auch dadurch, dass der Strom abgeschaltet ist in Daraa, vor allem, damit die Leute ihre Handys nicht aufladen können. Aber immer wieder gelangen doch Informationen nach draußen und die sind nicht gut. Die Leute berichten davon, dass die Medikamente ausgehen, dass es keine Lebensmittel gibt, dass das Wasser knapp wird, und es gibt einige Waghalsige, die versuchen, über die grüne Grenze zu kommen und auch wieder zurück, um diese 130.000-Einwohner-Stadt Daraa mit Lebensmitteln und dem nötigsten zu versorgen.
Meurer: Wie waghalsig ist das im Moment, die Grenze zwischen Jordanien und Syrien zu überqueren?
Leidholdt: Ich habe von einer Familie gehört, die versucht hat, auf die Flucht zu gehen und Jordanien zu erreichen, die sei unterwegs beschossen worden, hat dann aber doch sicher einen Grenzübergang, der noch offen ist – es gibt zwei zwischen Syrien und Jordanien – erreicht und kam dann unbeschadet hier in Ar Ramtha an. Die Stimmung hier ist wirklich gedrückt, weil man eben Angst hat um Angehörige, Freunde und Verwandte, aber auch wegen der wirtschaftlichen Beziehungen. Syrische Waren sind viel billiger als jordanische, Lebensmittel, Kleidung, Einrichtungsgegenstände, Haushaltswaren werden sehr viel aus Syrien bezogen, und das ist eben das typische einer Grenzstadt: Die lebt davon, dass die Grenze ein solches Gefälle auch mit sich bringt. Hier werden diese syrischen Waren verkauft, aber auf gut Deutsch, hier ist tote Hose in den Läden, hier läuft im Moment nichts, weil die Kundschaft ausgeblieben ist und natürlich auch der Nachschub.
Meurer: Stehen die Menschen in Nordjordanien eindeutig auf der Seite der Opposition gegen den syrischen Präsidenten Assad?
Leidholdt: Fragt man sie nach politischen Dingen, sind sie sehr zurückhaltend. Viele fürchten, dass der lange Arm des syrischen Geheimdienstes auch hier herüber nach Nordjordanien reicht, aber die größere Sorge ist wohl, dass, wenn man sich öffentlich äußert, das den Angehörigen im eingeschlossenen Daraa schaden könnte. Fernsehkollegen erzählen, Bilder sind überhaupt nicht möglich, Fernsehinterviews werden strikt abgelehnt. Ich habe ein paar Leute heute sprechen können, wir sind Radio, das bleibt halbwegs anonym, aber insgesamt sind die Leute doch eher verschlossen und bedrückt.
Meurer: Ulrich Leidholdt, unser Korrespondent meldete sich direkt von der jordanischen Grenze zu Syrien aus der Ortschaft Ar Ramtha, nur wenige Kilometer entfernt von Daraa, der Hochburg der syrischen Opposition. Danke, Herr Leidholdt, wiederhören!
Leidholdt: Bitte, tschüss!
Ulrich Leidholdt: Also, ich stehe jetzt in einem Getreidefeld unmittelbar an der jordanisch-syrischen Grenze, das sieht alles sehr beschaulich aus, eine sanfte Hügellandschaft. Wenn ich mal nach Norden schaue, sehe ich über die Grenze hinweg ein Dorf mit Moschee und Minarett, dazwischen immer wieder, wie an einer Perlenkette aufgereiht, die Wachtürme der Jordanier und der Syrer. Ab und zu fährt eine jordanische Militärstreife hier entlang. Wenn ich dann aber um 90 Grad nach Westen schaue, dann sehe ich am Himmel über den Hügeln den ganzen Vormittag schon eine dicke schwarze Rauchwolke hängen, und das ist genau dort, wo sich der Ort Daraa, der von hier aus nicht sichtbar ist, verbirgt, und Bewohner von Ar Ramtha hier haben mir versichert, dass es immer wieder dort Explosionen gibt. Heute früh war ich an einer anderen Stelle der Grenze, habe dort in einem Rohbau ein paar ägyptische Wanderarbeiter getroffen, die auch in diesem Rohbau nachts wohnen, und die versicherten mir, dass es auch in der vergangenen Nacht wieder schwere Explosionen zu hören gegeben habe. Also, alles andere als diese sanfte Landschaft ist die Situation doch hier sehr brisant, und das merkt man auch an der Stimmung der Menschen in Ar Ramtha, die sehr enge Verbindungen haben rüber über die Grenze in ihre Zwillingsstadt, weil es gibt sehr viele familiäre Verbindungen.
