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Externe Beratung in der Diskussion

Sylvie Reichel: Bereits entschieden ist das Politikdrama Florian Gerster und die Bundesagentur für Arbeit. Der Behördenchef wurde gestern entlassen. Ihm wird vorgeworfen, Beraterverträge ohne Ausschreibung vergeben zu haben. Aber eine korrekte Vergabepraxis ist das eine. Mehrere Millionen Euro Steuergelder fließen Jahr für Jahr in die Taschen von externen Beratern und da erscheint noch ein anderer Aspekt wichtig: Brauchen öffentliche Einrichtungen, Politiker, überhaupt so viel Rat von außen? Diese Frage habe ich Manuel Fröhlich gestellt. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität Jena.

    Manuel Fröhlich: Öffentliche Einrichtungen sind, wie alle Institutionen, die in der Öffentlichkeit stehen, unter einem erhöhten Legitimations- und auch Darstellungsdruck. Das bezieht sich ja nicht nur auf die Politik. Die Politik sollte uns natürlich auch einiges Wert sein, dass man sich da Rat auch von außen holt, externen Rat. Das ist sicherlich sinnvoll. Hier benutzen die politischen Institutionen in zunehmendem Maße Hilfe von außen, manchmal auch, um Probleme, die im Inneren strukturell vorhanden sind, auflösen zu können.

    Reichel: Aber die Beamten, oder auch die politischen Entscheidungsträger, sind ja dazu auch ausgebildet. Es gibt ja eine ganze Menge Sachverstand in Ministerien, in den Behörden. Werden die ausreichend genutzt?

    Fröhlich: Ich denke, ja. Zunächst einmal verlässt man sich politisch auf den Sachverstand des Hauses, ob das jetzt ein Ministerium, oder eine weitere Institution der Politik ist. Aber dieses Haus ist natürlich nicht nur eine Institution, in der es nach Sachverstand, nach Rationalität, Vernunft vor dem Thema geht, sondern politische Überlegungen spielen in diesen Institutionen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Hier kann das taktische Einbinden auch von äußeren Akteuren durchaus einen gewissen Mehrwert haben, den man natürlich nicht aus dem Haus selbst bekommt.

    Reichel: Wie stark ist denn die politische Taktik gegenüber Sachverstand oder Vernunft, wie Sie es genannt haben?

    Fröhlich: Das Einsetzten einer Kommission oder das Beauftragen eines Gutachtens, das sind alles kleine Domino- oder Mosaiksteine in diesem ganz großen Bild des politischen Entscheidungsprozesses. Hier kann man, ich glaube, das ist auch in der Politikbewertung ein ganz wesentlicher Begriff, die Zeit, die man für die Politik zur Verfügung hat, steuern, moderieren. Man kann über die Beauftragung von externem Sachverstand Abläufe verlängern oder verkürzen. Man kann gewisse Routinen umgehen, die im Haus oder in den parlamentarischen Gremien beispielsweise vorhanden sind. Hier ist das taktische Moment der Politikgestaltung sicher ein ganz entscheidender Faktor, wenn es noch nicht um das innerliche Ergebnis geht, sondern um das bewusste, taktische Einsetzten der Politikberatung.

    Reichel: Finden Sie denn derzeit, wenn Sie sich die verschiedenen Beratungsgremien anschauen und die vielen Millionen, die dort reinfließen, finden Sie das angemessen?

    Fröhlich: Ich denke, das ist Ausfluss einer strukturellen Entwicklung der Politik, auch und gerade in Deutschland. Diese Einbeziehung von externem Sachverstand hat damit zu tun, dass man eben nicht mehr aus der Politik, beziehungsweise aus der Parteipolitik heraus, feste ideologische Vorgaben hat, mit denen man beispielsweise ein Regierungsprogramm umsetzt. Wenn Sie an das Beispiel denken: Bündnis für Arbeit – da hat man eine so genannte Benchmark-Gruppe, also eine Gruppe, die die beste Praxis international vergleichen sollte und aufgrund dieses Qualitätsvergleichs sollte dann das exekutiert werden, was nach allgemeinen Wirtschaftlichkeitskriterien dann als bestes dastehen sollte. Das ist nur ein Beispiel für die Politik dessen, was Bill Clinton in den USA begonnen hat, oder Tony Blair und New Labor und geht bis hin zu Gerhard Schröder und der Neuen Mitte. Also unideologisches pragmatisches Regieren, das auf beste Lösungen setzt, die dann aber den Nachteil haben, dass sie eventuell auch tagesaktuell ermittelt werden müssen, dass sie nicht mehr in einen langfristigen Rahmen hineinpassen. Insofern halte ich den Anstieg in der Politikberatung für eine Konsequenz dieser strukturellen Veränderung im Regierungsstil. Vielleicht gibt es hier einen Umschlagpunkt, an dem der externe Sachverstand wieder darauf stößt, dass Parteivorgabe, die inhaltliche Programmarbeit der Parteien, diesen Bereich wieder mehr besetzt.