Meurer: Wie denken denn die Menschen in Ar Ramtha darüber, was sich in der Stadt abspielt, in Daraa?
Leidholdt: Sporadisch erfahren sie etwas, weil die geografische Lage von Daraa, obwohl vom Militär eingeschlossen, doch einen Vorteil mit sich bringt: Man ist dem jordanischen Handynetz nahe, kann das teilweise nutzen und so gelangen doch Informationen an die Außenwelt, etwas, was die syrische Staatsmacht ja immer wieder unterbinden will, unter anderem auch dadurch, dass der Strom abgeschaltet ist in Daraa, vor allem, damit die Leute ihre Handys nicht aufladen können. Aber immer wieder gelangen doch Informationen nach draußen und die sind nicht gut. Die Leute berichten davon, dass die Medikamente ausgehen, dass es keine Lebensmittel gibt, dass das Wasser knapp wird, und es gibt einige Waghalsige, die versuchen, über die grüne Grenze zu kommen und auch wieder zurück, um diese 130.000-Einwohner-Stadt Daraa mit Lebensmitteln und dem nötigsten zu versorgen.
Meurer: Wie waghalsig ist das im Moment, die Grenze zwischen Jordanien und Syrien zu überqueren?
Leidholdt: Ich habe von einer Familie gehört, die versucht hat, auf die Flucht zu gehen und Jordanien zu erreichen, die sei unterwegs beschossen worden, hat dann aber doch sicher einen Grenzübergang, der noch offen ist – es gibt zwei zwischen Syrien und Jordanien – erreicht und kam dann unbeschadet hier in Ar Ramtha an. Die Stimmung hier ist wirklich gedrückt, weil man eben Angst hat um Angehörige, Freunde und Verwandte, aber auch wegen der wirtschaftlichen Beziehungen. Syrische Waren sind viel billiger als jordanische, Lebensmittel, Kleidung, Einrichtungsgegenstände, Haushaltswaren werden sehr viel aus Syrien bezogen, und das ist eben das typische einer Grenzstadt: Die lebt davon, dass die Grenze ein solches Gefälle auch mit sich bringt. Hier werden diese syrischen Waren verkauft, aber auf gut Deutsch, hier ist tote Hose in den Läden, hier läuft im Moment nichts, weil die Kundschaft ausgeblieben ist und natürlich auch der Nachschub.
Meurer: Stehen die Menschen in Nordjordanien eindeutig auf der Seite der Opposition gegen den syrischen Präsidenten Assad?
Leidholdt: Fragt man sie nach politischen Dingen, sind sie sehr zurückhaltend. Viele fürchten, dass der lange Arm des syrischen Geheimdienstes auch hier herüber nach Nordjordanien reicht, aber die größere Sorge ist wohl, dass, wenn man sich öffentlich äußert, das den Angehörigen im eingeschlossenen Daraa schaden könnte. Fernsehkollegen erzählen, Bilder sind überhaupt nicht möglich, Fernsehinterviews werden strikt abgelehnt. Ich habe ein paar Leute heute sprechen können, wir sind Radio, das bleibt halbwegs anonym, aber insgesamt sind die Leute doch eher verschlossen und bedrückt.
Meurer: Ulrich Leidholdt, unser Korrespondent meldete sich direkt von der jordanischen Grenze zu Syrien aus der Ortschaft Ar Ramtha, nur wenige Kilometer entfernt von Daraa, der Hochburg der syrischen Opposition. Danke, Herr Leidholdt, wiederhören!
Leidholdt: Bitte, tschüss!