    Reichel: Nun kann man ja unterschiedliche Formen von Beratung unterscheiden. Zum Beispiel gibt es ja die Strukturberatung. Da ging es bei der Bundesagentur für Arbeit darum, dass man versucht, Abläufe neu zu strukturieren, Aufgaben neu zu verteilen. Aber auf der anderen Seite gibt es auch die Fachberatung. Da sind die ganzen Kommissionen vielleicht zu nennen: die Hartz-Kommission, die Rürup-Kommission, die Herzog-Kommission. Wie unterscheidet sich diese unterschiedliche Beratung in Form und Auswirkung?

    Fröhlich: Die Strukturberatung ist näher dran an dem, was man aus der klassischen Unternehmensberatung kennt. Die Bundesagentur für Arbeit – 90.000 Mitarbeiter – das ist ein riesiges Unternehmen. Natürlich kann man hier von der Organisationstheorie her ähnlich herangehen, wie bei einem privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen, während die Fachberatung natürlich eingreift in dieses wirkliche inhaltliche Spannungsfeld auch der Politik. Und hier ist es natürlich auch etwas heikler, etwas brisanter, weil es um inhaltliche Entscheidungen geht und die Frage sich stellt, inwiefern eine vielleicht auch nur formal gedachte oder in den Methoden oder in der Darstellung angelegte Beratung letzten Endes nicht doch auch Auswirkungen hat, auf die inhaltliche Gestaltung von Politik. Da stellen sich in beiden verschiedenen Beratungsformen auch ganz unterschiedliche Legitimationszwänge an Politikberatung.

    Reichel: Wie ist denn das mit der Legitimation von so einer Kommission, die jetzt Fachberatung macht, wie zum Beispiel der Hartz-Kommission oder der Rürup-Kommission? Sind die noch demokratisch legitimiert, wenn eben solche Entscheidungen einfach von der Politik übernommen werden?

    Fröhlich: Zunächst einmal können wir argumentieren, dass die Regierungen im gewissen Sinne über ihren Führungsauftrag schon in der Lage sein sollten, solche Gremien auch als Expertengremien einzusetzen und sich diesen Sachverstand zu besorgen. Auf der anderen Seite sind diese korporatistisch angelegten, auf die Einbeziehung aller Interessengruppen in der Gesellschaft angelegten Institutionen, Runden Tische und Kommissionen, in gewisser Weise eine Parallelveranstaltung zumindest zu den parlamentarischen Gremien und zum parlamentarischen Verfahren. Das Bündnis für Arbeit ist ja nun gescheitert, aber hätte man dort substantielle Einigung in vielen Bereichen erreichen können und das wäre ins Parlament gegangen, hätte sich kaum eine Opposition wesentlich dagegen stellen können, weil der Druck auf diese Einigung, die ja dann schon mit Arbeitgebern und Gewerkschaften in diesem Falle abgestimmt gewesen wäre, doch ein ganz hohes Momentum in den politischen Prozess eingebracht hätte. Insofern ist es einerseits demokratisch, weil viele andere Interessengruppen beteiligt werden neben den politischen Parteien. Auf der anderen Seite tritt die unmittelbare Legitimation über den demokratischen Prozess - die Wahl, die Parteien, das Parlament - dahinter, potentiell zumindest, zurück.

    Reichel: Aber Sie meinen, es wird noch in ausreichendem Maße eingehalten?

    Fröhlich: Das wollte ich mit diesem Beispiel - Bündnis für Arbeit - auch sagen. Es ist noch nicht so dazu gekommen - nicht bei der Bundeswehrstrukturreform, nicht bei Hartz - dass das jetzt von der inhaltlichen Entscheidung her so dominant war, dass es in diesen prekären Bereich gegangen wäre, wo die parlamentarischen Gremien eindeutig zurückgedrängt worden wären.